In einer groß angelegten Übung haben KSK-Soldaten verschiedene Szenarien einer Geiselbefreiung trainiert. Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jens Büttner

In einer groß angelegten Übung haben KSK-Soldaten verschiedene Szenarien einer Geiselbefreiung trainiert. Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jens Büttner

05.07.2021
Von Carsten Hoffmann, dpa

„Black-Star“ im Norden: KSK-Soldaten üben komplexe Geiselbefreiung

Mehr als 400 Teilnehmer und 2,5 Tonnen Munition: Das Kommando Spezialkräfte übt mit Sicherheitsbehörden die Befreiung eines verschleppten Deutschen in einem fiktiven Land – und gibt Einblicke.

Trollenhagen. Maskierte Elitesoldaten, Drohnenbilder und Geheimdiensterkenntnisse: Mit einer groß angelegten Übung hat das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr in Norddeutschland Einsätze zur Befreiung deutscher Geiseln im Ausland trainiert. „Wir sind nach wie vor einsatzbereit und immer gewesen. Das zeigt auch schon der Einsatz beim Abzug in Afghanistan“, sagte der Chef des Stabes, ein Oberstleutnant, am Sonntag auf dem Fliegerhorst Trollenhagen in Mecklenburg-Vorpommern. Das KSK nennt aus Sicherheitsgründen keine Namen seiner Soldaten.

An der laufenden Spezialkräfteübung „Black Star“ sind mehr als 400 Soldaten und Vertreter anderer Sicherheitsbehörden beteiligt. Darunter sind auch Verhandlungsexperten des Bundeskriminalamtes (BKA) und Experten des Bundesnachrichtendienstes. Das KSK öffnete sich bei einer solchen Übung erstmals der Öffentlichkeit.

Das Szenario: In dem fiktiven Land „Zubalia“ ist ein deutscher Staatsbürger verschleppt worden und soll befreit werden. Auf dem Fliegerhorst Trollenhagen wird eine Operationszentrale als Führungsstelle aufgebaut. Luftaufnahmen laufen auf Leinwänden und Computern, eine digitale Lagekarte wird mit Informationen bestückt. Insgesamt wurden fünf Kilometer Kabel verlegt. Alle paar Stunden und rund um die Uhr laufen Besprechungen.

In einem Hangar halten sich Spezialkräfte bereit. Sie haben einen großen Sandkasten aufgebaut, um mögliche Abläufe von Einsätzen im Modell durchzuspielen. Waffen und Einsatzmaterial liegt säuberlich aufgereiht bereit. Teilweise haben die Männer und Frauen seit Tagen kaum geschlafen, wie ein Feldwebel sagt.

Der Kommandeur der Kommandokräfte, des Kerns des KSK, sagt: „Wir sehen uns wie die Nationalmannschaft. Die Besten auf dem Platz. Aber es funktioniert nur im Team und mit Unterstützung.“ Tatsächlich sind um die Kommandosoldaten zahlreiche Unterstützungskräfte gruppiert, Männer und Frauen mit besonderen Fähigkeiten. Es sind die Besatzungen der Hubschrauber, Logistiker, Militärärzte, die mit in den Einsatz gehen bis hin zu einer Wetterexpertin.

Die Teilnehmer der Übung spielen über vier Wochen drei Handlungsoptionen durch, die von einer Befreiung auf dem Verhandlungsweg bis zum Einsatz militärischer Gewalt reichen. Die Übung basiert nach KSK-Angaben auf realen Taktiken von Entführergruppen.

Am Sonntag lief das letzte der drei Szenarien. Es läuft auf einen KSK-Einsatz zur gewaltsamen Befreiung hinaus. Für die Übung wurden 200 Tonnen Material, 22 Zelte und 2,5 Tonnen Munition nach Mecklenburg-Vorpommern gebracht. Die Übung dient auch dazu, die 1. Kommandokompanie der KSK für die Einsatzbereitschaft zu zertifizieren. Es ist eine Art Tüv für Spezialkräfte.

Die Fähigkeit zur Geiselbefreiung gehört zur nationalen Krisen- und Risikovorsorge Deutschlands und ist eine der Aufgaben des KSK. Der Verband wurde 1996 aufgestellt und hatte 1998 erste Einsätze im ehemaligen Jugoslawien. Zuletzt waren KSK-Soldaten bei der Absicherung des Abzugs aus Afghanistan im Einsatz. Das KSK war aber auch von mehreren Skandalen und rechtsextremistischen Vorfällen erschüttert worden und hat nun einen Reformprozess hinter sich.

„Wir haben Fehler erkannt und abgestellt. Jetzt wollen und müssen wir den Blick nach vorn richten. Wir haben Aufträge, die wir zu erfüllen haben“, sagte der Chef des Stabes. „Diese Übung ist auch Startpunkt für eine Normalität nach diesem anstrengenden Jahr. Die ungewisse Zukunft ist einigen auch auf die Motivation geschlagen. Nun ist die Zukunft mit der Entscheidung unserer Ministerin geklärt.“

Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte entschieden, dass die Einheit nicht aufgelöst werden soll. Im September wird Brigadegeneral Ansgar Meyer, letzter deutscher Kommandeur in Afghanistan, die Führung des KSK übernehmen. «Dem neuen Kommandeur des KSK übergeben wir im September einen gut aufgestellten Verband. Die Übernahme vorzubereiten, ist nach dieser Übung für uns ein Schwerpunkt», sagte der Chef des Stabes.

Ein graues Transportflugzeug vom Typ A400M braust am Sonntag im Tiefflug über das Einsatzgelände. Die Soldaten führen Scharfschützengewehre, medizinisches Hightech-Gerät und einen als Spürnase und Schutzhund ausgebildeten Vierbeiner vor. Etwa eine Stunde waren 22 Soldaten in bunten Fallschirmen abgesprungen, wie sie nur für Übungen benutzt werden. Bei einem echten Einsatz springen die KSK-Soldaten mit grauen Fallschirmen und im Schutze der Nacht ab und nähern sich praktisch lautlos dem Zielgebiet.

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