Bundestag stimmt für Milliarden-Finanzpaket
Grünes Licht für milliardenschwere Investitionen in Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz: Der Bundestag hat für die von Union und SPD eingebrachte und von den Grünen unterstützte Änderung des Grundgesetzes gestimmt. Nun muss am Freitag auch der Bundesrat zustimmen.
Berlin. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit war für die Änderung des Grundgesetzes zur Lockerung der Schuldenregeln notwendig – und diese Mehrheit wurde erreicht: 720 Abgeordnete gaben ihre Stimme ab, 513 von ihnen stimmten für die Verfassungsänderung, 207 dagegen. Die Änderung des Grundgesetzes ist die Basis für ein Multimilliarden-Finanzpaket für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz. So sollen Verteidigungsausgaben nur noch bis zu einer Grenze von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts unter die Schuldenbremse fallen. Darüberhinausgehende, für die Herstellung der Einsatzbereitschaft erforderliche ausgaben können mit Krediten finanziert werden. Auch der Zivilschutz, die Nachrichtendienste und die Cybersicherheit sollen so gestärkt werden.
Zudem wird ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro geschaffen, mit dem der Investitionsstau im Bereich Infrastruktur behoben werden soll. 100 Milliarden Euro sind dabei für den Klimaschutz und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft vorgesehen – diesen Punkt hatten Bündnis 90/Die Grünen in den vergangenen Tagen in zähen Verhandlungen der Union und der SPD abgerungen. Ohne die Stimmen der Grünen wäre die für das Vorhaben erforderliche Mehrheit wohl nicht zustande gekommen. Für die Abstimmung war extra nochmal der alte Bundestag einberufen worden, weil die Mehrheitsverhältnisse im nächsten Bundestag ein Ja schwierig gemacht hätten.
„Historische Entscheidung“
Bevor es zur Abstimmung kam, hatten die Abgeordneten – für eine ganze Reihe war es der letzte Auftritt im Bundestag – nochmal erbittert über das Mega-Vorhaben gestritten. „Wir stehen kurz vor einer historischen Entscheidung“, sagte Lars Klingbeil zur Eröffnung der Debatte. Der SPD-Vorsitzende sprach von einem positiven Aufbruch für Deutschland und in Europa – „es ist höchste Zeit, dass dieser Aufbruch gelingt“, sagte Klingbeil und wies auf den Investitionsstau hin, der „im ganzen Land zu sehen und zu greifen“ sei. Deutschland müsse jetzt seine „Hausaufgaben in Europa machen“ und damit auch alles tun, „um den Frieden in Europa aufrecht zu erhalten“.
Für die Union ging zunächst CDU-Chef Friedrich Merz ans Rednerpult. „Von unserer Entscheidung hängt heute nicht nur die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes in den nächsten Jahren und vielleicht Jahrzehnten ab. Unsere Verbündeten in der NATO und der Europäischen Union schauen heute ebenso auf uns wie unsere Gegner und die Feinde unserer demokratischen und regelbasierten Ordnung.“ Merz wies auf die aus seiner Sicht erforderliche Modernisierung des Landes hin und betonte, dass man diese Investitionen der jüngeren Generation schuldig war. Vor dem Hintergrund der Herausforderungen in der Außen- und Sicherheitspolitik, die sich in den vergangenen Wochen noch einmal drastisch verschärft hätten, könnten die Grundgesetzänderungen „mit gutem Gewissen“ beschlossen werden, sagte Merz. „Sie eröffnen eine Perspektive für unser Land, die in der Zeit, in der wir heute leben, dringend geboten ist“, sagte der CDU-Vorsitzende, der möglicherweise als nächster Bundeskanzler eine Koalition von Union und SPD führen will.
Trotz der Zustimmung der Grünen gab es aus deren Reihen auch Kritik an Merz. Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte, dass Friedrich Merz vor der Bundestagswahl jede Idee zur Reform der Schuldenbremse oder zu einer Erweiterung von Sondervermögen kategorisch abgelehnt habe. Haßelmann hielt Merz vor, die Grünen regelrecht „diffamiert“ zu haben. Durch all das aber würden die nun geplanten, dringend notwendigen Vorhaben nicht falsch. „Wir stehen hier in der Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen“, betonte die Grünen-Politikerin.
Pistorius: Sicherheit nicht durch haushaltspolitische Zwänge gefährden"
Noch-Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) betonte, dass die Sicherheit nicht durch haushaltspolitische Zwänge gefährdet werden dürfe. „Wer heute zaudert, wer sich heute nicht traut, wer meint, wir könnten uns diese Debatte noch über Monate leisten, der verleugnet die Realität“, so Pistorius. Der Kompromiss von Union und SPD mit den Grünen habe eine Tragweite, die weit über die bisherige, von Kanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufene Zeitenwende hinausgehe. Es gehe darum, die Verteidigungsfähigkeit des Landes zu stärken, ohne den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden.
Scharfer Widerstand kam von FDP und AfD. FDP-Fraktionschef Christian Dürr, dessen Partei dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören wird, warf der Union vor, sich gegen den wirtschaftlichen Erfolg des Landes zu entscheiden. „Viel Geld, keine Reformen. Das wird Ihre Kanzlerschaft kennzeichnen“, sagte Dürr an Merz gewandt. Dieser verkaufe die Änderung des Grundgesetzes als notwendige Anpassung an neue Herausforderungen. „Tatsächlich ist es der Startschuss für hemmungslose Schuldenmacherei.“ Die Schuldenbremse sei kein Hindernis für Fortschritt, sondern Versicherung für die kommende Generation gewesen.
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla warf Merz vor, nicht nur kein Rückgrat zu haben, sondern inzwischen „komplett wirbellos“ zu sein. „Hier soll planlos die Staatsverschuldung in den Himmel getrieben werden“, bemängelte er und forderte einen „wirklichen, ehrlichen Kassensturz“.
BSW verabschiedet sich mit Eklat aus dem Bundestag
Sarah Wagenknecht sprach von „Kriegskrediten mit Klimasiegel“. Später hielten die Abgeordneten der Gruppe BSW Transparente mit der Aufschrift „1914 wie 2025: NEIN zu Kriegskrediten!“ in die Höhe. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) erteilte den insgesamt acht Abgeordneten Ordnungsrufe für die unzulässige Aktion.
Wie geht es weiter? Noch steht die Zustimmung des Bundesrats aus – der wird sich noch in dieser Woche, am Freitag, 21. März, mit dem Vorhaben befassen. Auch dort ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig.