Die neue Regierung des Freistaates Sachsen Ende Dezember 2024. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) regiert in einer Minderheits-Koalition mit der SPD und braucht für alle Gesetzesvorhaben Stimmen aus der Opposition. Das heißt, nach mehr als 30 Jahren bricht die Zeit vieler Kompromisse an. Foto: Picture Alliance/DPA

Die neue Regierung des Freistaates Sachsen Ende Dezember 2024. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) regiert in einer Minderheits-Koalition mit der SPD und braucht für alle Gesetzesvorhaben Stimmen aus der Opposition. Das heißt, nach mehr als 30 Jahren bricht die Zeit vieler Kompromisse an. Foto: Picture Alliance/DPA

15.01.2025
Frank Jungbluth

Der Kompromiss ist das Lebenselixier der Demokratie

Die jüngsten politischen Entwicklungen lehren, dass die Parteiendemokratie in Deutschland gut fürs Land ist, aber wohl noch vieler Kompromisse bedarf. Die Wähler sind wechselhaft, aber der Blick in die Geschichte zeigt, dass sie das von 1949 an waren.

Seit Gründung der Bundesrepublik mit der Veröffentlichung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 leben wir in einer Parteiendemokratie, die vor allem eines kennzeichnet: der Kompromiss. Jüngst erlebt mit der Wahl des alten und neuen Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen. Der Christdemokrat Michael Kretschmer ist im zweiten Wahlgang zum Regierungschef gewählt worden, allerdings wird er Chef einer Minderheitsregierung sein, die auf die Stimmen von Linkspartei oder BSW angewiesen ist, wenn wichtige Gesetzesvorhaben zu beschließen sind.

Wenn manche sagen, die Zersplitterung der Parteien sei ein Manko der aktuellen Situation, so muss man dabei bedenken, dass von Beginn der Bundesrepublik an das Parteienspektrum keinesfalls von der Allmacht der einstmals großen Volksparteien CDU/CSU und SPD dominiert war. Elf Parteien zogen nach der Wahl vor 75 Jahren am 14. August 1949 in den Bundestag ein.

Der Christdemokrat Konrad Adenauer, der erster Bundeskanzler werden sollte, gewann mit seiner CDU und der CSU denkbar knapp: Mit 31 Prozent, vor der SPD mit 29,2 Prozent. Die FDP erreichte 11,9 Prozent, aber es waren auch viele kleine und Kleinstparteien im ersten Deutschen Bundestag vertreten. Darunter die kommunistische Partei KPD, die 1956 in der Bundesrepublik verboten wurde, die Bayernpartei, die später in der CSU aufging, die Deutsche Partei (DP), der Südschleswigsche Wählerverband, die Deutsche Zentrumspartei, die schon vor dem Zweiten Weltkrieg Sammlungsbewegung der Katholiken war, der auch Adenauer entstammte.

Die SPD war mit dem schwer versehrten und von den Nazis im KZ misshandelten Kurt Schumacher ins Rennen gegangen, Konrad Adenauer war immerhin schon 73 Jahre alt, als er zum ersten Bundeskanzler gewählt wurde.

Wenn man die Fähigkeit und Notwendigkeit zum Kompromiss in der Parteiendemokratie bedenkt, dann richtet sich der Blick auf die Realität heute: Die Ampel ist gescheitert, weil sich SPD, FDP und Grüne am Ende in wesentlichen Punkten nicht einigen konnten, das aber wird jede künftige Regierung müssen, denn Verhältnisse wie nach der Bundestagswahl 1957, als Konrad Adenauer mit seiner CDU/CDU zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte der Bundesrepublik die absolute Mehrheit der Mandate erreichte, sind wohl nach derzeitigem Stand der Dinge nicht mehr zu erreichen. Und selbst in der starken Position ging Adenauer eine Koalition ein.

Vor allem die Ergebnisse der jüngsten Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg, was zu erwarten ist. In Thüringen hat die Alternative für Deutschland deutlich die Mehrheit der Sitze im Landtag erobert, regiert wird das Land aber vom Christdemokraten Mario Voigt, der ein Bündnis aus CDU, SPD und dem Bündnis Sarah Wagenknecht geschmiedet hat; übrigens die erste Partei in der Geschichte der deutschen Demokratie, die den Namen ihrer Gründerin trägt, die wiederum mit dem früheren SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine verheiratet ist, der einst SPD-Vorsitzender und seit 2005 einer der führenden Politiker der Linkspartei wurde. Jene Partei, die seine Ehefrau vor einem Jahr verließ, um ihr BSW zu gründen.

Das BSW regiert auch in Brandenburg mit, in Sachsen haben die Reste der Linken auch ohne Koalitionsvertrag für Michael Kretschmer gestimmt. Sie sagen, das sei ein Vertrauensvorschuss, aber keine Garantie für die Zukunft – auch hier werden mitunter schmerzhafte Kompromisse geschlossen werden müssen.

Sicher ist: Wer in der Demokratie mitreden und etwas verändern will, sollte sich in einer demokratischen Partei engagieren. Ein Beispiel, was in Erinnerung geblieben ist, hat mit meiner eigenen Biografie zu tun. 1984, Helmut Kohl, der am 1. Oktober 1982 nach dem bisher einzig erfolgreichen konstruktiven Misstrauensvotum in der Geschichte der Republik zum Kanzler gewählt worden war, galt anfangs nach dem klugen Sozialdemokraten Helmut Schmidt als schwierige Besetzung. Hinzu kam, dass wir, fünf Freunde im tiefen Westfalen, uns im beschaulichen Kurort Bad Sassendorf in der dortigen Jugendinitiative engagierten, aber schnell spürten, dass der Gemeinderat mit dem SPD-Bürgermeister Friedel Dicke an der Spitze so konservativ war, wie es auf dem platten Lande eben so war – er hatte für die Interessen junger Einwohner wenig Sinn. Konservativ waren wir – ehrlich gesagt auch – und Helmut Kohl sehen wir in der Retrospektive positiv. Aber wir wollten mitreden und mitbestimmen.

Also half uns der damals 26 Jahre junge SPD-Politiker Wolfgang Hellmich, vom Bauernhof stammend, seit Jahren Verteidigungsexperte im Bundestag, eine Gruppe junger Sozialdemokraten zu gründen. Als Sozialisten verstanden wir uns nicht, denn bei uns in der Jugendgruppe wirkte auch Beke Schulenburg von der Jungen Union mit, auch auf einem Bauernhof aufgewachsen, die ich jüngst in meiner alten Heimatgemeinde wiedertraf. Sie ist immer noch für die CDU im Gemeinderat, im Kreistag, im Kreisvorstand der Christdemokraten und im Kirchenvorstand. Sie teilte das Abendmahl aus – Ehrenamt für die Demokratie im besten Sinne.

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