An der Marineschule Mürwik erhalten Offizieranwärter und Offizieranwärterinnen – hier bei der Vereidigung – ihre Grundausbildung und absolvieren den Offizierlehrgang. Hier erwerben sie in Theorie und Praxis nautische wie seemännische Fähigkeiten und werden auf ihre militärischen Führungsverwendungen vorbereitet. Foto: Bundeswehr / Wilke

01.10.2021
Marco Thiele

Die Zukunft der Marine beginnt jetzt

„Material – Personal – Ausbildung“ lautet der aus der Einsatzfähigkeitsmeldung der Schiffe und Boote bekannte Dreiklang. Wie ist die Deutsche Marine im Hinblick auf diese Aspekte aufgestellt? Und warum hilft ein „Weiter so“ längst nicht mehr?

Zunächst sei an dieser Stelle vermerkt, dass wir uns bei anderer Gelegenheit gemeinsam mit dem Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK) detaillierte Gedanken machen werden über die Frage: „Warum und wofür brauchen wir unsere Marine und ihre Frauen und Männer?“ Dazu müssen wir aber die neue Bundesregierung und ihre Ausrichtung im sicherheitspolitischen Rahmen abwarten. Es geht also auf den folgenden Seiten nicht um die sicherheitspolitische Strategie und wie unsere Marine darin vorkommt. Vielmehr ist der in der Überschrift aufgeführte Dreiklang Grundlage der Ausführungen. Wir haben diese Worte bewusst nicht verwendet, als wir die Autoren um Beiträge gebeten haben. Im Nachhinein war jedoch zu erkennen, dass genau das unsere Gastautoren als Rahmen genommen haben. Außerdem möchten wir noch anmerken, dass wir die Abgeordneten des Deutschen Bundestages bereits im April abgefragt haben, um jegliche Wahlkampfideologie zu vermeiden. Aber nun zum Thema.

Ausrüstung versus Aufrüstung

Der Deutsche Bundestag hat kurz vor der Sommerpause eine umfangreiche Finanzierung für die Ausrüstung der Deutschen Marine beschlossen. Damit könnte man meinen, dass nun alles für die Zukunft unserer Marine getan sei. Wenn es doch nur so einfach wäre. „Ausrüstung“ – das Wort muss man zunächst einmal deutlich darstellen. In den vergangenen Monaten war aus den unterschiedlichsten Bereichen stattdessen das Wort „Aufrüstung“ zu hören. Dahinter steckten entweder politische Sichtweisen auf Streitkräfte oder auch ein wenig Neid auf die gute Arbeit in unserer Marine. „Wie haben die das nur hinbekommen?“, fragt sich der eine oder andere Uniformträger anderer Waffenfarben. Aber auch die den Streitkräften eher ablehnend gegenüberstehende Presse oder die pure Lust am anlasslosen Provozieren sind weitere Gründe für die falsche Verwendung des Wortes.

Denn es geht – um es noch einmal deutlich zu sagen – um die „Ausrüstung“ der Deutschen Marine mit dem Material, das sie zum Erfüllen ihres Auftrags benötigt. Und Veraltetes muss nun einmal ersetzt werden, das sind wir unseren Kameradinnen und Kameraden an Bord, in der Luft und an Land schuldig! Das „Wir“ an dieser Stelle umfasst insbesondere auch unseren Souverän, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Und allein dort zeigt sich – hoffentlich täusche ich mich –, dass es unter Umständen doch nicht so gut um die Zukunft der Marine bestellt ist. Zwar ist die umfangreiche Finanzierung beschlossen, aber es wäre nicht das erste Mal, dass Zeitlinien nach hinten geschoben werden, um das Geld erst morgen oder übermorgen auszugeben. Das geht gar nicht!

Warum ist denn die Marine mit so vielen Mitteln bedacht worden? Ganz einfach: Weil die erforderliche Ausrüstung über Jahre immer wieder aufgeschoben wurde. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem es keine zeitlichen Reserven mehr gibt. Ersatz, der nicht jetzt erfolgt, zerstört Fähigkeiten. Am deutlichsten wird das bei der Nachfolge P-3C „Orion“. Buchstäblich auf den „letzten Drücker“ ist das Nachfolgemuster mit Haushaltsmitteln hinterlegt worden. Wenn eine wie auch immer geartete neue Regierung meint, das nach hinten schieben zu wollen, wird die Marine diese Fähigkeit nicht mehr bieten können.

Nur das beste Material

Weg vom Geld. Wie bereits erwähnt, ist die Deutsche Marine noch auf viel mehr als nur Material angewiesen. Und diese weiteren Aspekte versuchen wir auf den nächsten Seiten zu beschreiben. Statt eine Belehrungsmatrix für Abgeordnete zu erstellen, lassen wir diese selbst zu Wort kommen. Wie sehen einzelne Mitglieder des Bundestages, des abgelaufenen und höchstwahrscheinlich auch des kommenden, die Zukunft der Marine und ihren Beitrag dazu?

