„Das war außergewöhnlich!” So kamen die Invictus Games nach Düsseldorf
Die Vorfreude steigt, das Event rückt näher: Im September werden die Invictus Games in Düsseldorf zelebriert. Aber wie kamen die Spiele überhaupt nach Deutschland? Ein mutiges und kreatives Konzept bei der Bewerbung brachte die Entscheidung.
Stefan Huss beginnt. Der Soldat erzählt, wie die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) seine Persönlichkeit verändert hat, welche Schwierigkeiten er in der Familie gehabt hat und dass der Weg der Rehabilitation sehr lang war. Er erzählt auch, wie die Invictus Games ihm dabei geholfen haben – Huss war 2017 Teil des deutschen Teams in Toronto und 2018 in Sydney Teamkapitän – und wie sehr er sich darüber freuen würde, wenn die Spiele nach Deutschland kommen würden.
Es ist der 17. September 2019 in London. Deutschland bewirbt sich bei der Invictus Games Foundation für die Spiele, und während Huss redet, macht Christian Prestele eine Beobachtung. „Wir haben gemerkt, dass die Vertreter der Foundation mit ihrer Fassung ringen und fast schon geweint haben, als der heutige Stabsfeldwebel Huss wirklich sehr einfühlsam und mit sehr viel Herzenswärme von seinem Schicksal erzählt hat“, erinnert sich der Oberst rückblickend im Gespräch mit „Die Bundeswehr“. Prestele ist der Direktor Protokoll im Projektteam der Invictus Games 2023 Düsseldorf und damals bei der Bewerbung in London dabei gewesen.
Liveprotokoll während der Bewerbung gezeichnet
Die Bewerbung dauert insgesamt 45 Minuten, die deutsche Delegation hat die Zeit auf verschiedene Personen verteilt. So schwärmt zum Beispiel der damalige Oberbürgermeister Thomas Geisel von den Sportanlagen in Düsseldorf. Während gesprochen wird, zeichnet Illustrator Tom Fiedler fleißig mit und erstellt eine Livezeichnung auf einer etwa drei Meter breiten Leinwand. „Vor einer Livezeichnung bin ich immer etwas nervös, aber wenn es los geht, bin ich komplett im Flow. So war das auch in London“, erzählt Illustrator Tom Fiedler. Am Ende werden es sechs Kreise sein mit Werten, die symbolisch für die Invictus Games in Düsseldorf stehen: Anerkennung, Leidenschaft, Rehabilitation, einzigartiges Event, Verantwortung und Vermächtnis, Ausführung.

Wer genau hinsieht, erkennt: Der Kreis „Rehabilitation“ ist größer als die restlichen. „Das haben wir Tom Fiedler extra so zeichnen lassen“, erklärt Prestele. „Die Invictus Games können – auch wenn das jetzt stark verkürzt ist – für die Bundeswehrsoldaten ein Baustein bei der persönlichen Rehabilitation sein.“ Dieser Kreis sei der wichtigste, denn er zeige auch, dass es bei den Invictus Games zwei Gruppen von VIPs gebe. „Das sind nicht die Staatschefs, nicht die Regierungschefs, nicht die Königshäuser, die uns besuchen, sondern die Wettkämpfer und ihre Angehörigen, die Family und Friends.“
„Wir machen das völlig anders!“
Das Team hatte sich vor dem Auftritt in London genau überlegt, was es der Invictus Games Foundation präsentieren will. „Die Engländer haben wahrscheinlich von uns erwartet, dass wir Deutschen uns sehr bürokratisch bewerben. Wir marschieren rein, gehen ans Rednerpult, sprechen 45 Minuten und haben 100 Powerpoint-Folien dabei. Danach setzen wir uns hin und sagen: Auftrag ausgeführt!”, sagt Prestele und lacht. „Und darum haben wir gesagt: Wir machen das völlig anders!“
