Im Gespräch: Oberstleutnant Martin Kasten erläutert im Interview mit dem DBwV, wie wichtig Ehrenamtliche für die Familienbetreuungszentren sind. Foto: DBwV/yb

Im Gespräch: Oberstleutnant Martin Kasten erläutert im Interview mit dem DBwV, wie wichtig Ehrenamtliche für die Familienbetreuungszentren sind. Foto: DBwV/yb

02.10.2019
gk

„Ich bin sehr dankbar und stolz auf jeden Einzelnen“

Oberstleutnant Martin Kasten führt das Leit-Familienbetreuungszentrum (FBZ) im Einsatzführungskommando in Geltow bei Potsdam. Das Leit-FBZ ist verantwortlich für Planung, Koordinierung und Überwachung der Arbeit in der Familienbetreuungsorganisation der Bundeswehr. Wie wichtig Ehrenamtliche für die FBZ sind, erläutert Kasten im Interview mit dem Verbandsmagazin „Die Bundeswehr“.

Die Bundeswehr: Wann, warum und wie ist die Familienbetreuungsorganisation der Bundeswehr entstanden?
Oberstleutnant Martin Kasten: Als 1993 die Bundeswehr in Somalia im Rahmen der Operation UNOSOM II zum ersten Mal im Auftrag des Bundestags in einen Einsatz geschickt wurde, fingen die Familien sofort an, sich Sorgen zu machen. Was passiert da? Was ist, wenn ein Soldat verwundet oder sogar getötet wird? Mit ihren Fragen haben sie sich an die Kommandeure gewendet. Diese wiederum haben festgestellt, dass immer wieder die gleichen Themen angesprochen werden und kamen zum Schluss: Warum machen wir nicht einmal eine Veranstaltung für alle betroffenen Familien, bei der die Antworten gegeben werden können. Der Gedanke der Inneren Führung ging von Anfang an dahin, dass nicht nur der einzelne Soldat betrachtet wird, sondern auch der Soldat in seinem sozialen Umfeld.  Dies wurde in diesem Moment umgesetzt: Es war quasi die Geburtsstunde der Familienbetreuung.

Auch die Familien selbst haben sich sofort engagiert. Es gab gleich Ehrenamtliche, die bereit waren, beispielsweise Veranstaltungen mit zu organisieren und zu unterstützen.

Wie sieht die Struktur in der Fläche aus?
Die Kommandeure haben damals sehr schnell gemerkt, dass Ansprechpartner für die Familien wichtig sind, wenn die Soldaten im Einsatz sind. Deshalb wurden schon 1993 erste Familienbetreuungseinrichtungen mit einem Soldaten als Ansprechpartner aufgebaut, die aber nach der Rückkehr der Soldaten wieder aufgelöst wurden.

Allerdings befinden sich Bundeswehrsoldaten seitdem permanent in den verschiedensten Einsätzen. So wurde aus den Familienbetreuungseinrichtungen im Laufe der Zeit eine richtige Institution. 2001 hat sich das BMVg verpflichtet gesehen, Dienstposten einzurichten und eine richtige, feste Struktur zu schaffen. Seitdem sind wir mit 31 Familienbetreuungszentren in der Streitkräftebasis mit hauptamtlichen Mitarbeitenden in ganz Deutschland präsent.

Welche Rolle spielen Ehrenamtler innerhalb der Familienbetreuungszentren?
Die Ehrenamtlichen stellen fast die Hälfte der für die Familienbetreuungszentren beziehungsweise -stellen aktiven Kräfte. Sie engagieren sich nach ihren persönlichen Möglichkeiten: Einige sind sehr kommunikativ oder organisieren gern und viel, andere bringen sich lieber im Hintergrund ein. Weitere sind in der Familienarbeit aktiv oder kümmern sich bei Veranstaltungen zusätzlich zu den Erziehern, die unter Vertrag genommen wurden, um die Kinder von Angehörigen. Die Ehrenamtlichen sind eine sehr, sehr wertvolle und kaum wegzudenkende Unterstützung für die hauptamtlichen Männer und Frauen.

Wer engagiert sich alles in der Familienbetreuung?
Die Jüngste ist 17, der Älteste ist 82. Mancher ist schon über 20 Jahre dabei, andere haben erst in diesem Jahr angefangen. Ich bin sehr dankbar und sehr stolz auf jeden Einzelnen. Dabei sind Ehefrauen, Ehemänner, Lebenspartner, Eltern aber auch Kinder von Soldaten. Es sind Menschen, die mit Soldaten zu tun haben oder hatten aber auch – in Einzelfällen – interessierte Menschen, die keinen direkten Bezug zur Bundeswehr haben. Beispielsweise engagiert sich in Berlin eine Frau von der Bundespolizei, die einfach aus Interesse mitmacht. Das finde ich großartig.

Worin besteht die Motivation, sich ehrenamtlich zu engagieren?
Das ist außerordentlich unterschiedlich und sehr individuell. Die Gründe reichen von „Ich möchte etwas zurückgeben, von dem, was ich selbst als Unterstützung erfahren habe“ über „Ich möchte meine Fähigkeiten mit einbringen“ bis hin zu „Ich möchte dran bleiben an der Bundeswehr“. Letzteres gilt oft für ehemalige Soldaten oder deren Angehörige.

