Gut gelaunt zeigten sich die Spitzen der Union um ihren Kanzlerkandidaten Friedrich Merz am Wahlabend im Konrad-Adenauer-Haus. CDU und CSU erzielten bei der Wahl 28,5 Prozent der Stimmen und sind damit stärkste Kraft im neuen Bundestag. Foto: picture alliance/dpa/Revierfoto/Revierfoto

25.02.2025
Von Katja Gersemann

Koordinatensystem verschoben

Berlin. Die Bundestagswahl 2025 hat das politische Koordinatensystem in Berlin verschoben. Nach vorläufigen Ergebnissen erreichten die Wahlsieger CDU/CSU 28,5 Prozent der Stimmen und damit 208 Sitze im künftigen Parlament. Die zweitplatzierte AfD bekam die Stimmen von 20,8 Prozent der Wähler, umgerechnet 152 Sitze, die Kanzlerpartei SPD sackte auf 16,4 Prozent und damit 120 Sitze ab, Bündnis90/Die Grünen fielen auf 11,61 Prozent und belegen künftig 85 Sitze. Die Linke, die sich erst kurz vor der Wahl aus einem zuvor langanhaltenden Umfragetief hervorkämpfen konnte, erreichte 8,77 Prozent der Stimmen und damit 64 Sitze im Bundestag.

Aus Sicht des Deutschen BundeswehrVerbandes steht die kommende - voraussichtlich unionsgeführte - Bundesregierung damit vor großen Herausforderungen, insbesondere mit Blick auf die Finanzierung der Bundeswehr. Das 100-Mrd.-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr aus dem Jahr 2022 ist bekanntlich bereits aufgebraucht bzw. verplant.

Merz will Koalition bis Ostern

Ein neues Sondervermögen einzusetzen und/oder die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse zu reformieren wäre nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundestages möglich. Nach der konstituierenden Sitzung des neugewählten Bundestages, die spätestens am 25. März 2025 stattfinden muss, wäre eine solche Mehrheit aber nur noch mit Stimmen der AfD oder der Linken möglich. Kurz nach der Wahl überraschte CDU-Chef Friedrich Merz mit der Überlegung, noch die alten Mehrheiten im Bundestag zu nutzen, um die künftige Finanzierung zu sichern. Die knapp vier Wochen bis zur Neukonstituierung des Bundestages sind eine denkbar knappe Zeit, um mit SPD und Grünen zu einer entsprechenden Übereinkunft zu kommen.

Bis Ostern soll dann nach dem Willen von Wahlgewinner Merz bereits die neue Koalition und damit eine hoffentlich handlungsfähige Regierung stehen.  Die Zeit drängt, nicht zuletzt aufgrund der weltpolitischen Neupositionierung der USA und den daraus erwachsenden neuen Herausforderungen für Deutschland und Europa.  

„Die letzten drei Jahre waren im Vergleich zur heutigen geopolitischen Situation und der aktuellen Bedrohungslage ein Kindergeburtstag“, warnte DBwV-Bundesvorsitzender Oberst André Wüstner zuletzt in der Tageszeitung „Die Welt“. Wer Russland wirksam abschrecken wolle, müsse die Verteidigungsausgaben vor die Klammer in einem Koalitionsvertrag ziehen. Wüstner: „Wenn Politik diese Kraft nicht aufbringt, verspielt sie Frieden und Sicherheit auf Generationen hinaus.“

Noch ist der Koalitionsvertrag in weiter Ferne. Weil CDU/CSU im neuen Bundestag allein keine Mehrheit haben, laufen zunächst die Sondierungen für eine künftige Regierungskoalition. Gesprächspartner ist die SPD, da ein Zweierbündnis rechnerisch möglich ist und die Union diese Option bereits favorisiert hat. Der neue starke Mann bei Sozialdemokraten ist Lars Klingbeil. Der Parteichef will nach dem Rückzug des SPD-Fraktionschefs Rolf Mützenich auch auf diesen Posten nachrücken. Aus seinen ersten Statements nach der Wahl wurde bereits klar, dass sich die SPD trotz des verheerend schlechten Wahlergebnisses nicht billig verkaufen und selbstbewusst in die Koalitionsverhandlungen gehen wird.

Sondierungsgespräche prägen regelmäßig die erste Phase nach einer Wahl. Mögliche Koalitionspartner nähern sich informell einander an und loten aus, ob es tragfähige Gemeinsamkeiten und Kompromisslinien für eine mögliche Zusammenarbeit gibt und wo ernst zu nehmende Konfliktherde lauern. In den aktuellen Gesprächen ist von Seiten der CDU neben Friedrich Merz unter anderen mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer Thorsten Frei und Generalsekretär Carsten Linnemann zu rechnen, aus der CSU mit Fraktionschef Alexander Dobrindt und Generalsekretär Martin Huber und bei der SPD werden voraussichtlich Klingbeil und Noch-Verteidigungsminister Boris Pistorius das Team anführen. Sobald das Sondierungspapier steht, werden die Parteigremien die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen beschließen.

Koalitionsverhandlungen stellen deutlichen Blick zur Regierungsbildung dar

Während Sondierungsgespräche generell relativ unverbindlich sind, stellen Koalitionsverhandlungen bereits einen deutlichen Schritt in Richtung Regierungsbildung dar. Ziel ist es, in einem Koalitionsvertrag Absprachen über ein gemeinsames Regierungsprogramm für die kommenden vier Jahre zu treffen sowie die Ressorts zwischen den Verhandlungspartnern aufzuteilen.

Zu Beginn der Koalitionsverhandlungen werden Struktur und Modalitäten festgezurrt, anschließend beginnt die Phase der Arbeitsgemeinschaft. Nachdem die AGs zu Ergebnissen gekommen sind, wird voraussichtlich ein zentrales Gremium das Papier finalisieren. Noch vor Ostern soll dann der Entwurf des Koalitionsvertrags stehen. Anders als der Koalitionsvertrag der gescheiterten Ampelregierung soll der neue Vertrag dem Vernehmen nach vorzugsweise kurz und knackig werden. Dies hätte den Vorteil, dass auf neue Situationen flexibler reagiert werden kann. Die Kehrseite: Mitunter muss zu späteren Zeitpunkten bei Unstimmigkeiten kräftezehrend nachverhandelt werden.

Anschließend stehen die Koalitionäre in spe voraussichtlich noch einmal unter Hochspannung: Dann müssen die Parteien grünes Licht geben für den Koalitionsvertrag, sei es durch Sonderparteitage oder Mitgliederentscheide.

Für die SPD dient der ausstehende Mitgliederentscheid in den Koalitionsverhandlungen auch als Druckmittel, da angesichts der zahlreichen Themen mit Sprengstoff – von Migration bis Bürgergeld - keinesfalls sicher ist, dass der Koalitionsvertrag am Ende durchgewunken wird. Je größer die Zugeständnisse an die SPD, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass deren Basis zustimmt.

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Alle Ansprechpartner im Überblick