Prestele und Alfred Marstaller – der Brigadegeneral ist Projektleiter der Invictus Games 2023 in Düsseldorf – erinnern sich an 2018. Damals waren die beiden auf einem Event, bei dem es um die Ausbildung der Bundeswehr ging. Und auch Tom Fiedler war dort. Er zeichnete damals ein grafisches Protokoll. „Wir waren von ihm und seiner Art und Weise, wie er das gemacht hat, total begeistert“, sagt Prestele. Fiedler erinnert sich noch an Presteles Anruf. „Ich hatte zuvor noch nie etwas gehört von den Invictus Games und ihrer Community gehört. Die ganzen Themen und Schicksale, die dahinterstecken, waren bis dahin für mich weit weg“, erzählt er. „Livezeichnen gehört für mich zum Alltagsgeschäft. Aber als mir klar wurde, ich soll das für die Bewerbung der Invictus Games in Düsseldorf machen, hatte ich schon etwas Bauchschmerzen. Das ist ja ein wichtiges und großes Projekt, da muss alles auf den Punkt funktionieren. Ich habe mir damals eine Nacht Bedenkzeit erbeten. Und meine Frau sagte dann: Du machst das!“

Dann geht es an das Konzept der Bewerbung. Berater werden hinzugezogen, Ideen gesammelt für das Live-Protokoll und Diskussionen geführt. „Wir haben von vornherein gesagt: Wir brauchen ein Narrativ, einen roten Faden, in dem die Spiele in Düsseldorf gut erklärt sind. Und wir brauchen Überschriften, die diese Erklärung untermauern“, so Prestele. „In letzter Instanz waren Alfred und ich die verantwortlichen Sekretäre.“
Fiedler zeichnet den Entwurf zehnmal zuhause
Damit bei der Bewerbung alles klappt, wird vorher geübt. Fiedler zeichnet den Entwurf zehn Mal zuhause auf eine Leinwand, am Vorabend der Bewerbung in London gibt es eine Generalprobe. „Wie bei einer Theateraufführung mit Stoppuhr“, erinnert sich Prestele. „Der Alfred und ich haben dann bei den Redeteilen das ein oder andere gestrichen. Staatssekretär Dr. Peter Tauber, der ebenfalls bei der Bewerbung dabei war, haben wir zum Beispiel gesagt: Mein lieber Herr Staatssekretär, ein bisschen langsamer sprechen, sonst versteht Sie keiner. Er hatte sich das auch sagen lassen.“ Vorgetragen wurde auf Englisch.
Bis die Entscheidung der Invictus Games Foundation kommt, dauert es aber etwas. Als das Projektteam erfährt, dass Düsseldorf den Zuschlag bekommt, dürfen sie es zunächst noch niemandem verraten. Im Januar 2020 ist es dann soweit: In London wird offiziell verkündet, dass die Invictus Games nach Düsseldorf kommen. Die damalige Verteidigungsministerin, Annegret Kramp-Karrenbauer, ist vor Ort, genau wie Prinz Harry, Schirmherr der Invictus Games Foundation.
Oberst Prestele sagt im Nachhinein über die erfolgreiche Bewerbung: „Wenn ich Autor wäre und ich müsste ein Drehbuch für einen Film über eine erfolgreiche Bewerbung schreiben: Ich würde es genau so schreiben. Das war außergewöhnlich.“
Der Deutsche BundeswehrVerband ist stolzer Partner und Unterstützer der Invictus Games, die vom 9. bis 16. September in Düsseldorf stattfinden. Der Eintritt zu den Wettkämpfen ist kostenlos, lediglich für die Eröffnungs- und Abschlussfeier fallen Kosten an. Wie Sie an Tickets kommen, was Sie kosten, welche Länder mitmachen und welche Sportarten es bei den Invictus Games geben wird, haben wir für Sie in unserem Frage-Antwort-Stück zusammengefasst.