Voller Familieneinsatz: Spieß Anton S. und seine Tochter Jessica leisten bereits zum zweiten Mal gemeinsam ihren Dienst bei EUTM in Mali. Foto: PIZ/EinsFüKdoBw, Patrick Enßle

Voller Familieneinsatz: Spieß Anton S. und seine Tochter Jessica leisten bereits zum zweiten Mal gemeinsam ihren Dienst bei EUTM in Mali. Foto: PIZ/EinsFüKdoBw, Patrick Enßle

11.02.2021

Vater und Tochter im Mali-Einsatz – Hier wird die Mission zur Familiensache

„Von den Kameraden hört man ab und zu, wie ist das so für dich, mit deinem Vater zu arbeiten? Meine klare Aussage: überhaupt nicht schlimm“ verrät Jessica S. im Skype-Interview mit dem DBwV. Der Stabsunteroffizier befindet sich rund 7000 Kilometer von der Heimat entfernt, jetzt sitzt sie hier – im Presseraum des Camps Koulikoro – und nur eine Armlänge entfernt schmunzelt ihr Vater über ihre Antwort.
 
Vater und Tochter gemeinsam im Auslandseinsatz, das ist schon eine recht außergewöhnliche Situation, nicht jedoch für das Familien-Team aus dem bayrischen Bad Reichenhall. Die beiden dienen bereits zum zweiten Mal gemeinsam bei der EUTM in Mali, die erste Mission war 2017. Zugegeben, dicht auf dicht unter den wachsamen Augen des Vaters zu arbeiten entspricht sicherlich nicht jedermanns Idealvorstellung, doch die 25-Jährige stört sich daran überhaupt nicht. Eher im Gegenteil, „man hat eine Bezugsperson, die einem in gewissen Situationen mit Rat und Tat zur Seite steht“, fasst Jessica S. zusammen. Am meisten über den gemeinsamen Auslandseinsatz, noch dazu am selben Standort, freut sich eh die Mama bzw. Ehefrau im heimischen Bayern. Die sei ganz beruhigt, dass Vater und Tochter hier füreinander da sein können, betont Oberstabsfeldwebel Anton „Toni“ S..

Der 53-jährige Spieß aus Oberbayern ging 1987 als Freiwilliger zur Bundeswehr, und landete nach der Grundausbildung im baden-württembergischen Bruchsal bei den Gebirgsjägern in Bad Reichenhall. Nun dient er dort als Kompaniefeldwebel bei der Gebirgsjägerbrigade 23. Inzwischen hat Anton S. bereits acht Auslandseinsätze hinter sich, dreimal hier bei der EUTM in Mali, dazu kamen Missionen in Bosnien, im Kosovo und auch in Afghanistan. Da habe er schon die eine oder andere Erinnerung im Hinterkopf, erläutert der Spieß, sowohl im positiven als auch im negativen Sinn, wie beispielsweise bei den Massengräben im Kosovo oder der Gefahrenlage in Afghanistan. „Tatsächlich war Afghanistan schon der einprägsamste der Einsätze. Wenn man in Kunduz unterwegs ist, ist das schon eine andere Hausnummer, als wenn man den Balkan sieht. Daher ist jetzt der Einsatz hier beim EUTM für mich ganz gut. Man stellt fest, dass die einheimische Bevölkerung sehr freundlich, sehr nett ist. Rundherum ums Koulikoro Training Center leben viele Familien. Das ist ein sehr schönes Miteinander.“

Gerade die Familien beziehungsweise deren Kinder haben es auch Jessica S. angetan. Hier in Mali ist der Personalunteroffizier für die Verwaltungsaufgaben bei EUTM zuständig, von Auslandsakten über AVZ-Zahlungen bis zu Flugbuchungen. „Ich unterstütze aber auch ganz gern Transporte als Kraftfahrer, wenn es darum geht, Leute von Bamako nach Koulikoro zu bringen. Oder ich bin beim Anschießen als Schreiber mit dabei, dass man auch mal ein bisschen rauskommt“, erläutert sie. Gerade dieses „Rauskommen“ ermöglicht der 25-Jährigen auch den Kontakt zur Kinderbande, die ums Camp herumtobt. „Das ist brutal, mit was für Kleinigkeiten die sich schon glücklich schätzen. Wenn die mal einen Kugelschreiber bekommen, ist das für die wie Weihnachten. Das ist schon sehr prägend, was die Kinder für ein Lächeln drauf haben, ist nicht mit Deutschland zu vergleichen.“

Apropos „Rauskommen“, das gestaltete sich gerade für „Jessi“ in den vergangenen Wochen recht schwierig. Anfang Dezember war der Einsatz des deutschen Kontingents bei EUTM Corona-bedingt ausgesetzt worden, da ein großer Teil der Truppe in Quarantäne musste, der DBwV berichtete. Auch Jessica S. landete in Quarantäne, da ihre Stubenkameradin zu den Kontaktpersonen K1 gehörte und die Stubenunterkünfte in Mali ja begrenzt sind. „Man ist halt wirklich nur in seinem Container zu zweit, darf zur Verpflegungsaufnahme kurz ins andere Zelt. Da war man froh, als die zehn Tage vorbei waren“.

