Ein Panzer Leopard 2A7 bei der NATO-Übung Quadriga in Litauen im Frühjahr. Deutschland will 2027 eine Kampfbrigade mit Leopard und Marder in Litauen aufstellen. Allein, bisher ist kein Geld dafür eingeplant. Foto: Bundeswehr/Marco Dorow

Ein Panzer Leopard 2A7 bei der NATO-Übung Quadriga in Litauen im Frühjahr. Deutschland will 2027 eine Kampfbrigade mit Leopard und Marder in Litauen aufstellen. Allein, bisher ist kein Geld dafür eingeplant. Foto: Bundeswehr/Marco Dorow

15.10.2024
Von Frank Jungbluth

Drastische Folgen für Deutschlands Sicherheit

Die Bundeswehr muss dringend deutlich aufgerüstet und viel besser ausgerüstet werden. Zudem gibt zu wenig Dienstposten, dabei müssen die Streitkräfte unbedingt aufwachsen, wenn Deutschland die Landes- und Bündnisverteidigung sicherstellen und die Vorhaben der NATO erreichen will. „Bleibt man bei der Unterfinanzierung der Bundeswehr, wird das drastische Folgen für uns haben“, sagt der Bundesvorsitzende Oberst André Wüstner.

Aktuell hat die Bundeswehr acht Brigaden mit einer Stärke von jeweils 5000 Soldaten. Eine neunte soll die so genannte Brigade Litauen werden, die Panzerbrigade 45, für die man in der Bundeswehr zurzeit Material und Personal zusammensucht, um pünktlich zum Ende des Jahres 2027 – so der Plan – die volle Einsatzbereitschaft neuen Verbandes melden zu können, der knapp 20 Kilometer von der Grenze zu Putins Vasallenstaat Weißrussland im litauischen Rudninkai stationiert sein soll. 50 Kilometer weiter nördlich, in Rukla, übt die Bundeswehr seit Jahren mit der eFP Battlegroup der NATO. Für Litauen ist die Präsenz der Bundeswehr überlebenswichtig. Die litauischen Landstreitkräfte  verfügen über keine Kampfpanzer, lediglich 91 GTK Boxer stehen zur Verfügung, die Truppe hat 12.500 Mann unter Waffen, 5.000 davon dienen in Freiwilligenverbänden. Auch deshalb wird die Brigade der Bundeswehr sehnsüchtig erwartet. Allerdings: Bis heute ist kein Cent für die Litauen-Brigade im Einzelplan 14, dem Verteidigungshaushalt, vorgesehen.

NATO fordert fünf bis sechs Brigaden mehr

Eine zehnte Brigade hatte Deutschland der NATO schon vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine versprochen, aber die Zeitenwende und die Kriegsgefahr an der Ostflanke des Bündnisses haben die Lage noch einmal verschärft: Die NATO plant noch mehr Kräfte, um glaubhaft gegen Russland abschrecken zu können. 2023 hat das Bündnis beim Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius beschlossen, dass man willens und in der Lage sein müsse, jeden Zentimeter des verbündeten Territoriums zu verteidigen. Was das konkret heißt, ist jetzt bekannt: Statt mit 82 Kampftruppenbrigaden plant die NATO mit 131, 49 Großverbände mehr, von denen Deutschland entsprechend seiner Größe und Wirtschaftskraft fünf bis sechs zusätzliche stellen müsste, wie in den Minimum Capability Requirements (MCR) festgelegt worden ist. Formuliert haben die Ziele die beiden höchsten militärischen Befehlshaber der NATO, US-General Christopher Cavoli und der französische Admiral Pierre Vandier. Auch dem neuen NATO-Generalsekretär Mark Rutte ist es ernst mit der Kampfkraft des Bündnisses.

