05.10.2015

Innere Führung hat sich bewährt - Die Kritik an ihr ist Teil des Konzeptes

Berlin. Der Diskurs um die Innere Führung im Jahr 2015 ist keineswegs ein neues Thema. Die Auseinandersetzung mit dem ethischen Bewusstsein der Soldaten, gehört seit der Neuaufstellung der Bundeswehr zu ihrem Identitäts- und Markenkern. Durch den Wandel zur Einsatzarmee hat innerhalb dieses Diskurses auch die Kritik an der Inneren Führung zugenommen. Durch die Veröffentlichung des Buches Armee im Aufbruch, in der sich junge studierende Offiziere kritisch bis ablehnend mit der Inneren Führung auseinandersetzen, ist dies auch öffentlich wahrnehmbar. Grund genug für die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen die Frage in einer Podiumsdiskussion folgende Frage zu stellen: „Steckt die Bundeswehr 60 Jahre nach ihrer Gründung in einer Identitäts- und Sinnkrise?“

Die Bundestagsabgeordnete Doris Wagner hatte neben dem Vorsitzenden Luftwaffe des DBwV Oberstleutnant Dr. Detlef Buch, den Kommandeur des Zentrums Innere Führung, Generalmajor Jürgen Weigt sowie Dr. Hans-Günther Fröhling von der Forschungsgruppe DemoS, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik Hamburg, als Referenten geladen.

Die Gastgeberin gab in ihren einleitenden Worten ihre Eindrücke wieder: „Die Innere Führung führt innerhalb der Streitkräfte ein Schattendasein und wird außerhalb eher diffus wahrgenommen.“ Der aktuellen Kritik junger Offiziere am Konzept begegnete sie mit Unbehagen. „Die Absage an die Grundprinzipien der Inneren Führung und der Appell auf die Rückbesinnung zu soldatischen Tugenden führt nicht zum Ziel. Er setzt die Gründungsväter der Inneren Führung in einen Konflikt mit der Einsatzarmee“, so das Mitglied des Verteidigungsausschusses.

Das Prinzip des Staatsbürgers hat für sie nicht ausgedient. Eines der Ziele der Podiumsdiskussion war es deshalb, Antworten darauf zu finden, worin die Unzufriedenheit der jungen Soldaten begründet ist und wie das Konzept der Inneren Führung angesichts der sicherheitspolitischen und gesellschaftlichen Veränderungen der jüngsten Zeit weiterentwickelt werden muss.

Oberstleutnant Dr. Buch arbeitete in seinem Vortrag die Ursachen und Hintergründe der derzeitigen Kritik an der Inneren Führung aus der Sicht eines Truppenoffiziers heraus: „Jeden Tag erleben die Soldaten, dass sie ihre Arbeit nicht machen können, sei es durch die marode Infrastruktur, die fehlende oder mangelhafte Ausrüstung.“ Das führt zu Fragen. Unter anderem, ob die Grundsätze der Inneren Führung mehr als nur Lippenbekenntnisse der politischen oder militärischen Führung sind?

Buch stellte weiterhin fest: „Innere Führung beinhaltet auch Schutzrechte des Soldaten gegenüber dem Dienstherren. Wenn Soldaten mitbekommen, dass Rechte für ihn nicht mehr gelten, setzt er sich auch nicht mehr für sie ein.“ Gleichzeitig sind junge Soldaten Teil der Generation Y. Sie suchen nach Sinn und wollen spannende Aufgaben machen, trotzdem eine Work-Life-Balance haben. „Es ist nicht gelungen, einige der jungen Soldaten mitzunehmen. Es gibt ein Vermittlungs- und Verständnisproblem“, so Buch weiter. „Letztendlich ist die Kritik an der Inneren Führung an sich auch nichts Negatives. Die jungen Offiziere wollen, genauso wie der DBwV, die Diskussion befeuern.“ Zum Abschluss appellierte Buch an die Politik, mehr Verantwortung dafür zu übernehmen, Soldaten den Sinn ihres Berufes zu erklären: „Soldaten müssen wissen, wofür sie in den Einsatz geschickt werden.“

Generalmajor Weigt stellt fest, dass der Kern der Inneren Führung weiterhin Bestand hat. „Dies ist eine Herausforderung.“ so der einsatzerfahrene Heeresmann, der aber auch sagte: „Innere Führung ist ein Ideal, das nie zu einhundert Prozent erfüllt wird. Zum einen gibt es eine individuelle Sichtweise jedes Einzelnen auf das Thema und gleichzeitig muss Innere Führung die ganze Bandbreite vom Infanteristen, der Türen auftritt, bis hin zum technischen Spezialisten, der seinen gesamten Dienst vor dem Computer bestreitet, abdecken.“ Und diesen Spagat schafft, trotz aller Kritik, die Innere Führung. Denn, so der Generalmajor weiter, "es kommt nicht von ungefähr, dass wir in zehn Jahren ISAF-Einsatz keine Kriegsverbrechen hatten. Denn Innere Führung als moralischer Kompass der Soldaten hat sich bewährt - gerade in Extremsituationen.“

Die wissenschaftliche Sichtweise auf das Thema wurde von Dr. Fröhlich in die Runde gebracht. „Kritik an der Inneren Führung ist nichts Neues. Es gab sie in der Frühphase, im Kalten Krieg und auch heute. Damals unter dem Stichwort Reformer vs. Traditionalisten, heute unter dem Motto Einsatzarmee vs. Innere Führung.“ Doch die Innere Führung hat überlebt. Denn Innere Führung ist einerseits eine praktische Theorie, „die immer wieder reflektiert wird und in Wechselbeziehung mit der Gesellschaft und der Ökonomie steht. Sie ist demokratisch und integrativ,“ so Fröhlich. Deshalb ist nach Meinung des Wissenschaftlers die Kritik an der Inneren Führung ein Teil der gewollten Sinnsuche: „Diese Identitätssuche darf nicht mit dem Versagen der Inneren Führung gleichgesetzt werden.“

Innere Führung ist weiterhin ein pädagogisches Konzept. „Der mündig handelnde Staatsbürger, mit hoher ethischer Maxime und Verantwortungsbereitschaft, ist ihr Ideal,“ erklärte Fröhlich. In diesem Feld besteht seiner Meinung nach Handlungsbedarf, gerade den jungen Menschen das Konzept noch näher zu bringen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Konzept der Inneren Führung und ihr Kern absoluten Bestand haben werden, aber die Diskussion um ihre Ausgestaltung Teil des Konzeptes sind und nie enden wird. Vor allem MdB Doris Wagner zieht, wie sie im Abschlussstatement betont hat, viel aus der Veranstaltung und verspricht: „Bei mir haben die Anliegen der Soldaten Priorität.“

So ist sie ganz auf der Linie des DBwV. Deshalb werden wir das Thema auch in Zukunft begleiten - Für unsere Mitglieder.