Soldaten der militärischen Evakuierungsoperation Afghanistan sind nach der Ankunft in einer Halle auf dem Fliegerhorst Wunstorf am 27. August 2021 angetreten. Foto: Bundeswehr/Neumann

19.03.2022
Katja Gersemann

Evakuierungsaktion hat Erlebnisse aus früheren Einsätzen hochkommen lassen

Die Zentrale Ansprech-, Leit- und Koordinierungsstelle für Menschen, die unter Einsatzfolgen leiden (ZALK), hilft Bundeswehrangehörigen, die im Auslandseinsatz psychisch verletzt wurden. ZALK-Chef Thorsten Roth berichtet über aktuelle Entwicklungen und die neue Ansprechstelle für behinderte Soldatinnen und Soldaten.

Die Bundeswehr: Der Afghanistan-Einsatz ist beendet, der Einsatz in Mali wird zunehmend kritisch betrachtet und möglicherweise bald nicht mehr verlängert. Wird damit auch die Zahl einsatzbelasteter Soldaten zurückgehen, die sich an die ZALK wenden?

Thorsten Roth: Auf den ersten Blick eine logische, gleichwohl keine psychologische Schlussfolgerung. Bei der weit überwiegenden Anzahl der Fälle in der ZALK handelt es sich um einsatzbedingt psychisch erkrankte Soldatinnen und Soldaten. Sehr häufig haben wir es mit traumatischen Erlebnissen und folglich auch mit Traumafolgestörungen wie der PTBS zu tun. Diese tritt oftmals nicht sofort, sondern zum Teil mit großen Verzögerungen auf, manchmal erst Jahre oder gar Jahrzehnte nach einem Einsatz.

Somit gehen wir davon aus, dass bei der ZALK auch in den nächsten Jahren mit einem mindestens konstanten Zustrom an neuen Anträgen zu rechnen ist. Das Ende der Einsätze IFOR und SFOR etwa liegt über 20 Jahre zurück, und dennoch erreichen uns heute noch immer Anträge von ehemaligen Soldaten, deren Erkrankungen auf Ereignisse auf dem Balkan zurückzuführen sind.

Experten erwarten, dass der Evakuierungseinsatz in Kabul am Ende des Afghanistan-Einsatzes bei vielen Soldaten alte Wunden aufgerissen hat…

Davon gehe ich auch aus und in einigen Fällen konnten wir das bereits in Anträgen, die an uns gerichtet waren, beobachten. Die Evakuierungsaktion war sicherlich für den einen oder anderen ein Trigger und hat bei manchen Aktiven und Ehemaligen Erlebnisse aus früheren Einsätzen hochkommen lassen.

Psychisch Einsatzgeschädigte klagen gegenüber dem Deutschen BundeswehrVerband immer wieder, dass sie im Dienstalltag auf Schwierigkeiten stoßen und ausgegrenzt werden. Der DBwV hatte diesen Punkt deswegen zuletzt in das Forderungspapier „Mission Seele“ zur Verbesserung der Versorgung und Betreuung psychisch Einsatzgeschädigter aufgenommen. Gibt es in diesem Bereich Fortschritte?

Beim Thema Integration Einsatzgeschädigter in den Dienstalltag kann sicherlich noch einiges getan werden. Aber die Lücke war früher erheblich größer! Als ich vor über 20 Jahren als Psychologe bei der Bundeswehr einstieg, war es zeitweise noch verpönt, bei psychischen Problemen Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das hat sich enorm gewandelt. Auch Vorgesetzte gehen mittlerweile auf Truppenpsychologen zu und fordern Unterstützung beim Umgang mit betroffenen Untergebenen ein. Es gibt – auch im Vergleich zu anderen Bereichen wie Polizei und Rettungsdienste – ein riesiges Netz an Unterstützungsmöglichkeiten, das Betroffene (mit-)tragen kann, vom Psychologischen Dienst und dem Sozialdienst über die Militärseelsorge und die Lotsen für Einsatzgeschädigte bis hin zum Netzwerk der Hilfe. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg, jedoch noch lange nicht am Ziel.

Nach wie vor ist das Thema Einsatzschädigung und Traumatisierung sowie der Umgang mit Betroffenen noch nicht in dem Maße bekannt, wie es wünschenswert wäre. Durch Unwissenheit und zum Teil auch Unsicherheit kann es dann zu Situationen kommen, die für Vorgesetzte und auch betroffene Kameradinnen und Kameraden unschön sind. Wenn also beispielsweise ein einsatzgeschädigter Soldat, der einen körperlich austrainierten und gesunden Eindruck macht, nur an drei Tagen für vier Stunden in den Dienst kommt, dann mag das für den ein oder anderen nicht nachvollziehbar sein. Fakt ist aber, dass man Menschen eine PTBS nicht ansehen kann und die Einschränkungen oft emotionaler oder kognitiver Natur sind. Auch nicht untypisch ist es, dass betroffene Soldatinnen und Soldaten dem psychischen Druck mit exzessivem Sport begegnen und somit einen optisch unauffälligen Eindruck hinterlassen.

Wir haben bei dem Thema Integration in den Dienstbetrieb Handlungsbedarf zur Unterstützung der verantwortlichen truppendienstlichen Vorgesetzten gesehen und im vergangenen Jahr das Projekt „UWE“ gestartet: Unterstützung bei der Wiedereingliederung von Soldatinnen und Soldaten mit Einsatzschädigung.

Welche Maßnahmen umfasst das Projekt?

