Das Weltraumkommando der Bundeswehr ist eine höhere Kommandobehörde der Luftwaffe und der zentrale Kompetenzträger der Bundeswehr für die Planung und Führung von Weltraumoperationen. Foto: Bundeswehr

Das Weltraumkommando der Bundeswehr ist eine höhere Kommandobehörde der Luftwaffe und der zentrale Kompetenzträger der Bundeswehr für die Planung und Führung von Weltraumoperationen. Foto: Bundeswehr

23.09.2023
Von Philipp Kohlhöfer

„Der Weltraum ist eine operative Dimension“

Im Juli 2021 aufgestellt, wird das Weltraumkommando der Bundeswehr knapp zwei Jahre später als eigenständige Dienststelle etabliert. Rund 230 Soldaten und zivile Mitarbeiter sollen in den nächsten Jahren bei dem Kommando in Uedem arbeiten. Die Frage ist: Was tun sie da? Ein Interview mit dem Kommandeur, Generalmajor Michael Traut.

Die Bundeswehr: Wozu braucht man denn ein Weltraumkommando?
Generalmajor Michael Traut:  Wir alle nutzen in fast allen Lebensbereichen – bei Kommunikation, bei Navigation, bei der Steuerung von Stromnetzen, bei Kontoüberweisungen, bei der Wettervorsage – weltraumgestützte Dienste und machen uns eigentlich gar keine Gedanken, welche komplexen Systeme dahinterstehen. Leider zeigt sich, dass der Weltraum kein konfliktfreies Gebiet mehr ist. Er wird zunehmend genutzt – und das führt zu Interessenkonflikten. Gleichzeitig ist der Weltraum gesetzlich sehr wenig reguliert. Deswegen haben einige Staaten, und auch die NATO, 2019 den Weltraum als eigenständige operative Dimension anerkannt. Damit einher geht der Aufbau von Strukturen, um die eigenen weltraumgestützten Dienste zu schützen – und gleichzeitig festzustellen, was andere im Weltraum tun. Dazu muss ich dann auch sicherstellen können, dass ich dem potenziellen Gegner die Nutzung seiner Fähigkeiten etwas schwerer machen kann. Das ist im Kern der Auftrag des Weltraumkommandos der Bundeswehr.

Dennoch: Was genau am Weltraum ist für uns sicherheitsrelevant?
Zum Beispiel gibt es Satelliten, die sich an andere Satelliten annähern und deren Datenverkehr mithören. Es gibt Satelliten, die andere Satelliten abschleppen können. Manche Nationen haben auch die Fähigkeiten, vom Boden aus Satelliten abzuschießen. Das sind Bedrohungen, denen man dann auch mit militärischen Überlegungen begegnen muss.

Und für das Weltraumkommando der Bundeswehr bedeutet es was genau?
Unsere Überlegungen zielen darauf, unsere eigene Weltraumnutzung sicherzustellen und zu schützen. Da geht es nicht nur um einzelne Satelliten, sondern es geht auch um das gesamte System: den Link zu den Satelliten, die Bodenstation, die Auswertung. Schutz hat zwei Komponenten.

Welche sind das?
Man kann einerseits mit einem Satelliten ausweichen. Man kann verschiedene elektronische Dinge tun, um einem anderen dann die Annäherung zu erschweren. Der zweite Teil der Überlegung sind offensive Weltraumoperationen. Da richten wir uns nicht zwingend nur gegen die Satelliten selbst, sondern da kann es auch Möglichkeiten geben, die unsere Partnerdimensionen haben: zur See, in der Luft und an Land. Da könnte man etwa eine bodengebundene Antenne angreifen, die zu einem weltraumgestützten Dienst gehört.

Welche Rolle spielt denn das, was das Weltraumkommando tut, für unsere Sicherheit im Alltag?
Sie müssen erst mal genau wissen, was bewegt sich da überhaupt im Weltraum. Dann müssen sie zusehen, dass ihre eigenen Satelliten nicht mit einem anderen zusammenstoßen. Das ist eine Daueraufgabe, die wir für unsere militärischen Satelliten der Bundeswehr bereits jetzt durchführen.

Wie denn?
Wir erstellen ein 24/7-Weltraum-Lagebild. Mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt betreiben wir das gemeinsame Weltraum-Lagezentrum. Das bedeutet, dass wir Kenntnis darüber haben, welche Objekte sich wo in welchem Orbit gerade um die Erde bewegen. Wir berechnen für unsere Satelliten die Kollisionswahrscheinlichkeiten, damit man im Zweifel ausweichen kann. Wir beobachten außerdem sämtliche Satelliten von Staaten, die in unserem Interesse liegen, ob die irgendwelche Aktionen durchführen, die uns beeinträchtigen könnten. Es gibt zum Beispiel einige bekannte russische Aufklärungssatelliten, die sich im geostationären Orbit an andere annähern und dann da den Datenverkehr mithören. Das beobachten wir sehr genau, damit man auch da gegebenenfalls reagieren kann.

