21.05.2024
dpa

Pistorius vor Wochen der Wahrheit - Streit um Haushalt und Wehrpflicht

Verteidigungsminister Pistorius ist laut Umfragen der beliebteste Politiker Deutschlands. Er hat derzeit wichtige Baustellen. Die Union spottet bereits, er werde immer mehr zum Ankündigungsminister.

Berlin. Manche nennen den Verteidigungsminister bereits einen «Reservekanzler» - doch Boris Pistorius hat zuletzt auch Gegenwind zu spüren bekommen. Der SPD-Politiker steht vor Wochen der Wahrheit. In den Haushalts-Verhandlungen kämpft er für deutlich mehr Geld für die Bundeswehr, erwartet wird außerdem ein Vorschlag über ein neues Wehrpflicht-Modell.

Umfragekönig Pistorius

Pistorius liegt seit vielen Monaten unangefochten auf dem Spitzenplatz der ZDF-«Politbarometer»-Rangliste, weit vor Kanzler Olaf Scholz (SPD). Wären die Chancen mit Pistorius als Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl 2025 für die SPD besser? Das sieht zumindest Nordsachsens SPD-Fraktionschef Heiko Wittig so. Er sagte dem «Tagesspiegel»: «Sehr viele an der SPD-Basis sagen: Pistorius ist ganz klar unsere Nummer Eins.» Wenn Pistorius als Kanzlerkandidat gegen CDU-Chef Friedrich Merz antreten würde, wäre der 15-Prozentpunkte-Vorsprung der Union nach Meinung von Wittig ganz schnell geschmolzen. Wittig führt die SPD-Fraktion im Landkreis Nordsachsen - ist aber bisher eine nur wenig bekannte Einzelstimme für Pistorius als Kanzlerkandidat.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte dem Nachrichtenportal «T-Online», an Gerüchten, dass die SPD vor der nächsten Wahl Pistorius als Kanzlerkandidaten für Scholz einwechsle, sei nichts dran: «Ringtausch ist etwas für Panzer, nicht für Kanzlerkandidaten.» SPD-Chef Lars Klingbeil hatte der «Rheinischen Post» gesagt: «Olaf Scholz ist der Kanzler, und er bleibt es. Und er wird auch wieder unser Kandidat.»

Streit um Verteidigungsetat

Pistorius hat derzeit ohnehin andere, wichtige Baustellen. Es geht vor allem um den Bundeshaushalt 2025, die Verhandlungen innerhalb der Bundesregierung sind geprägt von Sparzwängen. Pistorius soll 6,7 Milliarden Euro mehr Geld gefordert haben - es ist offen, ob er die bekommt. In diesem Jahr liegt der Verteidigungshaushalt bei rund 52 Milliarden Euro. Auch zur mittelfristigen Finanzplanung dürfte es schwierige Verhandlungen geben, denn das 100-Milliarden-Sondervermögen zur Stärkung der Bundeswehr dürfte bald aufgebraucht sein. Dieses war nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine 2022 aufgelegt worden.

Lindner weist Pistorius-Forderung zurück

Die Forderung von Pistorius, die Ausgaben für Verteidigung und auch für Teile der Krisenvorsorge von der Schuldenbremse auszunehmen, hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) zurückgewiesen. «Wir können die Landes- und Bündnisverteidigung nicht auf Pump finanzieren», sagte er. Der Schuldenstand und die Zinslast würden steigen. Die FDP pocht darauf, dass die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse eingehalten wird. Lindner hatte bei der Vorlage der neuen Steuerschätzung am Donnerstag gesagt, auch eine zusätzliche Unterstützung der Ukraine könne ohne eine Ausnahme der Schuldenbremse geleistet werden.

Pistorius hat Mutmaßungen zu einer Amtsmüdigkeit als Reaktion auf die schwierigen Verhandlungen über mehr Geld für die Bundeswehr entschieden zurückgewiesen. «Um das klar sagen: Ich habe immer noch großen Bock auf diesen Job, und so schnell werden Sie mich nicht los», sagte der SPD-Politiker am Donnerstag. Er räumte aber ein, sich bei einer Sitzung mit Fachpolitikern im Bundestag geärgert zu haben. Dort soll er nach Medienberichten gesagt haben: «Ich muss das hier nicht machen.»

Union für starken Aufwuchs des Verteidigungsetats

Der Unions-Verteidigungsexperte Florian Hahn forderte deutlich mehr Geld für die Bundeswehr mit Blick auf deren wachsende Aufgaben und eine derzeitige Unterfinanzierung. «Ich erwarte, dass Bundesminister Pistorius, der die Dringlichkeit der Lage als einziger in dieser Regierung erkannt zu haben scheint, endlich die Mittel für die Bundeswehr bekommt, die sie dringender denn je braucht», sagte der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion der Deutschen Presse-Agentur. «Aber ich fürchte, er kann sich damit zum wiederholten Male nicht durchsetzen. So wird er immer mehr zum Ankündigungsminister, dessen Wort nichts zählt. Das ist schlecht für die Bundeswehr und unsere Sicherheit.»

Mehr Geld für Ukraine

Pistorius will auch die Militärhilfe für die Ukraine noch in diesem Jahr deutlich aufstocken, wie die «Bild am Sonntag» berichtete. Demnach hat das Ministerium einen Mehrbedarf von 3,8 Milliarden für die militärische Unterstützung der Ukraine angemeldet. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums wollte den Bericht am Sonntag auf dpa-Anfrage nicht bestätigen. Laut Bericht hat die Ampel bislang in diesem Jahr 7,1 Milliarden Euro für die Ukraine-Militärhilfe bereitgestellt. Allerdings sei die Summe fast vollständig verplant. Das Finanzministerium signalisierte generell Zustimmung zu Aufstockung der Hilfe, wurde der dpa in Regierungskreisen bestätigt.

Debatte über Wehrpflicht

Dann ist da noch die Wehrpflicht. 2011 wurde sie unter dem CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ausgesetzt. Die Bundeswehr soll bis 2031 von derzeit 182 000 auf 203 000 Soldaten aufgestockt werden. Pistorius prüft derzeit verschiedene Modelle, um den Personalmangel zu beheben. In wenigen Wochen will er dazu einen Vorschlag machen.

Wie dieser genau aussieht, ist offen - es dürfte aber eine lebhafte Debatte geben. SPD-Chef Klingbeil sprach sich dafür aus, bei der Rekrutierung von Bundeswehrsoldaten weiterhin auf Freiwilligkeit statt auf einen Pflichtdienst zu setzen. «Ich finde, wir sollten es freiwillig probieren, indem wir die Bundeswehr noch attraktiver machen», sagte Klingbeil der Deutschen Presse-Agentur. Wenn man die Attraktivität und auch die Wertschätzung des Soldatenberufs in der Gesellschaft steigere, werde das dazu führen, dass mehr Leute freiwillig zur Bundeswehr kommen. «Davon bin ich fest überzeugt, und deswegen ist der Zwang etwas, was ich gerade nicht sehe, dass wir das politisch beschließen sollten.»