Wir konzentrieren uns im ersten Schritt auf ehemalige Soldatinnen und Soldaten, die über das Einsatz-Weiterverwendungsgesetz zurück in die Bundeswehr geholt werden. Kern des Projekts ist die Etablierung und Förderung der persönlichen Kontaktaufnahme und frühzeitigen Kommunikation zwischen Einsatzgeschädigten und Vorgesetzten sowie Ansprechstellen, die bei der Reintegration in den Dienstbetrieb unterstützen können. Hierzu informieren wir Einsatzgeschädigte und Vorgesetzte bereits vor Dienstantritt über das Angebot fachlicher Ansprechstellen und benennen die Ansprechpersonen im Psychosozialen Netzwerk (PSN) sowie die verantwortlichen Lotsinnen und Lotsen für Einsatzgeschädigte. Mit Einverständnis der Einsatzgeschädigten werden die unterschiedlichen Akteure miteinander gekoppelt. Wir geben sozusagen den Impuls, die weitere Kommunikation zwischen den Akteuren erfolgt daraufhin unmittelbar – ohne weitere Beteiligung der ZALK. So senken wir die Hemmschwelle, sich Unterstützung zu holen und erwarten, etwaige Konflikte bereits im Vorfeld zu verhindern. In den ersten Monaten nach Dienstantritt wird erneut Kontakt zu den Einsatzgeschädigten und Vorgesetzten aufgenommen, um den bisherigen Verlauf der Wiedereingliederung nachzuhalten und gegebenenfalls weiteren Unterstützungsbedarf zu identifizieren. Die Rückmeldungen sowohl von Vorgesetzten als auch Betroffenen sind bislang ausgesprochen gut. Seit Anfang des neuen Jahres gehen wir nun auch dazu über, das Projekt auf aktive Soldaten, die in die Schutzzeit aufgenommen werden, auszuweiten.

Das Einsatz-Weiterverwendungsgesetz, das die Grundlage für die Schutzzeit und die Weiterverwendung von Soldaten bildet, wird derzeit evaluiert. Welche Verbesserungsmöglichkeiten sehen Sie?

Zunächst einmal möchte ich nicht der ministeriell geführten und ergebnisoffenen Evaluation des Gesetzes vorgreifen. Wir haben in den Jahren seit Inkrafttreten des EinsatzWVG vielfältige Erfahrungen gesammelt, die wir an das BMVg berichten und die sicher in den Evaluationsprozess mit einbezogen werden. So ist es sicher lohnenswert, die Ausweitung des Weiterverwendungsbegriffs in die Prüfung mit einzubeziehen. Damit meine ich die Prüfung, auch über die Ressortgrenze hinaus einen Weiterverwendungsanspruch zum Beispiel als Landschaftsgärtner in einer Kommune realisieren zu können. Der BundeswehrVerband hat diesen Punkt ja ebenfalls in seinem Positionspapier „Mission Seele“ aufgeführt.

Seit Kurzem gibt es im BAPersBw eine neue Kontaktstelle für behinderte und schwerbehinderte Soldatinnen und Soldaten. Was ist die Idee dahinter?

Neben der ZALK ist ein neues Referat aufgebaut worden, die ZeKos – die Zentrale Kontaktstelle für schwerbehinderte und behinderte Soldatinnen und Soldaten. Seit September 2021 ist die ZeKos aktiv und nimmt für die gesamte Bundeswehr übergreifend die Aufgaben einer zentralen Ansprechstelle, sozusagen einer zentralen Kontaktstelle für schwerbehinderte und behinderte Soldaten und Soldatinnen, wahr. Wir verstehen uns dabei als Ergänzung des bestehenden Systems, in dem zahlreiche Akteure wie die Schwerbehindertenvertretungen, Vertrauenspersonen der Soldaten, Sozialberater, Personalräte oder auch Vorgesetzte zu finden sind. Die jeweiligen fachlichen Verantwortungsbereiche bleiben durch die Aufstellung der ZeKos völlig unberührt, unser Anliegen ist es vielmehr, im Gespräch mit den Betroffenen die konkrete Fragestellung herauszuarbeiten, die fachlich zuständigen Ansprechpartner innerhalb und/oder außerhalb der Bundeswehr zu identifizieren und auf Wunsch die Vermittlung dorthin zu realisieren.

Leider ist das Thema „Behinderung und Schwerbehinderung“ im soldatischen Umfeld immer noch mit einem Stigma und manchmal auch mit Vorurteilen behaftet. Umso mehr ist der neutrale und niedrigschwellige Zugang über die ZeKos ein zielführender Weg, diesem Thema mehr Raum, vor allem aber den betroffenen Soldaten und Soldatinnen unkomplizierte Hilfe zuteilwerden zu lassen.

Wer kann sich denn an die ZeKos wenden?

Alle Soldatinnen und Soldaten mit einer Behinderung oder Schwerbehinderung können sich unkompliziert per Telefon oder E-Mail an die ZeKos wenden. Darüber hinaus sind alle in der Bundeswehr handelnden Akteure, die mit Fragen im Kontext „Soldat oder Soldatin mit Behinderung“ umgehen müssen, eingeladen, bei etwaigen Problemstellungen an die ZeKos heranzutreten. Dies können neben Vorgesetzten zum Beispiel auch Mitglieder des Psychosozialen Netzwerks oder Interessenvertretungen sein.

Kontaktdaten der ZALK und der ZeKos

Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr
VII ZALK
Alte Heerstraße 81
53757 Sankt Augustin
Ansprechstelle:
+49 (0) 2241 15 3368 (Bw: 3471)
E-Mail: BAPersBwVIIZALK@bundeswehr.org

Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr
VII ZeKos
Alte Heerstraße 81
53757 Sankt Augustin
Ansprechstelle:
+49 (0) 2241 15 2694 (Bw: 3471)
E-Mail: BAPersBwVIIZeKos@bundeswehr.org

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