Herausforderung und Auftrag
Die Bundeswehr verbindet. Sie ist das Band der nationalen Sicherheit, wie wir in der Corona-Krise erleben konnten, sie ist natürlich auch die Verbindung zu den Partnern des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses. Sie ist aber auch immer wieder Gegenstand politischer Diskussionen, in den vergangenen Wochen leider vor unerfreulichem Hintergrund – Rechtsradikalismus, hat der Chef des Militärischen Abschirmdienstes, Christof Gramm, vor wenigen Wochen erklärt, sei ein Problem mit steigender Tendenz. Wir als BundeswehrVerband sind an der Stelle eindeutig aufgestellt: Wer sich an den rechtsradikalen Rand stellt, darf keine Heimat mehr in der Bundeswehr haben. Hier enden Kameradschaft und Kollegialität.
Die Tatsache, dass sich einige wenige Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK), dieser besonderen Einheit unserer Bundeswehr, vom Boden der Verfassung entfernt haben, wiegt schwer. Das hat den Verband in seinen Grundfesten erschüttert und eine heftige Diskussion im politischen Raum ausgelöst. Eine Sonderkommission im BMVg hat sich mit den Vorgängen beschäftigt, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer selbst ist mit der Forderung vorangegangen, dass die Verhaftung eines Oberstabsfeldwebels, der große Mengen Munition und Sprengstoff gebunkert hat, deutliche Konsequenzen haben muss. Diese Konsequenzen sind bekannt, die 2. Kommandokompanie wurde am 1. August aufgelöst. Das Maß war voll. Dennoch verwahren wir uns davor, dass alle Soldatinnen und Soldaten unter Generalverdacht gestellt werden, und es ändert auch nichts daran, dass wir das KSK brauchen. Im nächsten Jahr wird dieser besondere Verband in der Division Schnelle Kräfte 25 Jahre alt. Die Frauen und Männer des KSK sind wichtig für die Bundeswehr und die Bundesrepublik. Sie bleiben es auch nach den negativen Ereignissen.
Die Bundeswehr feiert in diesem Jahr den 65. Geburtstag, die Geburtsurkunde ist die Himmeroder Denkschrift von 1950. Dort ist ein Grundsatz aufgeschrieben, der bis heute gilt. Der Staatsbürger in Uniform ist Soldat in einer Parlamentsarmee. Dieser Grundsatz ist wiederum wesentlich für die Innere Führung. Sie setzt Grenzen für Befehl und Gehorsam. Das ist eine der Lehren aus der unseligen Zeit von 1933 bis 1945, als die Wehrmacht Instrument des verbrecherischen Regimes der Nationalsozialisten war. Es waren aber auch Soldaten, die sich am Ende des furchtbaren Zweiten Weltkrieges gegen die Machthaber gestellt und mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 deutlich gemacht haben, dass es auch in dieser dunklen Zeit viele Soldaten gab, die es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren konnten, einem verbrecherischen Regime zu dienen. „Begriffe wie Soldatentum, Kameradschaft, Ehre, Treue, Pflicht und Vaterland sind positiv. Diese Begriffe gehören uns“, hat die Verteidigungsministerin zum Gedenken an den 20. Juli gesagt. Das Prinzip der Inneren Führung ist auch die Basis der Arbeit des Deutschen BundeswehrVerbandes. Denn mit der Gründung der Bundeswehr sind die Beteiligungsrechte der Menschen in der Bundeswehr festgeschrieben worden. Ein Jahr nach Gründung der Bundeswehr ist 1956 auch der BundeswehrVerband entstanden.
Die Bundeswehr steht weiterhin vor großen Herausforderungen. Der neue Freiwilligendienst „Dein Jahr für Deutschland“, den Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer am 23. Juli der Öffentlichkeit vorgestellt hat, soll an dieser Schwachstelle helfen. Nach sieben Monaten Grund- und Spezialausbildung haben die Soldaten sechs Jahre Zeit, um weitere sechs Monate im Heimatschutz zu dienen. Wir begrüßen den Ansatz, einen freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz zu schaffen. Es ist gut, dass nun mit diesem Freiwilligendienst die Möglichkeit besteht, den Aufwuchs der Reserve zu unterstützen. Denn gerade mit der in den vergangenen Jahren gestiegenen Bedeutung der Landes- und Bündnisverteidigung müssen wir mehr denn je auf eine solide und zukunftsfähige Reserve setzen. Es ist nun an der politischen Führung, alles dafür zu tun, dass dieses Modell ein Erfolg wird; ob es das wird, lässt sich allerdings erst dann bestimmen, wenn die ersten Erfahrungen gemacht wurden. Schon jetzt aber ist klar, dass für diesen zusätzlichen Dienst das notwendige Ausbildungspersonal, die erforderliche Ausrüstung und eine angemessene Infrastruktur bereitgestellt werden müssen. Der Vorschlag selbst ist aber weit vom Thema Dienst- oder Pflichtjahr entfernt, den die Verteidigungsministerin immer wieder mit Bezug zu einem wichtigen Dienst für die Gesellschaft angehen wollte. Daher halten wir die angekündigte politische und gesellschaftliche Diskussion zu diesem Thema für notwendig. Das ist die Herausforderung.
Das Vereinsleben nimmt allmählich wieder Fahrt auf, nachdem die Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus in den vergangenen Monaten zur Absage fast aller verbandlichen Veranstaltungen und damit auch innerverbandlich zu einem „Lockdown“ geführt haben. In besonderer Weise davon betroffen waren die Mitglieder- und Standortversammlungen zur Neuwahl der örtlichen Vorstände, die satzungsgemäß im ersten beziehungsweise zweiten Quartal durchzuführen waren. Nun meine Bitte an Sie, dort wo es möglich ist, sollten diese nunmehr nachgeholt werden; alternativ kommt die Durchführung von Briefwahlen in Betracht. Das zugehörige Verfahren wurde mit Wirkung zum 1. Juni 2020 wesentlich vereinfacht und außerdem auch für die Delegiertenwahlen zu den Landesversammlungen geöffnet. Aus organisatorischen Gründen ist es unerlässlich, dass die Wahlen bis zum Jahresende abgeschlossen sind, und insofern möchte ich alle Vorstände ermutigen, sich bei Bedenken im Hinblick auf die Durchführung einer „echten“ Versammlung mit dem Briefwahlverfahren zu beschäftigen. Es ist weit weniger kompliziert, als es zunächst scheint.
Mit kameradschaftlichen und kollegialen Grüßen
Jürgen Görlich