Sie selbst bilden auch ehrenamtliche Mitarbeiter aus. Wie gestaltet sich diese Ausbildung?
Zwei Mal im Jahr bieten wir Wochenend-Basisseminare an, bei denen die Ehrenamtlichen über allgemeine Themen wie Rechtsfragen, Aufbau der Bundeswehr und der Familienbetreuung und so weiter informiert werden. Zudem erfahren sie, was sie selbst tun und wo sie sich im Detail einbringen können. Wir reden über Möglichkeiten, aber auch Grenzen der ehrenamtlichen Tätigkeit.

Darüber hinaus bieten wir eine Kommunikationsausbildung an. Dabei geht es dann unter anderem um Gesprächsführung aber auch um Selbstreflexion. Die Teilnehmer lernen beispielsweise, wie man als Gesprächspartner auf Augenhöhe mit jemandem redet, der als Angehöriger Angst um einen Soldaten im Einsatz hat.Und in einer Kommunikationsfortbildung geht es dann um Härtefälle: Wie rede ich mit jemandem, der emotional so angespannt ist, dass er kurz vor dem sprichwörtlichen „Durchdrehen“ ist? Wie spreche ich mit einem Menschen, der heult und schreit?

Außerdem treffen sich einmal im Jahr unsere erfahrenen Ehrenamtlichen zur zentralen Weiterbildung. Hier geht es vor allem um den Austausch untereinander und mit dem Leit-FBZ. Dabei werden die Teilnehmer mit Hintergrundinformationen für ihre weitere Arbeit versorgt. Gleichzeitig geht es auch um die Wertschätzung ihrer Tätigkeit.

Andere Institutionen, wie die Polizei, schicken ebenfalls Peacekeeper in Krisengebiete. Gibt es dort mit den FBZ vergleichbare Einrichtungen?
Die Landespolizei Brandenburg hat jetzt Ansprechbarkeiten für die Angehörigen von Polizeibeamten geschaffen. Dabei durften wir unsere Expertise mit einbringen.

Und es gibt bei der Bundespolizei etwas Ähnliches wie die Familienbetreuungsorganisation. Auf Direktionsebene hat sie einen Ansprechpartner für Angehörige von Polizeibeamten. Da aber die Polizei eine deutlich geringere Zahl in die Einsätze schickt, als die Bundeswehr, sind sie nicht in der Fläche präsent. Die Fragen der Polizeiangehörigen sind auch andere, als die der Soldatenfamilien. Wir stehen zwar in einem Austausch, pflegen aber keine Partnerschaft. Soweit ist die Zusammenarbeit der Ministerien noch nicht.

Sie leiten seit vier Jahren das Leit-FBZ im Einsatzführungskommando in Geltow bei Potsdam. Was ist für Sie persönlich das Besondere an Ihrer Arbeit?
Zunächst bin ich dorthin versetzt worden, weil mich die Personalführung als gut geeignet gesehen hat. Und ich war selbst erstaunt, welch unbekannte, aber interessante Aufgabe vor mir lag. Ich habe nämlich die Chance, mich mit ganz viel Herzblut einer Aufgabe zu widmen, die einzigartig ist. Ich darf eine Fähigkeit der Bundeswehr fachlich leiten, die mit nichts anderem vergleichbar ist. Und ich darf sie betreuen und weiterentwickeln.

Zudem arbeite ich mit sehr, sehr hoch qualifizierten und engagierten Menschen zusammen. Die FBZ selbst unterstehen den Landeskommandos und das Leit-FBZ gehört zum Einsatzführungskommando. Wir sind nur fachlich zuständig. Daraus resultiert eine besondere Form der Zusammenarbeit. Wir bekommen große Unterstützung durch die Landeskommandeure und das Kommando Territoriale Aufgaben in Berlin. Alles in allem also eine sehr spannende und dankbare Aufgabe.

Wie sieht die Zukunft der FBZ Ihrer Einschätzung nach aus?
Zunächst einmal geht es um eine verbesserte Flächendeckung. Wir haben zehn zusätzliche Zentren – und die dafür nötigen Stellen – beantragt. Damit wollen wir den Forderungen des Generalinspekteurs nachkommen, innerhalb einer Stunde vom Wohnort der Angehörigen eine Familienbetreuung erreichen zu können. Dies wird derzeit auf Machbarkeit geprüft.
 
Wir möchten mit der Familienbetreuung ein ganz normaler Bestandteil des militärischen Alltags werden. Wir wollen also noch mehr in die Köpfe der Soldaten hinein. Denn heute müssen wir noch viel Überzeugungsarbeit leisten, zum Teil auch bei Vorgesetzten.

Weiterhin wollen wir unsere Fähigkeiten weiter entwickeln – mit Corporate Identity, Corporate Design aufbauend auf dem neuen Corporate Design der Bundeswehr. Es geht dabei um besseres Marketing. Wir wollen unter anderem unsere Fähigkeit zur mobilen Betreuung, zur Kinder- und Jugendbetreuung professionalisieren und ausbauen. Auch eine Kindernotfallbetreuung wollen wir ermöglichen, was wir derzeit nur sehr eingeschränkt können. Aber dazu müssen wir nicht nur unsere Fähigkeiten, sondern auch unsere Infrastruktur und unsere Informationszusammenarbeit weiterentwickeln. Es ist also noch an vielen Stellschrauben zu drehen.

Grundsätzlich sind wir mit der Familienbetreuung der Bundeswehr seit 26 Jahren großartig für die Familien unserer Einsatzsoldaten aufgestellt.

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