Die Bundeswehr der Zukunft plant und kämpft in Dimensionen
Seit Februar wurde es mit Spannung erwartet – das Eckpunktepapier zur Zukunft der Bundeswehr. Mit diesem Papier haben Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Generalinspekteur Eberhard Zorn ihre Perspektiven für langfristige Weichenstellungen in den Streitkräften und der Wehrverwaltung vorgestellt. Seit Dienstag ist aber auch klar: Das Ziel bleibt nach wie vor, die Truppe mit 203.000 Soldatinnen und Soldaten auszustatten und für die Bundeswehr modernes und einsatzfähiges Gerät in ausreichender Zahl anzuschaffen.
Deshalb soll die Bundeswehr der Zukunft in Dimensionen planen und kämpfen. „Eckpunkte für die Bundeswehr der Zukunft“, heißt das Strategie- und Planungskonzept, das Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Generalinspekteur Eberhard Zorn am Dienstag Medien und Öffentlichkeit vorgestellt haben. „Wir brauchen eine stärkere strategische Steuerung, straffere Prozesse und eine Konzentration auf das Wesentliche“, steht in dem Papier.
Die Bundeswehr der Zukunft soll vier Dimensionskommandos haben: Land, Luft- und Weltraum, See sowie Cyber- und Informationsraum. Dafür werden die früheren Orgbereiche Sanitätsdienst und Streitkräftebasis (SKB) in ihrer jetzigen Form aufgelöst und teilweise in die neuen Dimensionen eingegliedert.
Aber auch im Bereich der Wehrverwaltung gilt es nach Auffassung von Ministerin Kramp-Karrenbauer sowie Staatssekretär Gerd Hoofe die Kopflastigkeit in Ämtern zu Gunsten der Verwaltung in der Fläche zu stärken. Optimierungspotential sei eindeutig erkennbar.
Viele Begründungen für den Reformbedarf, den die IBuK und der GI am Dienstag vorgestellt haben, finden sich unter anderem bereits im DBwV-Papier „Schlagkräftige Bundeswehr 2025“ aus dem Jahr 2017 wieder. Spätestens mit der grundlegenden Lageänderung durch die Annexion der Krim im Jahr 2014 sowie den folgenden NATO-Gipfeln war klar, dass die Landes- und Bündnisverteidigung wieder in den Fokus rückt. Folglich wurde dies in politischen Dachdokumenten beschrieben, aber eine Auswirkung auf Struktur- sowie Prozesslandschaft wurde seit 2018 aufgeschoben.
Die Notwendigkeit der Veränderungen wurde allerdings nicht nur vom DBwV beschrieben. Im bundeswehrinternen Programm „Innere Führung – heute“, an dem über 800 zivile und militärische Führungskräfte teilnahmen, kam ebenso sehr deutlich zum Ausdruck, dass massive Führungserschwernisse nur im Kern noch durch strukturelle Anpassungen zu beheben sind.
„Im Grunde ist es unstrittig, dass Veränderungsbedarf besteht“, so André Wüstner, Vorsitzender des DBwV. Nun komme es darauf an, die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen und tatsächlich die avisierten Ziele zu erreichen.
Die Eckpunkte, die vier Monate vor der Bundestagswahl einige überraschten, werden allerdings auch nicht morgen umgesetzt. „Nun gilt: Ruhe bewahren. Auch mit diesem Papier wird sich in den nächsten Monaten erst einmal wenig ändern. Darüber hinaus liegt es an der nächsten Bundesregierung, diese Vorschläge umzusetzen. Zorn und Kramp-Karrenbauer betrachten ihr Papier ausdrücklich auch als Diskussionsgrundlage. „Die Messlatte für die nächste Legislaturperiode ist richtigerweise hochgelegt worden. Man sollte allerdings auch darüber springen“, appelliert Wüstner an die Verantwortung, nicht mehr nur anzukündigen, sondern endlich auch zu handeln. Dass dazu auch die finanzielle Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu füllen ist, hatte der Bundesvorsitzende zuletzt mehrfach betont.
Der BundeswehrVerband werde im Interesse seiner Mitglieder an der Realisierung der ehrgeizigen Ziele, die am Dienstag ausgegeben worden sind, mitwirken und anhand klarer Kriterien messen. Wüstner: „Das Eckpunktepapier ist ein Startschuss für einen möglichen Veränderungsprozess. Ob aus einem „gut gemeint“ auch ein „gut gemacht“ wird, bleibt dabei abzuwarten. Fakt ist: wir werden konfliktfest diesen Prozess begleiten – für die über 200.000 Zivilbeschäftigten sowie Soldatinnen und Soldaten, die wir vertreten.“
In dem 27-seitigen Reformpapier werden die Anforderungen an die Bundeswehr vor dem Hintergrund der sicherheitspolitischen Herausforderungen klar definiert und daraus Vorschläge abgeleitet. Zu diesen gehört beispielsweise die Schaffung eines zweiten operativen Kommandos zur Wahrnehmung der Aufgaben der Bundeswehr im Inland – das Kommando Territoriale Aufgaben, neben dem Einsatzführungskommando.
Die Kernpunkte:
- Bereits von April 2022 an soll ein nationales Führungskommando der Bundeswehr von Berlin und Bonn aus die Aufgaben der Bundeswehr im Inland koordinieren – also alle Einsätze von der Amtshilfe über Unterstützung bei Katastrophen bis hin zur Landesverteidigung. „Der künftige Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos ist zugleich Nationaler Territorialer Befehlshaber.
- Des Weiteren werden vier Dimensionskommandos festgelegt, die einsatzbereite Streitkräfte und Component Commands für nationale und internationale Aufgaben bereitstellen. Dies sind die Dimensionen Land, See, Luft- und Weltraum sowie Cyber- und Informationsraum.
- Die Fähigkeitskommandos ABC-Abwehr, Feldjäger und CIMIC werden zukünftig der Dimension Land zugeordnet.
- Das Sanitätswesen wird kein eigenständiger Organisationsbereich mehr sein. Die Gesundheitsversorgung erhalte „eine herausgehobene Stellung durch die Berufung des Inspekteurs des Sanitätsdienstes zum Generalarzt der Bundeswehr im Bundesministerium der Verteidigung“. Dieser Generalarzt soll bereits ab 1. Januar 2022 etabliert werden.
- Der Vorschlag eines Bundeswehrplanungsgesetzes, das eine solide und vor allem zuverlässige Bundeswehrplanung über die Finanzpläne des Bundes möglich macht.
Ein für den DBwV maßgebliches Leitprinzip des Eckpunktepapiers ist eindeutig: „Organisiere Dich, wie Du kämpfst“. In einer dazu einberufenden Bundesvorstandssitzung werden erste Prüffragen abgeglichen sowie Kriterien für eine erfolgreiche Umsetzung des durch die Ministerin dargestellten Vorhabens zusammengefasst. Den Kopf in den Sand stecken können andere, der DBwV wird gestalten, wo immer möglich und streiten, wo immer nötig.