65 Jahre Bundeswehr: Den Geist von Himmerod weitertragen
In wenigen Tagen feiert die Bundeswehr ihren 65. Geburstag. In einem Gastbeitrag für unser Verbandsmagazin „Die Bundeswehr" beschreibt die Wehrbeauftragte Eva Högl, wie wichtig die Idee der Inneren Führung bis heute für die Bundeswehr und ihr Selbstverständnis ist.
Unter strenger Geheimhaltung kamen am 5. Oktober 1950 ehemalige Offiziere im Kloster Himmerod zusammen. Es war ein hochbrisantes Unterfangen. Hinter den Gemäuern der Zisterzienserabtei in der Eifel sollte der Grundstein für die Wiederbewaffnung Deutschlands gelegt werden. Gerade einmal fünf Jahre nachdem deutsche Soldaten Krieg und Terror über Europa und die Welt brachten.
Das 15-köpfige Expertengremium entwickelte detaillierte Konzepte zu Aufbau, Ausstattung und Ausbildung westdeutscher Streitkräfte. Zwar sollten noch weitere fünf Jahre vergehen, ehe im Jahr 1955 tatsächlich die ersten 101 Soldaten in den Dienst gestellt wurden. Doch die „Himmeroder Denkschrift“ diente als Blaupause für die Aufstellung der Bundeswehr.
Getragen war die Denkschrift vom Anspruch, „ohne Anlehnung an die Formen der alten Wehrmacht heute grundlegend Neues zu schaffen“. Grundlegend neu sollte vor allem der Soldat der künftigen deutschen Streitkräfte sein. Statt bedingungslos zu gehorchen, sollte er kritisch denken, hinterfragen und handeln. Denn nie wieder sollten deutsche Soldaten blinde und stumme Handlanger menschenverachtender Ideologien sein, sondern selbstbestimmte Akteure, die „aus innerer Überzeugung die demokratische Staats- und Lebensform […] bejahen“.
Geboren war damit das Leitbild des Soldaten als „Staatsbürger in Uniform“. Umrissen war damit das Konzept der Inneren Führung, das Wolff Graf von Baudissin und Johann Adolf Graf von Kielmansegg – beide auch Teilnehmer in Himmerod – in den Folgejahren weiterentwickelten.
Himmerod war jedoch nicht nur Grundstein für das Konzept der Inneren Führung. Es war auch die Geburtsstunde der Bundeswehr als Parlamentsarmee. Nie wieder sollten deutsche Streitkräfte zu einem „Staat im Staate“ werden, sondern eine Armee „überzeugter Staatsbürger“, die fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht – demokratisch legitimiert und kontrolliert. Das war für die Teilnehmer von Himmerod Grundvoraussetzung für die Wiederbewaffnung Deutschlands.
Ein zentrales Element dieser parlamentarischen Kontrolle ist das Amt der Wehrbeauftragten. 1956 – sechs Jahre nach Himmerod – hat sich der Bundestag dieses Amt selbst geschaffen. Als „Hilfsorgan“ bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle und zum Schutz der Grundrechte der Soldaten und der Grundsätze der Inneren Führung.
Das Amt der Wehrbeauftragten folgt aus den Überlegungen und dem Geist von Himmerod. Es ist mir eine Ehre, dieses Amt in dieser Traditionslinie auszuüben.
Kein Platz für Rechtsextreme
Auch heute gilt es, an die „Himmeroder Denkschrift“ von 1950 zu erinnern. Denn die Grundgedanken von damals haben an Aktualität nichts eingebüßt. Im Gegenteil.
Mit großer Sorge ist zu beobachten, wie in allen gesellschaftlichen Bereichen extremistische Kräfte unsere freiheitliche und pluralistische Gesellschaft – mit Demokratie, Rechtsstaat und der Achtung der Menschenwürde – bedrohen und gefährden. Auch die Bundeswehr als wichtiger Teil unserer Gesellschaft ist nicht frei davon. Deswegen ist es umso wichtiger, immer wieder deutlich zu machen, dass Rechtsextremismus in der Truppe keinen Platz hat.
Die absolute Mehrheit unserer Soldatinnen und Soldaten steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden des Grundgesetzes. Sie verrichten jeden Tag verantwortungsvoll den Dienst für Frieden, Freiheit und Demokratie. Wo rechtsextreme Ansichten geäußert werden, müssen Soldatinnen und Soldaten sofort Widerspruch von Kameraden und Vorgesetzten erfahren. Die Bundeswehr muss der Ort sein, wo Demokratie und Rechtsstaat gelebt werden. Dafür braucht es Soldaten, die charakterlich robust sind mit einer „inneren Festigkeit gegen eine Zersetzung durch undemokratische Tendenzen“. So steht es in der „Himmeroder Denkschrift“ von 1950. Diesen Geist von Himmerod muss jeder einzelne Soldat und jede Soldatin auch heute weiter fest in sich tragen.