Die Zukunft des Einsatzes? Israels Armee testet HoloLens-Brille
Israel als Land mit zahlreichen Feinden gilt militärisch als gut gerüstet und technisch hoch entwickelt. Nun üben Soldaten in einer Verbindung aus echter und virtueller Welt.
Ramat Gan. Die karge Landschaft schwebt zwischen Tischen und Computer-Bildschirmen. In einer Ecke ist ein Gebäude auf einem Hügel zu sehen. Am anderen Ende stehen mehrere Soldaten und ein Panzer. Oberstleutnant Li Ofri trägt eine helmartige Brille auf dem Kopf und tippt mit seinen Fingern in die Luft. Nur er sieht die virtuelle Landschaft in der Nähe der israelischen Stadt Lod. Panzer und Soldaten setzen sich in Bewegung - wie bei einem Computer-Spiel.
Doch dies ist kein Spiel. Der 24-jährige Software-Entwickler arbeitet für die israelische Armee auf einem Militärstützpunkt in einem Vorort von Tel Aviv. Ofri erforscht mit seinem rund zehnköpfigen Team die Verbindung von echter und virtueller Welt in der Kriegsführung - mixed reality. Für die Strategieentwicklung, für die Behandlung von Verletzten, für die Reparatur von Maschinen und für den Einsatz.
„Die Idee ist, letztlich einen größeren Vorteil im Kampf zu haben“, sagt der junge Mann - blaugrüne Uniform, schlank, kurze braune Haare, gestutzter Bart. „Am Ende ist es immer so: Wenn man mehr Informationen vor sich hat, dann kann man das Risiko von allem, was man tut, besser kalkulieren.“
Jede Brille kostet 2800 Euro
Die helmartige Brille von Li Ofri ist eine HoloLens-Brille von Microsoft. Der Träger sieht seine Umgebung und zusätzlich virtuelle Informationen, die allerdings auf die Realität reagieren. So lassen sich etwa mit einem Tippen in die Luft virtuelle Würfel im Raum verteilen.
Seit Sommer vergangenen Jahres testet die israelische Armee zwei HoloLens-Brillen, Preis umgerechnet je rund 2800 Euro. Eine günstige Lösung für das Militär, wie auch Ofri betont.
Statt wie bisher für Strategieentwicklungen aufwendig einen Tisch mit Sand zu präparieren und verschiedene Möglichkeiten durchzuspielen, probieren die Soldaten nun die HoloLens-Brillen aus. Eine Drohne hat vorher die Landschaft bei Lod aufgenommen, der Computer erzeugt für den Träger der Spezial-Brille die virtuelle Realität in der echten Umgebung. Ganze Einheiten von Soldaten bewegen sich durch einen Fingertipp. So lässt sich etwa klären, wie viel Zeit ein Mensch von einem Punkt zum anderen braucht, wie sichtbar er in einem Versteck ist, wo er überhaupt entlanglaufen kann.
Die Technologie könnte in der Zukunft auch den Techniker ersetzen, der rausfahren muss, um eine Maschine zu reparieren, sagt Ofri. Ein Soldat könnte die entsprechenden Informationen über den Schaden und die Reparatur direkt in die Brille projiziert bekommen und selber das Problem lösen. Auch Verletzten im Kampf könnten Kameraden schneller helfen.
Im Einsatz wiederum könnten die Soldaten zusätzliche Informationen über die Stellungen des Feindes eingeblendet bekommen, wissen, wo er sich befindet, ohne sich selbst zu gefährden. „Das ist der Traum für die Armee“, sagt Ofri. „Aber aktuell ist das nicht möglich.“
Nicht einmal im Test-Betrieb auf der Militärbasis läuft alles rund: Ofri will mit einem Klick die virtuelle Erdanziehung einschalten und die vorher verteilten Würfel fallen lassen. Er tippt - und tippt. Nichts passiert. „Bei jeder neuen Technologie hat man Programmfehler“, sagt er. Er tippt wieder. Die Würfel fallen auf die arbeitenden Soldaten und die Tische.
„Das ist noch fünf bis zehn Jahre weg, bis so eine Brille im Kampf eingesetzt werden kann“, sagt auch Frank Steinicke, Professor für Mensch-Computer-Interaktion an der Universität in Hamburg. Dann könne es sie wie in Form einer Sonnenbrille geben. Aktuell gelte: „Die Akkulaufzeit ist nicht wahnsinnig lang, das Display zeigt nur einen relativ kleinen Bereich an, für den massentauglichen Gebrauch ist die Brille zu klobig und so schwer.“
Vorraussetzung ist schnelles Internet im Einsatzgebiet
In 10 bis 15 Jahren könne die Technologie auch Smartphones im Alltag ablösen, schätzt der Mathematiker. Bereits heute werde sie etwa von Architekten verwendet, um zu zeigen, wie ein Gebäude später aussehen werde. Auch in der Medizin werde daran gearbeitet, etwa Röntgendaten direkt auf den Patienten auf dem Operationstisch einzublenden.
Auch für die Bundeswehr ist die Technologie interessant. „HoloLens-Brillen oder ähnliche Produkte, (...) scheinen grundsätzlich dazu geeignet, Informationen schnell für einzelne Soldaten - insbesondere militärische Führer - verfügbar und sichtbar zu machen“, sagt ein Sprecher des deutschen Heeres. Allerdings müsse geprüft werden, ob eine Flut an Informationen die Soldaten nicht überfordern könnte.
Doch nicht nur das Produkt an sich muss sich noch weiterentwickeln, betont Ofri. Im Einsatz brauche es nachher auch stabiles, starkes Internet, um all die Informationen, Filme und Grafiken an den Einsatzort zu bringen.