Das Flugabwehrsystem IRIS-T SLM, hier auf der ILA in Berlin im Sommer dieses Jahres, kann Flugobjekte in bis zu 40 Kilometern Entfernung abfangen. Die Ukraine soll insgesamt vier Stück erhalten. Foto: DBwV/Yann Bombeke

12.10.2022
Von Yann Bombeke

Erstes IRIS-T-Flugabwehrsystem an die Ukraine geliefert – NATO-Verteidigungsminister beraten über weitere Hilfen

Seit Beginn dieser Woche ist mehr denn je in diesem Krieg klar, dass die Ukraine dringend moderne Flugabwehrsysteme benötigt: Russland greift gezielt zivile Ziele im ganzen Land an. Berichten zufolge hat Deutschland nun bereits ein erstes Flugabwehrsystem vom Typ IRIS-T an die Ukraine geliefert.

Berlin. Am Montag begannen die massiven Luftschläge Russlands in der Ukraine, es gibt kaum eine größere Stadt, die verschont blieb. Ein Beispiel vom heutigen Morgen: Der zentrale Markt der Stadt Awdijiwka in der Region Donezk wurde getroffen, nach Angaben des Gouverneurs kamen sieben Menschen ums Leben, acht weitere wurden verwundet.

Ins Visier nimmt Russland vor allem zivile Ziele, insbesondere die Energieinfrastruktur wird getroffen. Das perfide Kalkül des Kremls: Vor dem nahenden Winter sollen die Menschen eingeschüchtert, soll die Angst vor kalten Wochen und Monaten geschürt werden. Auch wenn die ukrainischen Streitkräfte nach eigenen Angaben eine beachtliche Zahl von Raketen, Marschflugkörpern und Kamikaze-Drohnen abfangen konnten: Dutzende Geschosse erreichten dennoch ihr Ziel.

Zwar hat der Westen Flugabwehrsysteme geliefert, doch Stinger-Manpads oder Flugabwehrpanzer Gepard sind für die Verteidigung im Nahbereich geeignet, weniger für die Verteidigung von urbanen Zentren. Dafür setzt die Ukraine bislang in erster Linie alte sowjetische Systeme wie S-300 oder 9K37 „Buk“ ein – wie viele davon aber nach fast acht Monaten Krieg noch einsatzfähig sind, ist unbekannt.

Nach Angaben des „Spiegel“ hat Deutschland nun das erste von vier Flugabwehrsystemen IRIS-T SLM an die Ukraine übergeben. Das Verteidigungsministerium bestätigte dies inzwischen. Das System von Diehl Defence kann Flugziele in einer Entfernung von bis zu 40 Kilometern bekämpfen und ist damit für den Einsatz zur Verteidigung von Städten geeignet. Doch ist das bislang noch zu wenig, die nächsten IRIS-T kann die Industrie erst im kommenden Jahr ausliefern. Aber auch andere NATO-Partner haben Unterstützung signalisiert: US-Präsident Joe Biden sicherte dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj weitere Militärhilfe zu – „einschließlich fortschrittlicher Luftverteidigungssysteme“.

Die Probleme sind bei den meisten Nationen des transatlantischen Bündnisses ähnlich: Die Bestände in den eigenen Streitkräften sind knapp, und die Industrie kann die Hightech-Produkte nicht so schnell fertigen, wie gewünscht. So hat die Ukraine auch an dem französischen Flugabwehrsystem SAMP/T „Mamba“ Interesse bekundet, doch ob und wie viele solcher Waffen Frankreich abgeben könnte, ist unklar. Jedoch hat auch Präsident Emmanuel Macron seinem ukrainischen Amtskollegen nach Beginn der russischen Terror-Welle am Montag telefonisch weitere militärische Unterstützung in Aussicht gestellt.

Einig waren sich die westlichen Nationen beim G7-Treffen in dieser Woche in der einstimmigen Verurteilung der russischen Raketen-Offensive, die aus Sicht des Kremls die „Vergeltung“ für die Explosionen vom vergangenen Wochenende auf der Krim-Brücke sind. In einer gemeinsamen Erklärung bezichtigten die sieben führenden Wirtschaftsnationen nach einer Videokonferenz mit Selenskyj den russischen Aggressor, „wahllose Angriffe auf unschuldige Zivilisten“ durchzuführen, was als „Kriegsverbrechen“ zu werten sei.

Die weitere Unterstützung der Ukraine wird auch Thema beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister sein, das am heutigen Mittwoch in Brüssel beginnt. Die Partner im transatlantischen Bündnis wollen sich dabei nicht durch die ständigen Nuklear-Drohungen aus Moskau beirren lassen. Im Vorfeld drohte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg für den Fall eines russischen Einsatzes von Atomwaffen im Ukrainekrieg mit Konsequenzen: „Wenn Russland Atomwaffen einsetzt, wird das verschiedene Konsequenzen haben, auch beim Gebrauch kleinerer atomarer Waffen.“ Stoltenberg betonte, dass man die nukleare Bedrohung durch Russland ernst nehme.

Bei ihrem Austausch in Brüssel wollen sich die Verteidigungsminister auch über Anstrengungen zum Ausbau der Kapazitäten der Rüstungsindustrie unterhalten. Zudem soll der Schutz kritischer Infrastrukturen auf der Tagesordnung stehen. Eine erste Reaktion des Bündnisses auf die Sabotageakte gegen die Nord-Stream-Pipelines ist die Verstärkung der Präsenz in Nord- und Ostsee.  „Mehr als 30 Schiffe“ sind nun dort nach Angaben von Stoltenberg im Einsatz, doppelt so viele wie zuvor. Der Norweger warnte vor weiteren Attacken auf die kritische Infrastruktur, jeder Angriff werde eine „geschlossene und entschlossene Antwort zur Folge haben“. Die Art der Reaktion sei von der Art des Angriffs abhängig.

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Alle Ansprechpartner im Überblick