Ein Transportpanzer Fuchs 1A8A7 der ABC-Aufklärung: ein zukunftsfähiges und hochmodernes System. Foto: Bundeswehr/Marco Dorow

21.05.2023
Von Thomas Martin

High-Tech-Sensoren sollen möglichst bald ABC-Spürpapier vor Winkelspiegeln ersetzen

ABC-Spürpanzer Fuchs, moderne Dekontaminationsausstattung und Wasseraufbereitungsanlagen – Systeme und Ausstattung der ABC-Abwehrkräfte der Bundeswehr sind auch im internationalen Vergleich auf einem hohen Niveau. Und es wird ständig daran gearbeitet, dass das auch so bleibt.

Im Bereich ABC-Abwehr hat die Bundeswehr seit Jahrzehnten eine Vorreiterrolle in der NATO inne. So gehören auch die derzeitigen Systeme und Ausstattungen der Bundeswehr zur ABC-Abwehr zum Modernsten im europäischen Vergleich. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass hinsichtlich der Quantität die Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung nicht der Maßstab der Planung war. In Zukunft gilt es, mittels notwendigen Aufwuchses und Erreichens einer Vollausstattung der ABC-Abwehrkräfte wieder einen glaubhaften flächendeckenden ABC-Schutz aufzubauen.

Die materielle Fortentwicklung der ABC-Abwehrkräfte ist fachlich geprägt durch das ABC-Abwehrkommando der Bundeswehr und wissenschaftlich-technisch durch die Arbeit des Wehrwissenschaftlichen Instituts für Schutztechnologien – ABC-Schutz in Munster. Gerade in den Kernfähigkeiten ABC-Aufklärung, Dekontamination und Wasseraufbereitung unterstützt das ABC-Abwehrkommando als Enabler („Möglichmacher“) alle Organisationsbereiche und baut systemisch auf die Fähigkeiten in den militärischen Organisationsbereichen auf.

Kernelemente im System zur Unterstützung in der Bündnisverteidigung sind neben der schnellen gezielten Alarmierung und einer modernen verfügbaren Schutzausstattung für alle Angehörigen im Geschäftsbereich BMVg schnell verfügbare fundierte und wissenschaftlich verwertbare Aufklärungsergebnisse über die eingesetzten Stoffe sowie mobile, sichere Dekontaminationssysteme.

ABC-Aufklärung

Mit der neuesten Generation des ABC-Spürpanzers Fuchs (TPz 1A8A7) hat die Bundeswehr ein zukunftsfähiges und hochmodernes Aufklärungssystem für atomare Strahlung sowie chemische Kampf- und Gefahrenstoffe. Für die Unterstützung von schweren und mittleren Kräften in beweglich geführten Operationen verbundener Kräfte als geschütztes System konzipiert, ist es durch ständige technische Anpassungen in der Lage, dank seiner präzisen Messsysteme wie dem Mobilen Massenspektrometer MM2 sowohl schnelle Ergebnisse für die taktische-operative Entscheidung als auch Daten zur wissenschaftlichen Bewertung bis in die strategische Ebene im Nachgang eines ABC-Ereignisses zu liefern. Zur Unterstützung von leichten Kräften in luftbeweglichen Operationen steht mit einer Anfangsbefähigung in 2024 das leichte A/C-Aufklärungssystem auf Basis des Mungos zur Verfügung. Es steht in seinen Fähigkeiten dem ABC-Spürpanzer Fuchs in nichts nach. In unwegsamen Geländen, in urbanen Gebieten und in Gebäuden kommt der Erkundungs- und Probenahmetrupp zum Einsatz. Er ist mit umfangreichen tragbaren Detektions- und Identifikationsgeräten (genaue Bestimmung des Stoffes) ausgestattet.

Zur A-Aufklärung sind die Geräte in der Lage, auch aus größerer Entfernung die radioaktiven Nuklide zu bestimmen und zu unterscheiden. Zur B-Aufklärung werden Schnelltestkits für die wahrscheinlichsten B-Kampfstoffe mitgeführt, auch Aerosolsammelgeräte zur späteren Auswertung im Labor gehören zur Ausrüstung. Die C-Aufklärung erfordert unterschiedliche Messmethoden, da nicht jedes Gerät sämtliche Kampf- und Gefahrenstoffe aufspüren kann. Das gilt insbesondere für Stoffgemische. Hier sind Flammenphotometer, Ramanspektrometer und Massenspektrometer Teile der Ausrüstung. Schließlich ist der Trupp in der Lage, mit einer umfangreichen Probenahmeausstattung qualitativ hochwertige Proben zu nehmen und in Wort und Bild zu dokumentieren. So können diese Proben in den eigenen mobilen oder anderen zertifizierten Laboren gerichtlich verwertbar analysiert werden.

