In der Regierungserklärung brachte Bundeskanzler Olaf Scholz das entschlossene Handeln Deutschlands gegenüber der russischen Aggression in der Ukraine zum Ausdruck. Und es soll nicht nur bei Worten bleiben: Für die Bundeswehr wird ein Sondervermögen bereigestellt, eine schnelle Aufrüstung soll vorangetrieben werden. Foto: picture alliance / photothek / Janine Schmitz

In der Regierungserklärung brachte Bundeskanzler Olaf Scholz das entschlossene Handeln Deutschlands gegenüber der russischen Aggression in der Ukraine zum Ausdruck. Und es soll nicht nur bei Worten bleiben: Für die Bundeswehr wird ein Sondervermögen bereigestellt, eine schnelle Aufrüstung soll vorangetrieben werden. Foto: picture alliance / photothek / Janine Schmitz

27.02.2022
Von Frank Jungbluth und Jan Meyer

100-Milliarden-Sofortprogramm für die Bundeswehr – Kanzler Scholz kündigt Aufrüstung und höheren Etat an

Sondersitzung des Bundestages zum Krieg in der Ukraine – CDU-Vorsitzender Merz kündigt Zusammenarbeit mit der Bundesregierung an – Lindner: Wir brauchen einen langen Atem, das ist der Preis der Freiheit

Berlin. Ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die schnelle Aufrüstung der Bundeswehr, eine Steigerung des Verteidigungshaushaltes auf mehr als zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in Deutschland und schnelle Hilfe für die NATO-Verbündeten an der Ostflanke der NATO. Panzerabwehr- und Luftabwehrwaffen, Kriegsschiffe in der Ostsee, mehr Truppen für die Partner im Baltikum: Die Bundesregierung handelt entschlossen gegen den russischen Kriegsherren Waldimir Putin. „Wir müssen die Ukraine in dieser verzweifelten Lage unterstützen. Die Menschen in der Ukraine verteidigen nicht nur ihre Heimat, sie kämpfen auch für Freiheit und Demokratie, Werte, die sich mit uns teilen. Wir haben am Samstag entschieden, dass Deutschland Waffen für die Verteidigung liefert. Auf Putins Aggression konnte es keine andere Antwort geben“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Sondersitzung des Bundestages am Sonntag.

Während dieser Sondersitzung haben die demokratischen Parteien im Bundestag in einem seltenen Schulterschluss einen gemeinsamen Weg zur Sicherung des Friedens in Europa beschworen: „Wir müssen die Ukraine in dieser verzweifelten Lage unterstützen. Die Menschen in der Ukraine verteidigen nicht nur ihre Heimat, sie kämpfen auch für Freiheit und Demokratie, Werte, die sich mit uns teilen.“

Der Regierungschef machte deutlich: „Die Bundeswehr hat ihre Unterstützung für die östlichen Bündnispartner bereits ausgeweitet und wird das weiter tun. Wir beteiligen uns am Aufbau einer neuen NATO-Einheit in der Slowakei. Unsere Soldatinnen und Soldaten haben in den vergangenen Tagen sicher wenig Zeit gehabt, sich auf die Einsätze vorzubereiten. Ich sage im Namen aller Danke für ihren wichtigen Dienst gerade in diesen Tagen.“

Der Bundeskanzler und die Bundesregierung reagiert damit auch auf Forderungen aus dem Kabinett nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine am Donnerstag. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte einen höheren Verteidigungshaushalt und damit eine Stärkung der Bundeswehr öffentlich am Donnerstagabend gefordert. Der FDP-Politiker hatte kurz zuvor den DBwV-Bundesvorsitzenden Oberst Wüstner zu Gesprächen getroffen. Wüstner hat bereits vier Wochen vor dem Krieg in der Ukraine ein Sondervermögen für die Bundeswehr und einen deutlich höheren Verteidigungshaushalt angemahnt. „Die Bundeswehr wurde vernachlässigt. Diese Vernachlässigung muss enden“, sagte FDP-Chef Christian Lindner während der Sondersitzung des Bundestages am Sonntag. Das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr soll im Grundgesetz verankert werden.

Zur Sondersitzung des Bundestages sagt Oberst André Wüstner: „Heute erlebten wir die Stärke unserer parlamentarischen Demokratie, wenn sich Regierung und die parlamentarischen Fraktionen der Mitte gemeinsam aufmachen, um unsere gesamtstaatliche Sicherheitsvorsorge und damit auch die Bundeswehr nachhaltig zu stärken. Dafür sollte nicht nur unsere Bundeswehr, sondern unser ganzes Land dankbar sein.“

„Bei aller Freude über die richtige Rede zur richtigen Zeit: Jetzt kommt es darauf an, die zusätzlichen Finanzmittel richtig auszugeben und unsere Fähigkeiten abgestimmt in EU und Nato zu Lande, zu Wasser, im Luft- und Cyberraum so zu stärken, dass unsere Sicherheitsarchitektur langfristig gestärkt und unser Frieden verteidigt werden kann“, macht Wüstner deutlich.