Und dazu braucht es die Zusammenarbeit?
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt ist eine sehr große Organisation, die zivile Forschung betreibt. Deren Unterorganisation ist die Raumfahrtagentur, die RFA. Die RFA arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und ist für das Deutsche zivile Raumfahrtprogramm zuständig. Die schicken zum Beispiel unsere Astronauten auf die ISS und betreiben zivile Raumfahrtmissionen. Mit der Raumfahrtagentur betreiben wir das Weltraum-Lagezentrum. Dort sitzen rund um die Uhr zivile Vertreter des DLR und Soldaten des Weltraumkommandos zusammen, erstellen die Weltraumlage und machen Orbitalanalysen.

Klingt erst einmal sehr zivil.
Eine militärische Funktion ist zum Beispiel das Erkennen, wann ein russischer oder chinesischer Aufklärungssatellit einen bestimmten Bereich überfliegt und Fotos macht – etwa wenn wir Soldaten anderer Nationen an unseren Waffensystemen ausbilden, auf Truppenübungsplätzen in Deutschland, dann möchten wir schon gerne wissen, wann uns dabei zugeschaut wird. Eine weitere Sparte sind sogenannten Wiedereintrittswarnungen. Objekte im Weltraum haben ab und an die Eigenschaft, unkontrolliert wieder zurückzukommen und es ist wichtig für unsere Truppe, die gerade in Polen Luftverteidigung macht, ob das Objekt, das da mit sehr großer Geschwindigkeit in großer Höhe auf sie zugeflogen kommt, ein wieder eintretender Satellit ist oder etwas anderes.

Wie ist denn die Zusammenarbeit mit den Alliierten im Weltraum?
Deutschland ist seit einigen Jahren Mitglied in der Combined Space Organisation Initiative, der CSpO. Das ist ein Zusammenschluss von derzeit sieben Nationen, die sich gemeinsamen Zielen in der militärischen Weltraumnutzung verpflichten: USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Australien, Neuseeland und Deutschland. In diesem Zusammenschluss entwickeln wir gemeinsame Standards für Informationsaustausch und ein gemeinsames Verständnis über Risiken und Bedrohungen im Weltraum. Darüber hinaus schaffen wir Kanäle der Zusammenarbeit.

Man wird doch vermutlich nicht nur Informationen austauschen, wenn einer ihrer Satelliten etwa von Russen oder Chinesen abgehört wird?
Da kann ich nicht ins Detail gehen.

Wo steht Deutschland denn mit dem Weltraumkommando im internationalen Vergleich?
Die Amerikaner sind schon seit sechzig Jahren im Weltraum unterwegs und haben von vornherein den Weltraum militärisch genutzt, etwa bei der nuklearen Abschreckung – weil sie zum Beispiel nur durch weltraumgestützte Dienste eine Frühwarnung erreichen. Frankreich hat 2019 begonnen, ein Weltraumkommando aufzustellen, Großbritannien 2020. Da waren wir nur kurz später und generell sind wir in einer ähnlichen Größenordnung unterwegs. Wenn wir uns jetzt mit Kanada, Australien und Neuseeland vergleichen, liegen wir da durchaus sehr gut im Rennen: Australien hat 2022 begonnen, ein Weltraumkommando aufzustellen, in Kanada und Neuseeland gibt es noch keine eigenständigen Kommandos.

Ist Europa groß und fähig genug, um eine Rolle im globalen Wettbewerb spielen zu können, die losgelöst ist von den Amerikanern?
Europa ist garantiert groß genug, um eine Rolle zu spielen – und Europa sollte auch in der Lage sein, eine eigenständig Weltraumnutzung zu betreiben. Das ist ja auch so.

Ist es?
Europa betreibt mit Galileo das beste Satellitennavigationssystem. Das ist genauer als GPS und jedes moderne Mobiltelefon kann auf Galileo zugreifen. Europa ist also durchaus ein kompetenter Player in Sachen Weltraum. Es gibt jede Menge gute Zusammenarbeit, etwa mit Frankreich. Wir haben seit Jahren einen sehr guten Austausch, insbesondere dabei, was wir militärisch tun. Wenn wir uns gut koordinieren, können wir als Europa sicherlich mithalten.

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