Inzwischen hat sich die COVID-19-Situation merklich entspannt. „Also momentan sind wir safe“, erklärt Anton S.. „Von deutscher Seite haben wir keine Quarantäne, keine Kontaktpersonen, keine Positiven.“ Seit dem ersten Februar ist sogar wieder eine ganze Kompanie der malischen Streitkräfte zur Ausbildung vor Ort. 2020 gab es aufgrund der Pandemie-Lage teilweise nicht mal Ausbilder im Training Center, berichtet der 53-Jährige.

Der Spieß scheint richtiggehend erleichtert, dass EUTM wieder an Fahrt aufnimmt. Der Mann aus Bayern ist ein geselliger Mensch und schließt gern neue Kontakte. „Was mir wahnsinnig viel Spaß macht, ist die internationale Zusammenarbeit mit den anderen Nationen“, berichtet er mit leuchtenden Augen. Neben der Bundesrepublik beteiligen sich insgesamt 26 Nationen an der Ausbildungsmission in Mali und Anton „Toni“ S. hat viele neue Freunde kennengelernt. Statt der herkömmlichen Trainer-Bar soll eine „International-Bar“ errichtet werden, verrät er. „Das finde ich eigentlich ganz schön, man trifft sich dann am Abend mal auf ein Bier. Ich finde das eine Bombenkameradschaft.“

Das Wort Geselligkeit führt auch direkt zurück zur Vater-Tochter-Thematik, schließlich sind mit dem Familien-Team aus Bad Reichenhall zwei komplett unterschiedliche Generationen im Einsatz. Auf die Frage, ob es generations-bedingte Unterschiede in der Wahrnehmung des Einsatzes gibt, antwortet der Kompaniefeldwebel im vertraulichen Flüsterton: „die jüngere Generation ist ein wenig lahmarschiger. Wir sind da doch etwas geselliger, die verstecken sich immer in ihrem Container.“

Möglicherweise ist das eines dieser Spieß-Kommentare, vor denen Tochter Jessica zuvor gewarnt hatte, als es darum ging, ob es nicht Momente gäbe, wo sie lieber nicht in derselben Kompanie wäre wie der Herr Papa. „Ich weiß, dass er ab und an auch ein paarmal drüber schlägt, mit ein paar Aussagen. Ich weiß ja, wie er ist und dazu steh ich auch“, berichtet der Stabsunteroffizier. „Tatsächlich bremst sie mich manchmal ganz gut ein […], wenn ich so meine Spießäußerungen loslasse. Dann sagt sie zu mir, Vater, du musst dir mal auf die Zunge beißen. Das mach ich dann ganz brav“, verrät Anton S..

Viele Gelegenheiten zur vertrauten Vater-Tochter-Rüffelei wird es in Mali tatsächlich nicht mehr geben. Mitte Februar 2021 endet für Jessica S. der Auslandseinsatz. Sie war seit 1. Oktober hier, hatte sich für vier Monate verpflichtet und musste noch rund zwei Wochen länger bleiben, weil der nachfolgende Personaloffizier aus persönlichen Gründen nicht kommen konnte und daher noch ein Ersatz organisiert werden musste.
 
Der Kompaniefeldwebel bleibt noch ein bisschen länger in Koulikoro, bis Mitte April. Fest steht allerdings schon, dass er definitiv für keinen weiteren Einsatz zurückkehren wird, denn das Dienstzeitende des 53-Jährigen naht: „Bei mir wird es so ausschauen, dass ich nach zwei Jahren meine Uniform an den Nagel hänge, entweder gescheit oder gar nicht! Insofern ist das für mich jetzt der letzte Einsatz, ich hab‘s meiner Frau versprechen müssen.“

Ob Jessica S. dann in Zukunft stattdessen mit ihrem Bruder in den Auslandseinsatz zieht? Der hat gerade seine Ausbildung zum Gebirgsjäger absolviert. „Jetzt kommt’s, Vater und Tochter zieht sich wie ein roter Faden durch“, antwortet die 25-Jährige. Sie sei SaZ 8 und habe ihren Vater mal nach seinem genauen Austrittsdatum gefragt. „Es ist der 31.03.2023, das ist auch genau mein Termin zum Ausscheiden. Deswegen werden wir Hand in Hand aus der Bundeswehr rausgehen.“

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