Dieses Ehrenamt macht ihm alle Ehre: Klaus Scharf, Vorsitzender des Fachbereichs Zivile Beschäftigte, vor einem ASB-Wünschewagen. Foto: DBwV

Dieses Ehrenamt macht ihm alle Ehre: Klaus Scharf, Vorsitzender des Fachbereichs Zivile Beschäftigte, vor einem ASB-Wünschewagen. Foto: DBwV

17.01.2025
Judka Strittmatter

ASB Wünschewagen: „Die dankbaren Blicke am Ende der Fahrt gehen tief rein"

Sich mit dem Elend von Sterbenden zu umgeben in seiner Freizeit – wer sucht sich so etwas aus? Klaus Scharf, Vorsitzender des Fachbereichs Zivile Beschäftigte, tut es im Ehrenamt. Er fährt einen der Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB), der todgeweihten Kranken letzte Sehnsüchte erfüllt: Noch einmal ans Meer, in die Berge, ein letzter Besuch im Fußballstadion. Für ihn eine ausschließlich bereichernde Erfahrung.

Alles fing mit dieser Frage an: „Kann man da mitmachen?“ wollte er von seiner Partnerin, einer Krankenschwester, wissen, als diese ihm vom ASB-Wünschewagen erzählte. Das war vor beinahe drei Jahren. Sie selbst war schon medizinische Fachkraft im Betreuungsteam rund um Erftstadt in Nordrhein-Westfalen und erzählte ihm vom Glück, das sie jedes Mal nach so einer Fahrt empfand. Glück darüber, sterbenden Menschen einen letzten schönen Moment verschafft zu haben. Mitglied im ASB war Klaus Scharf seinerzeit schon und es reizte ihn, dabei zu sein, wenn Gutes getan werden konnte. Denn nichts anderes ist das Ansinnen des ASB-Projektes, das 2024 bereits sein zehnjähriges Jubiläum feierte.

Der Kranke ist „Fahrgast”

Vorbild war das niederländische Projekt „Stichting Ambulance Wens“, mit dem man bis heute eng in Verbindung steht. Mehr als 2800 Wunschfahrten hat es in dieser Dekade deutschlandweit gegeben, von 23 Standorten aus, gestemmt von rund 2000 Ehrenamtlichen. 500?000 gefahrene Kilometer kamen so zusammen, das sind etwa 13 Erdumrundungen. Das Projekt finanziert sich ausschließlich über Spenden, die medizinischen Fachkräfte, welche die Fahrt begleiten, durchlaufen eine extra Schulung, bei denen sie viel zum Umgang mit Tod und Sterben in der eigenen und in fremden Kulturen erfahren. Nicht nur, wie man ein Sauerstoffgerät richtig einsetzt. Bei der praktischen Fahrt dann dreht sich einen Tag lang alles um den Schwerstkranken, dem ein letzter Wunsch erfüllt werden soll, den er sich selbst oder seine Angehörigen ihm nicht erfüllen können. Der nahestehende Tod bleibt draußen an diesem Tag. Der Kranke ist „Fahrgast“ und nicht „Patient“, der Transporter verheißt Leben statt Abschied. Die Transporter sehen deshalb von innen auch nicht aus wie ein Krankenwagen, sondern haben Panoramafenster, eine Musikanlage, besondere Stoßdämpfer, und am Wagenhimmel prangen Sterne, die beleuchtbar sind.

„Man muss wissen, dass manche Menschen schon in einem sehr fragilen Zustand sind, wenn wir sie fahren“, sagt Klaus Scharf, „viele sind nicht mehr mobil oder müssen auch am Beatmungsgerät transportiert werden“.