CDU/CSU: Sondersitzung bringt Ernüchterung

Alarmiert von diesen Zahlen hatte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der vergangenen Woche eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses anberaumt. Man wollte von Minister Boris Pistorius (SPD) wissen, welche Anforderungen die NATO genau stellt und wie die Bundesregierung darauf zu reagieren gedenke. Geschickt hat der Minister seine parlamentarische Staatssekretärin Siemtje Möller. Deren Antworten auf die Fragen der Verteidigungspolitiker ließen zu wünschen übrig, wie der CSU-Abgeordnete Florian Hahn, verteidigungspolitischer Sprecher seiner Fraktion, anschließend erklärte: „Sie stellte damit eindrucksvoll unter Beweis, dass sie die Dimension der Nato-Pläne und die Auswirkungen auf Deutschland, die Bundeswehr und den Bundeshaushalt überhaupt nicht verstanden hat.“

Auch der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Falko Droßmann, habe nach der Sitzung erklärt, die Finanzierung der NATO-Forderungen sei eine Aufgabe für die nächste Legislaturperiode, wie die Tageszeitung WELT berichtet. Das sehe, so zitiert die Zeitung, selbst der Koalitionspartner FDP anders.

FDP mahnt mehr Tempo an

„Es ist wichtig, dass wir rechtzeitig über die steigenden Fähigkeitsanforderungen der Nato reden", sagte der FDP-Abgeordnete Nils Grün der WELT. Zwar liefen die Gespräche über die exakte Verteilung auf die Verbündeten noch bis Herbst nächsten Jahres. Aber es sei „unsere Verantwortung, uns mit der Umsetzung der Nato-Planung nicht erst auseinanderzusetzen, wenn die Entscheidung offiziell gefallen ist“, so Gründer. Für ihn sei klar, dass der Verteidigungshaushalt langfristig steigen und die Personallage der Bundeswehr an die Spitze der Prioritätenliste gesetzt werden müssten.

Der Bundesvorsitzende Oberst André Wüstner kritisiert: „Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat in der Nato der politischen Zielvorgabe zugestimmt, dass unsere Streitkräfte jeden Quadratzentimeter gegen ein neoimperialistisches, aggressiv agierendes Russland verteidigen können müssen. Den dafür notwendigen Bedarf haben die Militärs der Allianz in den MCR nun aufgezeigt, doch die Bundesregierung lege keine entsprechende finanzielle Grundlage im Bundeshaushalt.“

Wer wartet, handelt verantwortungslos

Das liege keinesfalls am Verteidigungsminister, der mehrfach den finanziellen Mehrbedarf für das Wiedererlangen der Verteidigungsfähigkeit aufgezeigt habe, sagte Wüstner der WELT. „Es liegt auch nicht an den Inspekteuren, die im Bericht zur Einsatzbereitschaft der Streitkräfte die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit gegenüber dem Parlament in diesem Jahr schonungslos offengelegt haben.“

„Bleibt man bei der Unterfinanzierung der Bundeswehr“, sagt der Bundesvorsitzende weiter, „wird das drastische Folgen für uns haben. Denn wer in den nächsten Jahren verteidigungsfähig werden will – und das müssen wir auch aufgrund der abnehmenden Unterstützung durch die USA – der muss heute Personal einstellen, muss heute die Rüstungsindustrie über Rahmenverträge zum Kapazitätsaufbau befähigen, muss heute in die verteidigungsrelevante Infrastruktur investieren.“ Wer das alles versäume, so Oberst André Wüstner, „handelt schlicht verantwortungslos und wird letztendlich nur noch zum Beobachten dramatischer Ereignisse verdammt sein.“

Russlands Rüstung voll in Fahrt

Denn jenseits der NATO-Ostflanke treibt Aggressor Russland seine Rüstung konzentriert und massiv voran. „Russland hat im letzten Jahr einen gefährlichen Rüstungswettlauf eingeleitet. Zur Wahrheit gehört: Putin ist mit seiner Kriegswirtschaft bereits aus dem Startblock, während wir dabei sind, das Rennen zu verschlafen. Minister Pistorius hat recht, wenn er feststellt, dass er, gemessen an der Bedrohungslage, aufgrund des für 2025 viel zu geringen Verteidigungsetats nicht so schnell und ausreichend beschaffen kann, wie es notwendig ist. Ich bewerte das auch vor dem Hintergrund der politischen Zusagen an die NATO und des dafür notwendigen Fähigkeitsaufwuchses der nächsten Jahre als fatal. Der Bundestag muss sich mit Verteidigungs- und Kräfteplanung des SACEURS aufgrund der sich weiter dramatisch entwickelnden Bedrohungslage auseinandersetzen und die Stärkung unserer Gesamtverteidigung forcieren. Es muss verstanden werden, dass wir Deutsche und Europäer wieder mehr denn je in unsere Sicherheitsarchitektur investieren müssen“, sagt der Bundesvorsitzende.

 

 

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