Dekontamination

Mit Einführung der Dekontaminationsausstattung TEP 90 in 2008 verfügt die Bundeswehr ebenfalls über eine zukunftsfähige Ausstattung zur gründlichen Dekontamination von Personal und Material unter Nutzung nass-chemischer und physikalischer Dekontaminationsverfahren. Die zugehörigen, speziell entwickelten Dekontaminationsmittel zur A-Dekontamination (RDS 2000), zur C-Dekontamination (GDS 2000) und zur B-Dekontamination (BDS 2000), sind hoch wirksam und einfach anzuwenden.

Damit können selbst neuartige und hochgiftige Nervenkampfstoffe, so genannte Fourth Generation Agents, wirkungsvoll „neutralisiert“ werden. Mit der Dekontaminationsausstattung MEP vlb steht seit 2018 ein robustes, „kriegstaugliches“ System zur Verfügung, das im Verbund mit dem TEP 90 in Dekontaminationseinrichtungen eingesetzt wird und auch zur Straßendekontamination verwendet werden kann. Besondere Herausforderung in dieser Fähigkeit sind die immer komplexer geformten und mit High-Tech bestückten Oberflächen moderner Gefechtsfahrzeuge und -systeme. Das neueste, 2022 eingeführte System, die Dekontaminationsausstattung Sondergerät, erweitert die Fähigkeit zur Dekontamination von sensitiven Geräten (zum Beispiel Nachtsichtgeräten und digitalen Ausstattungen) durch die Nutzung eines speziell konzipierten Vakuumverfahrens. So kann die gesamte Ausstattung eines modernen Infanteristen gründlich dekontaminiert und im Nachhinein sicher weiterverwendet werden. Ein Novum für moderne Streitkräfte.

Leistungsfähige Wasseraufbereitungsan¬la¬¬gen ergänzen die Fähigkeiten zur Dekontamination. Die bewährte leichte Trinkwasseraufbereitungsanlage (leTAA) und die 2018 neu eingeführte Wasseraufbereitungsausstattung für Dekontaminationszwecke (WAA Dekon) werden auch die nächsten Jahrzehnte das bevorzugte Gerät für die Wasseraufbereitung in der Bundeswehr sein. Mit diesen Anlagen lässt sich durch die Anwendung des physikalischen Verfahrens der Umkehrosmose aus verunreinigtem oder sogar mit Kampfstoffen versetztem Abwasser wieder Trinkwasser gemäß den strengen deutschen Normen gewinnen.

Zukunftsaufgaben

In naher Zukunft wird es neben der Stärkung der Fähigkeiten in den militärischen Organisationsbereichen in der Fortentwicklung ABC-Abwehr darum gehen, die Vielzahl der Sensoren sämtlicher Befähigungsstufen über das Führungs- und Informationssystem mit der ABC-Auswertesoftware NEWS zu verknüpfen, um dem ABC-Abwehrberater ein vollumfängliches aber zielgerichtetes Lagebild zu liefern. Ziel ist im Ergebnis eine schnellere, wirksamere und effizientere ABC-Aufklärung, Lagebearbeitung und bedarfsgerechte Beratung des Truppenführers ohne eine drohende „Informationsüberflutung“.

In einem nächsten Schritt – an dieser Stelle nur als Ausblick erwähnt – wird dieser Ansatz zum ABC-Raumschutz für strategisch-operativ relevante Räume weiterentwickelt, der alle Sensoren und Indikatoren bis hin zur Bearbeitung von Massendaten mit aktiven und reaktiven ABC-Schutzmaßnahmen in einem Netzwerk automatisiert zusammenführt. Die Prämisse ist: Weg vom klassischen Verfahren, ABC-Spürpapier vor den Winkelspiegeln der Gefechtsfahrzeuge anzubringen und Verfärbungen über Funk zu melden, hin zur automatisierten Meldung durch am Fahrzeug angebrachte Sensoren. Zur Bewältigung der dabei auftretenden Datenmenge und zur optimierten, verzugslosen Entscheidungsfindung wird der Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Unterstützung der Auswertung sowie zur schnellen Bereitstellung verifizierter Informationen unumgänglich sein.

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