Dr. Franz-Josef Overbeck ist seit 2011 Katholischer Militärbischof. Foto: KS/ Doreen Bierdel

Dr. Franz-Josef Overbeck ist seit 2011 Katholischer Militärbischof. Foto: KS/ Doreen Bierdel

10.12.2023
Eva Krämer

„Die Militärseelsorge ist da, wo die Soldatinnen und Soldaten sind"

Dr. Franz-Josef Overbeck ist seit 2011 der Katholische Militärbischof der Bundeswehr. Ziel der Militärseelsorge sei es, auf die Menschen und ihre Bedürfnisse einzugehen und helfend beiseite zu stehen, sagt Overbeck, der auch Großoffizier des Ordens der Ritter vom Heiligen Grab ist.

Mit welchen Anliegen und Fragen kommen Soldaten zur Militärseelsorge?

Dr. Franz-Josef Overbeck: Die Themen sind sehr breit gefächert. Sie betreffen den dienstlichen genauso wie den privaten Alltag. Zum Teil sind es ethisch und religiös sehr herausfordernde Fragen, die sich im Soldatenberuf stellen, z.B. mit Blick auf den Einsatz von Waffengewalt oder den Umgang mit Verwundung und Tod. Aber auch vieles, was Soldatinnen und Soldaten innerlich beschäftigt, wie etwa ein Versetzungswunsch oder Beziehungsprobleme, kann in einem vertraulichen Rahmen zur Sprache gebracht werden. Oft gibt es auch das Anliegen, eine Taufe, eine Hochzeit oder eine Trauerfeier angemessen und persönlich zu gestalten.

Wie wichtig ist die Militärseelsorge und warum ist sie wichtig?

Kirche für, mit und bei den Soldatinnen und Soldaten ist das Motto der Katholischen Militärseelsorge. Diesem Anspruch wollen wir gerecht werden: Aus einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland geht hervor, dass rund 91 Prozent der Befragten die Präsenz der Militärseelsorgen im Grundbetrieb der Bundeswehr gutheißen. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass sie die Angebote bereits in Anspruch genommen haben und dies auch wieder tun würden. Als besonders wichtig wird die Vertraulichkeit der Militärseelsorgen und die Unabhängigkeit von Dienstgraden und Dienstwegen angesehen. Gerade weil die Seelsorgenden keinen Dienstgrad haben, kann ausgeschlossen werden, dass Hierarchien die seelsorglichen Angebote überlagern. So bieten sie einen geschützten Gesprächsraum, der enorm wichtig ist. Auch Angebote für Angehörige, wie Familienwochenenden, Freizeiten oder Wallfahrten im In- und Ausland, sind stark gefragt.

Welche Herausforderungen bringt die Militärseelsorge mit sich?

Die Militärseelsorge ist da, wo die Soldatinnen und Soldaten sind. Im Rahmen ihrer Arbeit werden Seelsorger in der Militärseelsorge mit schrecklichen Erlebnissen und Erfahrungen konfrontiert, die für die jeweiligen Soldaten sehr belastend sind. Um sie gerade in solchen Lebenssituationen vertrauensvoll und seelsorglich-professionell begleiten zu können, bedarf es auch eines hohen Maßes an persönlicher Selbstsorge – in Form von guter Vorbereitung und Reflexion. Diese Herausforderung bringt jede Form der Seelsorge mit sich, hat aber angesichts der komplexen Tätigkeitsfelder in der Militärseelsorge noch eine andere Qualität. Insbesondere dann, wenn die Seelsorgenden Soldaten bei Einsätzen begleiten, müssen sie selbst auf die Verhältnisse im Land und auch die möglichen Bedrohungen vorbereitet werden.

Wie hat sich die Militärseelsorge in den letzten Jahren entwickelt und verändert?

Entwicklungen und Veränderungen gingen immer mit den zeitbedingten Herausforderungen der Bundeswehr einher. Die Seelsorgenden in der Katholischen Militärseelsorge begleiteten Soldaten auch in Einsatzgebiete, bei Missionen und bei einsatzähnlichen Verpflichtungen. Das spiegelte sich auch in den Themen wider: die Bedrohung von Leib und Leben, die Anwendung von Waffengewalt, der Einsatz in einem von Armut, bürgerkriegsähnlichen Zuständen und Terrorismus geprägten Land, das Pflegen familiärer und partnerschaftlicher Beziehung über eine Distanz von Tausenden Kilometern. Bei all dem die Soldaten zu unterstützen und ihnen in ihrer jeweiligen Lebenssituation gerecht zu werden, setzt ein Selbstverständnis von Militärseelsorge voraus, das dynamisch Veränderungen mitgestaltet und zugleich beständig Halt und Orientierung bietet.

Wie kann der Glaube Soldaten und auch Angehörigen in schweren Zeiten, z.B. bei Auslandseinsätzen, helfen?

Glaube, der es in schweren Zeiten vermag, Trost zu spenden, findet immer auch in Gemeinschaft statt. Das ist eine christliche Grundgewissheit. In Gemeinschaft wird der Glaube an Gott miteinander gelebt, gefeiert und an andere weitergegeben, wobei immer auch Zweifel und Ängste zum Ausdruck gebracht werden können. Meiner Erfahrung nach ist die zentrale Bedeutung von Gemeinschaft etwas, was Soldaten stets bewusst ist. Darauf baut die Militärseelsorge auf und schafft z.B. im Rahmen von Auslandseinsätzen Angebote, die eben Halt und Orientierung bieten wollen. Ich spreche sehr bewusst von Angeboten, denn Glaube – auch in Gemeinschaft – ist etwas zutiefst Persönliches, das nicht erzwungen werden kann und darf.

Sind Soldaten und Soldatinnen durch die Militärseelsorge zum Glauben gekommen?

Ich kenne manche Soldaten, für die viele positive Erfahrungen, die sie mit und durch die Militärseelsorge machen konnten, auf ihrem persönlichen Glaubensweg eine bedeutende Rolle gespielt haben. Dabei kommen auch Taufen und Firmungen immer wieder vor. Unsere Angebote richtigen sich aber vorbehaltlos an alle Soldaten, denn gute Seelsorge verfolgt das Ziel, den Menschen als Person in den Mittelpunkt zu stellen – unabhängig davon, was oder wie er jeweils glaubt.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit den anderen Militärseelsorgen aus?

Die Evangelische, Jüdische und Katholische Militärseelsorge sind für alle Soldaten zuständig, arbeiten sehr eng zusammen und ergänzen sich gut. Die Konfessions- bzw. Religionszugehörigkeit spielt auf dieser Ebene vorerst keine Rolle, weil sich die Angebote der Militärseelsorgen an alle Soldaten richten und unser Verständnis von guter Seelsorge sehr ähnlich ist. Auch in der Einsatzbegleitung arbeiten die Militärseelsorgenden eng zusammen. Erst dann, wenn konfessionelle bzw. religiöse Unterschiede in der Seelsorge bedeutsam werden, ist jeweils die Evangelische, Jüdische oder Katholische Militärseelsorge im Speziellen gefragt. Deutlich wird dabei auch, dass Unterschiede – die einen wichtigen Teil unserer religiösen Identität ausmachen – uns nicht voneinander trennen müssen.

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