Ja, so geht das Menschsein

Die letzten Wünsche sind so verschieden wie die Kranken selbst: Da will jemand noch unbedingt zur Hochzeit der Enkelin oder zur Beerdigung der Schwester, noch ein letztes Mal in den Zoo oder noch einmal mit den Füßen ins Meer. Gleich die erste Fahrt war sehr emotional für Klaus Scharf. Eine krebskranke Frau im Endstadium, die ein paar Wochen später verstarb, wünschte sich eine Fahrt an die niederländische Nordseeküste nach Zandvoort, mit dabei ein paar Familienmitglieder und Freunde. Und obwohl normalerweise der ASB für alle Kosten – ob Kaffeetrinken oder Konzertkarten – aufkommt, bestanden hier die Angehörigen darauf, das ASB-Team einzuladen.

„Die Rührung auf beiden Seiten ist jedes Mal enorm“, sagt Klaus Scharf. „Und die dankbaren Blicke am Ende einer solchen Fahrt gehen tief rein“, beschreibt er die Bewegtheit, die ihn und die anderen nach jeder Fahrt erfasst. „Dort spürt man, dass es einen selbst mit Zufriedenheit erfüllt, wenn man andere glücklich machen kann.“ Eine Erfahrung, die die Wissenschaft sofort bestätigen würde: Ja, so geht das Menschsein! Ist der Fahrgast noch ein Kind oder noch sehr junger Mensch, potenzieren sich all diese Gefühle noch einmal extra. Ein Teenager-Junge wollte auch noch einmal an die See und wurde 14 Tage später wieder abgeholt. Er blieb zwei Wochen vor Ort in einem Pflegeheim.

Anfragen kommen genug

„Im Prinzip versucht der ASB, jeden Wunsch zu erfüllen, Reisen ins fernere Ausland übersteigen aber natürlich das Budget“, sagt Klaus Scharf. Aber dafür geht es beispielsweise zum Bruce-Springsteen-Konzert oder zum Reinhard-Mey-Konzert. Ob Tagesausflug oder länger: Die meisten der Fahrgäste sind auf der Rückfahrt nicht nur glücklich, sondern auch erschöpft. Manche, von denen die Helfer zum Start der Tour denken, sie schaffen es nicht, blühen nochmal richtig auf, andere sind still, aber ihre Gesichter sprechen Bände: die pure Seligkeit. Einer Kollegin von Klaus Scharf ist es schon passiert, dass jemand auf dem Heimweg gestorben ist. Das ist zwar ein schönes Ende für ihn selbst, weil er einen besonderen Abschiedstag hatte, aber den ASBlern beschert das bürokratische Hürden: Sie müssen sofort anhalten und den Bestatter benachrichtigen, der ab da übernimmt. Die Bürokratie will es so.

Seit 2022 ist Klaus Scharf, der selbst zwischen Euskirchen und Düren zuhause ist, schon ein paar Ausflüge gefahren und würde sich gern noch öfter ans Lenkrad setzen, denn Anfragen kommen genug ins Haus. Aber da ist auch noch sein Mandat beim DBwV, das ihn zeitlich einspannt. Auf alle Fälle will er weitermachen, solange es geht „und der Rücken mitmacht“, denn das Anpacken, wenn die Fahrgäste in ihrem Haus herunter- und wieder heraufgetragen werden müssen, gehört zu seinem Ehrenamt dazu. Und wenn es gilt, Werbung für den Wünschewagen zu machen und Spenden einzusammeln beim heimischen Stadtfest oder Weihnachtsmarkt, ist er auch mit im Einsatz.

Der eigenen Endlichkeit ins Auge geblickt

Der ASB wiederum belohnt seine freiwilligen Helfer gebührlich, indem er ihnen zum Beispiel eine Weihnachtsfeier spendiert oder Konzertkarten für Bülent Ceylan: Der Comedian kann nicht nur Witze reißen, er kann auch Heavy Metal und Headbanging. Und das kommt manchmal ganz gut als Ausgleich, wenn man in seiner Freizeit der eigenen und der Endlichkeit der anderen ins Auge blickt.

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