Der Leser stellt sich vielleicht an dieser Stelle die Frage, die auch mir immer wieder gestellt wird: „Warum kümmert ihr euch um das Material? Kümmert euch doch lieber um die Menschen!“ Dazu sei gesagt, dass für unsere Frauen und Männer in der Marine nur das beste Material das richtige ist. Oder andersherum ausgedrückt: Haben wir nicht das Bestmögliche an Material, werden die Menschen zu Recht sagen, dass sie nicht in dieser Marine dienen wollen. Und deswegen kümmern wir uns eben auch dar

Attraktiver Beruf, schlechte Rahmenbedingungen

Das ist natürlich nicht alles, es gibt noch weitere Faktoren, die die Soldatinnen und Soldaten in der Marine beschäftigen und deshalb zu Recht von uns erwarten, dass wir uns damit befassen. Nun zum Thema Personal. Wie kann es gelingen, mehr Menschen dazu zu bewegen, in der Marine zu dienen? Die Aufgabe beziehungsweise der Beruf an sich ist attraktiv, das werden auch die meisten Kameradinnen und Kameraden bestätigen. Es sind die Rahmenbedingungen, die die Aktiven stören und die in Zeiten sozialer Medien schnell als negativ nach außen dringen. Aber nicht nur deshalb sind da keine Menschen, die uns die Türen einrennen, um zur See fahren zu dürfen, fliegen zu dürfen oder der Marine an Land dienen zu dürfen. Da muss wohl noch etwas me(e)hr sein, was Menschen motivieren könnte.

Das hier alles detailliert aufzuführen, dürfte den Rahmen unseres Magazins sprengen. Deshalb nur ein Beispiel dazu. Wenn etwas nicht funktioniert hat, haben wir es trotzdem zum Laufen gebracht. Das war und ist auch immer noch eine Motivation unserer Frauen und Männer. Aber diese Motivation lässt nach. Aufgefallen ist, dass dafür einfach die Zeit fehlt. Das Freiziehen der Schiffe wurde schon in der vergangenen Ausgabe unseres Magazins thematisiert. Deshalb nur kurz ein paar Worte dazu: Immer wieder verzweifeln Soldaten daran, dass sie das Schiff verlassen müssen, ohne ihre Aufgaben beenden zu können. Im Zweifel müssen einfachste Instandsetzungen fremd vergeben werden. Die Zeit wird nicht mehr, wenn alle wieder an Bord leben dürfen. Aber die Motivation ist eine andere. Der jetzige Umgang damit zermürbt die Motivation und letzten Endes damit auch die Leistungsfähigkeit. Wie gesagt: Gesicherte Ergebnisse über Vor- und Nachteile des Freiziehens der Schiffe liegen nicht vor. Deshalb können auch wir nur spekulieren. Aber wir hören, was die Angehörigen der Besatzungen dazu sagen. Deshalb wird es dringend Zeit, hier für Abhilfe zu sorgen.

Klare Kante(n)

Damit können wir auch den Bogen zum letzten Thema der Marine der Zukunft schlagen. Denn auch die Ausbildung leidet unter der Umsetzung der geregelten Arbeitszeit. Die Ausbildung benötigt mehr Zeit. Die Zeit des einzelnen Ausbilders ist gemäß jetziger SAZV limitiert. Das führt dazu, dass sich der junge Matrose auch und gerade in der Grundausbildung völlig irritiert bereits um 16.30 Uhr im Feierabend befindet. Sätze wie: „Ich dachte, die Grundausbildung ist auch eine körperliche Herausforderung“, fallen in dem Zusammenhang öfters. Außer der Kreativität der einzelnen Schulkommandeure und ihrer Ausbilder gab es nach unserer Erfahrung keine Hilfe an dieser Stelle.

Zu ungenau und unscharf waren die Vorgaben der militärischen Führung. Nein, kein Führen mit Befehl hilft hier weiter. Aber ein Führen mit Auftrag setzt einen klar umrissenen Auftrag voraus! Und dazu gehören eben nicht nur ein weitreichender Spielraum, sondern auch eine klare linke und rechte Kante. Erst die ermöglicht es dem Vorgesetzten, auf allen Ebenen zu agieren, Freiraum zu nutzen und auch Fehler machen zu dürfen. Unsere Marine funktioniert nur, wenn wir alle zusammenarbeiten. Vom kleinsten Mannschaftsdienstgrad bis hoch zum Vizeadmiral. Und wir als Vorstand Marine unterstützen auf allen Ebenen.

Geht es um die „Marine der Zukunft“ oder um die Zukunft unserer Marine? Wir glauben, um beides. Eine Erkenntnis der letzten Jahre ist, dass ein „Weiter so“ niemandem hilft. Es muss sich etwas ändern. Wie auch im OPREP Material, Personal und Ausbildung zusammengehören und nur im Dreiklang zur Einsatzfähigkeit führen, wird die Zukunft nur funktionieren, wenn wir alles anpacken und nicht einmal hier und einmal da ein wenig herumdoktern. Es wird, wie schon oft beschrieben, die „Operation am offenen Herzen während des Marathon-Laufes“. Nur, wir müssen endlich anfangen. Und hier schließt sich der Kreis zum Anfang meiner Einführung. Der Souverän gibt uns vor, was wir wie können sollen und stellt dazu die Haushaltsmittel bereit. Und das eine muss zum anderen passen!

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