Der Bundesvorsitzende dankt den vielen Gesprächspartnern in den letzten Wochen, dem Kanzler, Ministern und Ministerinnen, den Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Koalition sowie der Union. „Trotz mancher Reibungspunkte und Unterschiede wurde eines deutlich: Wenn es ernst wird, wenn unser Frieden bedroht wird, dann hält man zusammen und gestaltet das, was andere für Unmöglich hielten. Das hat fast etwas Militärisches, denn auch die Soldatinnen und Soldaten sind seit Jahren herausgefordert, aus dem Unmöglichen das Mögliche zu machen. Es geht und ja, der Wille entscheidet. Heute haben wir einen politischen Willen im Bundestag erlebt, den man als historisch einordnen kann“, sagt Oberst André Wüstner.

Zum neuen Aufrüstungs- und Ausrüstungsprogramm erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz, dass sich Europa darüber im Klaren sein müsse, dass der russische Autokrat Waldimir Putin entschlossen sei, ein neues russisches Imperium zu schaffen, notfalls mit Gewalt. „Die Bundeswehr braucht neue, starke Fähigkeiten. Wer Putins historisierende Abhandlungen liest, wer seine Kriegserklärung im TV gesehen hat, wer stundenlang – wie ich – mit ihm gesprochen hat, der weiß, dass wir darauf entschlossen reagieren müssen. Der 24. Februar 2022 markiert eine Zeitenwende. Dieser Krieg ist menschenverachtend und völkerrechtswidrig. Der Schmerz der Ukrainerinnen und Ukrainer geht uns sehr nahe. Es ist unfassbar: Krieg in Europa.“

Die Bundesregierung will deshalb die Fähigkeiten der Bundeswehr stärken und neue für die Landes- und Bündnisverteidigung schaffen: „Wir müssen die Kraft aufbringen, Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen. Das setzt eigene Stärke voraus. Wir wollen und wir werden unsere Freiheit, unsere Demokratie und unseren Wohlstand sichern. Welche Fähigkeiten brauchen wir, um dieser Bedrohung zu begegnen? Klar ist, wir müssen deutlich mehr investieren in die Sicherung unseres Landes, um auf diese Weise unsere Demokratie zu schützen. Das ist eine nationale Kraftanstrengung. Wir brauchen eine hochmoderne leistungsfähige Bundeswehr. Darum geht es. Das ist erreichbar für ein Land unserer Größe und Bedeutung in Europa.“

„Ohne Wenn und Aber stehen wir zu unserer Beistandspflicht in der NATO. Präsident Putin sollte unsere Entschlossenheit nicht unterschätzen, wir werden gemeinsam jeden Quadratkilometer des Bündnisses verteidigen“, sagt der Bundeskanzler. Scholz nannte erste Beispiele für die Aufrüstung und Verbesserung der Ausrüstung. So soll der Eurofighter weiterentwickelt werden, die Verträge für Eurodrohne sind in dieser Woche unterschrieben worden, die Verträge für die bewaffnete Drohne Heron TP werden schnell geschlossen. Für die nukleare Teilhabe soll rechtzeitig ein Nachfolge-Trägerflugzeug für den Kampfjet Panavia Tornado beschafft werden, Scholz brachte als Ersatzbeschaffung das US-System Lockheed Martin F-35 ins Gespräch.

Merz signalisiert Unterstützung der Unionsfraktion

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sagte der Bundesregierung die Unterstützung der CDU/CSU-Fraktion zu. „Wir werden nicht im Kleinen herummäkeln“, sagte Merz. Wenn Scholz eine umfassende Ertüchtigung der Bundeswehr wolle, werde die Union auch gegen Widerstände den Weg mit dem Kanzler gehen, sagte Merz.

In dieser Woche stehe man vor „einem Scherbenhaufen der deutschen und europäischen Außen- und Sicherheitspolitik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte“. Man sei nicht mehr von Freunden umgeben, sondern sei mit einem aggressiven Nachbarn konfrontiert, sagte der 66-Jährige. Wichtig sei daher das unmissverständliche Signal des Heutigen Tages: „Genug ist genug, das Spiel ist aus“, sagte der Vorsitzende der Unionsfraktion in Richtung des russischen Machthabers Putin. Und: „Herr Putin, Sie waren von der NATO nie bedroht und das wissen Sie auch!“

„Brutal und rücksichtslos“ habe dessen autoritäres System einen Angriffskrieg mitten in Europa begonnen. Der einzig verantwortliche dafür sei Wladimir Putin. „Aus diesem ‚lupenreinen Demokraten‘, der er nie war, ist ein Kriegsverbrecher geworden.“

Mit Blick auf die Streitkräfte sagte Merz: „Wir alle sind in diesem Haus dafür verantwortlich, dass die Bundeswehr in dem Zustand ist, in dem sie heute ist.“ Deutschland müsse bereit sein, seine Interessen in der Welt zu formulieren und auch durchzusetzen. Dazu sei die deutsche Politik aber aufgrund des Zustands der Bundeswehr nicht in der Lage.

Großen Respekt zollte der CDU-Chef der Ukraine in ihrem Freiheitskampf: „Wir bewundern den Mut und auch den Willen dieses Volkes, für seine Freiheit zu kämpfen.“ Und weiter: „Zugleich sind wir beschämt, dass wir diesem Volk nicht schon früher haben helfen können.“ Merz drückte auch seine Bewunderung für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aus. Dass dieser von Putin als Nazi und drogenabhängig diffamiert werde, sei niederträchtig und menschenverachtend, sagte Merz.

 

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