Jürgen Görlich, stellvertretender Bundesvorsitzender des DBwV, und Nariman Hammouti-Reinke, Vorstandsvorsitzende von Deutscher.Soldat.e.V. und Buchautorin

Jürgen Görlich, stellvertretender Bundesvorsitzender des DBwV, und Nariman Hammouti-Reinke, Vorstandsvorsitzende von Deutscher.Soldat.e.V. und Buchautorin

26.02.2019

„Ich möchte eine Debatte in Gang setzen“

Leutnant zur See Nariman Hammouti-Reinke ist Vorstandsvorsitzende des Vereins Deutscher.Soldat. e.V.. Im Interview berichtet sie von der Arbeit des Vereins und erklärt, warum sie als Muslima mit marokkanischen Wurzeln mit „Ich diene Deutschland“ jetzt ein Buch veröffentlicht hat.

Die Bundeswehr: Seit 2011 gibt es den Verein Deutscher.Soldat. Gründungsgrund war damals eine öffentliche Debatte über vermeintliche Integrationsunwilligkeit von Zuwanderern, der Bundeswehrangehörige mit Migrationshintergrund entgegentreten wollten. Was konnten Sie bislang erreichen?

Nariman Hammouti-Reinke:  Wir werden mittlerweile in verschiedensten Gremien gehört. Ich zum Beispiel sitze für den Niedersächsischen Landtag in der Kommission für Fragen der Migration und Teilhabe. Wir sind auch auf Bundesebene vertreten, beispielsweise im Familienministerium zu Fragen der Integration. Damit leisten wir einen Beitrag dazu, dass man die Bundeswehr in der Öffentlichkeit anders sieht – nämlich diverser.

Wird die Arbeit Ihres Vereins noch lange nötig sein oder anders ausgedrückt: Hoffen Sie, dass er sich durch seine Arbeit sozusagen selbst überflüssig macht?

Das ist ein schöner Traum. Aber ich glaube, das dauert noch sehr lange. Denn leider werden viele von uns immer noch auf Herkunft oder Religion reduziert.

Mit „Ich diene Deutschland“  ist unlängst Ihr erstes Buch erschienen. Wie kamen Sie auf die Idee dazu?

Ich möchte eine Debatte in Gang setzen. Eine Debatte, in der es darum geht, dass Migration und Integration eine Chance für Deutschland sind. Und dass wir eine Vielfaltsgesellschaft sind. In der Bundeswehr ist genau das ja schon angekommen. Bei den Offizieren und Portepee-Unteroffizieren haben 15 Prozent der Soldaten einen Migrationshintergrund, in den Mannschaftsdienstgraden sind wir schon bei 25 Prozent. Ich möchte gerne, dass man das Bild des 1,85 Meter großen  blonden, kurzhaarigen und rechtsradikalen Soldaten endlich mal verwirft: Wir sind die Bundeswehr – nicht die Wehrmacht.

Welche Zielgruppe wollen Sie mit Ihrem Buch erreichen?

Zum einen möchte ich die Kameradinnen und Kameraden ermutigen, etwas lauter zu werden und Flagge zu zeigen. Niemand muss sich verstecken. Leider gibt es immer noch Kameraden, die fahren nicht gern in Uniform zum Dienst. Vor allem in Großstädten ist das meist ein Problem. Dabei ist es doch ein ehrenvoller Beruf. Es gibt nichts Höheres, als unsere Verfassung zu verteidigen. Zum anderen möchte ich nach außen gerne zeigen, wie wir aussehen, dass wir in einer Vielfaltsgesellschaft leben. Und ich möchte Bewusstsein dafür schaffen, dass die Bundeswehr – wie gesagt – in die Mitte der Gesellschaft gehört. Dafür muss auch die Politik mehr tun und unsere Arbeit, unsere Einsätze transparenter und offensiver erklären.

Der Untertitel Ihres Buches lautet „Ein Plädoyer für die Bundeswehr – und warum sie sich ändern muss“. Was und vor allem wie müsste sie sich ändern?

Da gibt es einiges. So müsste die Diversität besser dargestellt werden. Wenn zum Beispiel die Marketingabteilung auf die Idee kommt, eine Frau abzubilden, wie sieht diese dann aus? Blond, blauäugig und weiß. Deutsch sein wird immer noch mit diesem Bild gleichgesetzt. Deutsch sein heißt aber auch, auszusehen wie ich. Das bisherige Klischeebild abzuschaffen wäre also eine der nötigen Maßnahmen.

Einer meiner weiteren Schwerpunkte im Buch ist das Beschaffungsmanagement innerhalb der Bundeswehr. Auch das gilt es zu verändern. Die politischen Debatten müssen anders geführt werden, wenn es um den Verteidigungshaushalt geht. Und man muss darüber nachdenken, welche Achtung wir vonseiten des Bundestags erhalten. Man muss sehr lange warten, bis mal ein Bundestagsabgeordneter sagt: „Danke für Ihren Dienst.“

Eine muslimische Seelsorge innerhalb der Bundeswehr liegt Ihnen auch sehr am Herzen?

Es gibt mittlerweile mindestens 1600 Muslime in der Bundeswehr. Und in den Einsätzen sind auch sie schon oft mit dem Tod konfrontiert worden. Ich selbst hatte vor meinem ersten Afghanistan-Einsatz sozusagen eine „Bedienungsanleitung“ für meinen Chef geschrieben, wie mit mir umzugehen wäre, sollte ich in Ausübung meines Dienstes ums Leben kommen. Ich glaube allerdings nicht, dass das meine Aufgabe gewesen ist. Muslimische Seelsorger könnten in dieser Hinsicht nicht nur Ansprechpartner, sondern auch eine Entlastung sein. Islam-Theologen wären dafür wunderbar geeignet.

Sie könnten auch bei der Ausbildung an den Unteroffizier- und Offizierschulen eingesetzt werden. Das gilt für Rabbis gleichermaßen. Das wäre auch eine Frage des Respekts gegenüber den Religionen, die wie das Christentum ebenfalls zu Deutschland gehören.

Wie bewerten Sie das Verhältnis von Deutscher.Soldat. e.V. und dem DBwV?

Wir arbeiten gut zusammen und haben dieselbe Botschaft: Wir setzen uns für mehr Respekt gegenüber unserer Truppe ein und dafür, dass die Bundeswehr in die Mitte der Gesellschaft gehört.

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