„Sascha” heißt eigentlich anders. In dem Moment, in dem dieser Text erscheint, kämpft er bereits wieder mit seiner Einheit im Donbass. Foto: DBwV/Philipp Kohlhöfer

„Sascha” heißt eigentlich anders. In dem Moment, in dem dieser Text erscheint, kämpft er bereits wieder mit seiner Einheit im Donbass. Foto: DBwV/Philipp Kohlhöfer

26.02.2024
Philipp Kohlhöfer

Der Arm ist gerettet - der Krieg wartet

Seit mittlerweile knapp zehn Jahren hilft die Bundeswehr verwundeten ukrainischen Soldaten. Seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und der Zeitenwende erfolgt die medizinische Unterstützung noch intensiver.

Die medizinische Hilfe startet direkt nach der russischen Besetzung der Krim im März 2014. Eingeflogen werden kann theoretisch jeder – auch Kinder mit chronischen Krankheiten, die in der Ukraine aufgrund der schwierigen Lage vor Ort nicht mehr ausreichend versorgt werden können. Die erste größere Gruppe, die aufgenommen wird, besteht denn auch nicht aus Soldaten: Die Luftwaffe bringt knapp 50 Menschen, die während der Auseinandersetzungen auf dem Maidan, dem „Platz der Unabhängigkeit“ verletzt werden, im März 2015 zur Behandlung nach Deutschland.

Die Prioritäten ändern sich aber schnell. Geheim ist das nie. Einerseits. Die Botschaft der Ukraine in Deutschland lässt etwa am 17. November 2015 wissen, dass die Bundeswehr zwölf ukrainische Soldaten, die bei Kämpfen rund um den Flughafen von Donezk verletzt wurden, zur Behandlung nach Deutschland ausfliegt – in die Krankenhäuser der Bundeswehr nach Berlin, Hamburg und Koblenz.

Andererseits: Obwohl die medizinische Unterstützung der Ukraine seit zehn Jahren stabil läuft, wird sie nie an die große Glocke gehängt. Mittlerweile hat das BBK, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, die medizinische Evakuierung übernommen, beauftragt vom Innenministerium und mithilfe der Bundeswehr, deren Soldaten bei der Koordinierung und Beratung helfen.

In Hamburg tritt derweil eine ukrainische Sängerin auf. Groß hängt die Deutschlandfahne hinter ihr an der Wand, es gibt ein Buffet, ukrainisches Essen, Quarkbällchen und Teigtaschen etwa, dazu Drinks in Blau und Gelb, kombiniert mit sehr deutschen Lebensmitteln: Schnitzel und Gummibärchen.

Alle wollen zurück an die Front

Sascha bekommt Kampfstiefel geschenkt, er braucht ein Nachtsichtgerät, dafür werden Spenden gesammelt. „Für die Jagd“, sagt er, er wird es später in Polen erhalten. 2015 geht er zur Armee, nach der Annexion der Krim, dabei hatte er mit der Halbinsel nie irgend etwas zu tun, er kommt aus der Zentralukraine. Aber ein Angriff auf das eigene Land, das geht nicht, sagt er. Das geht einfach nicht. Er sagt: „Natürlich muss man dann kämpfen.“

Die Männer sprechen nur ein paar Worte Deutsch, sie sind einzig hier, weil sie schwer verletzt wurden. Wie viele gehen wieder zurück an die Front? „Alle“, sagt die Koordinatorin des Vereins „Feine Ukraine“, die sich um die Betreuung der Männer kümmert. Für die Zeit ihres Aufenthaltes erhalten sie einen Asylstatus, weshalb die Krankenversicherungen für die Kosten ihrer Behandlung aufkommen. Darüber hinaus, etwa bei der Reha, privater Nachsorge oder für die Unterkunft, bekommen sie nichts.

Aufgefangen werden diese Kosten von Privatpersonen und Unternehmen, in Hamburg klappt das gut. In zwei Jahren russischer Vollinvasion, sagt die Frau, habe man vielleicht eine Handvoll Männer gehabt, die in Deutschland geblieben sind. Denn möglich ist das, zur Ausreise zwingen kann die Soldaten niemand. Da in ihrem Heimatland Krieg herrscht, können die Männer auch nach ihrer Genesung Asyl beantragen. Nur: Das will hier niemand.

Deutschland profitiert

Obwohl offiziell kein Unterschied gemacht wird zwischen Zivilisten und Soldaten, besteht das Kontingent der Ukrainer seit Februar 2022 fast ausschließlich aus Soldaten: Bis Herbst 2023 werden 832 Männer und Frauen zur Behandlung in ein deutsches Krankenhaus gebracht. Dazu kommen allerdings noch weniger schwer Verletzte, die auf eigene Faust zur Behandlung nach Deutschland reisen und bei Freunden oder Verwandten unterkommen.

Wie viele das genau sind, weiß niemand, Schätzungen gehen von bis zu 5.000 aus. Knapp 3.500 Menschen werden offiziell bisher von den Europäern ausgeflogen, Deutschland nimmt dabei den mit Abstand größten Anteil an Kriegsversehrten auf, Norwegen, Polen und Spanien folgen auf den weiteren Plätzen. Das deutsche Gesundheitssystem profitiert von den Patienten, so zynisch das klingen mag. Schließlich gibt es hierzulande auch in der Bundeswehr wenig Erfahrung mit der Versorgung von Kriegswunden.

Zurück in an die Front 

Dabei ist es höchste Zeit, das zu lernen: Schätzungen zufolge kommen in Kriegen auf jeden Toten etwa zehn zum Teil erheblich verletzte Menschen, vor allem durch Splitter, Explosionen und Verbrennungen. Und die Warnungen, dass Russland in den nächsten Jahren die NATO angreifen könnte, werden immer lauter. Solange die Russen in der Ukraine beschäftigt sind, wird das aber eher nicht passieren. Jeder versorgte ukrainische Soldat ist daher gut investiertes Geld, es ist Teil der Zeitenwende, Sicherheitspolitik. Moralisch richtig ist es sowieso.

Sascha verabschiedet sich von seinen Kameraden. Kinder umarmen ihn, Frauen singen ein Lied, Getränke werden ihm zu Ehren gereicht, alle klatschen. In wenigen Tagen wird er zurück an der Front sein. Er weiß schon, was er da machen wird, denn die Zeit in Norddeutschland hat er genutzt. Seine Reha war mehr Vorbereitung als Erholung. Er hat ein Praktikum gemacht. Er war beim Kampfmittelräumdienst.

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