Politisch sprachlos
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
eine Milliarde Euro zusätzlich für die Bundeswehr bis 2021 – das war im Januar eines der Sondierungsergebnisse für eine mögliche Große Koalition. Dies hätte bedeutet, dass die Etatsteigerung in den kommenden vier Jahren höchstens die Steigerungen der Einkommen der Bundeswehrangehörigen abgedeckt hätte, die in der laufenden und mindestens in einer weiteren Tarif- und Besoldungsrunde ausgehandelt werden. Damit wären die eingeleiteten Trendwenden Personal und Material Makulatur gewesen. Es hätte die Rolle rückwärts gedroht, also wieder Personalabbau, neuerliche Mängel an Material und in der Infrastruktur. Der DBwV hatte umgehend und lautstark die möglichen Koalitionäre darauf aufmerksam gemacht. Die Einwände haben Gehör und Eingang in den Entwurf des Koalitionsvertrags gefunden, nicht zuletzt durch unzählige Gespräche von DBwV-Vertretern mit den Verhandlungspartnern von Union und SPD. Allerdings bleibt die Finanzierung nach wie vor sehr unkonkret.
Trotz der großen Bedeutung von Sondierung und Koalitionsverhandlungen für die Belange unserer zivilen Kolleginnen und Kollegen sucht man vergeblich Reaktionen und Beiträge der anderen Interessenorganisationen in der Bundeswehr. Stattdessen übernimmt ein Mitbewerber ungeprüft eine Pressemeldung zu einem angeblichen Verhandlungsdetail, kritisiert die politische Führung des BMVg, verunsichert die Beschäftigten des BAAINBw und verlangt anschließend von der politischen Führung, die Beschäftigten mit einer Klarstellung zu beruhigen. Seriöses Reagieren hätte eine Verifizierung bei den Leuten vorausgesetzt, die am Koalitionsverhandlungstisch sitzen.
Doch das Engagement unserer Mitbewerber für bundeswehrspezifische Themen fehlt nicht nur bei der Regierungsbildung. Schaut man sich etwa die Leitanträge des Gewerkschaftstags des dbb im November 2017 an, ist festzustellen, dass sehr viele soziale Aspekte behandelt wurden. Solche Forderungen hat auch der DBwV in seiner Hauptversammlung mit gleicher Zielsetzung erhoben. Zudem kann der DBwV Vorstöße zur inneren Sicherheit unterstützen. Aber: Die äußere Sicherheit tauchte in den Leitanträgen nicht auf, der Begriff Bundeswehr kam kein einziges Mal vor! Und das, obwohl zwei Fachgewerkschaften in der Bundeswehr mit dem dbb einen gemeinsamen Dachverband haben. Wo waren deren Beiträge? Die Frage drängt sich auf, ob das freundliche Desinteresse unserer Gesellschaft an der Bundeswehr nun auch auf viele Interessenorganisationen überspringt – selbst auf die, die den Begriff Bundeswehr in ihrem Verbandsnamen tragen.
Einige von ihnen konzentrieren sich auf ihre Tariffähigkeit. Ohne deren Bedeutung schmälern zu wollen: Tariffähigkeit ist nicht alles, denn die Zahl der Dienstposten und Haushaltsstellen, die materielle und finanzielle Ausstattung der Bundeswehr werden nicht am Tarifverhandlungstisch festgelegt. Sondern in einem politischen Prozess mit Akteuren in Parteien, im Parlament, in der Bundesregierung und in den zuständigen Ministerien. Teil dieser Interessenvertretung sind auch Beiträge zur Steigerung des gesellschaftlichen Ansehens und der Wertschätzung der Bundeswehr mit seinen Angehörigen – dazu zählen zweifelsfrei auch die Zivilbeschäftigten. Diese Beiträge vermisst man im Portfolio vieler unserer Mitbewerber.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Klaus-Hermann Scharf
Vorsitzender Fachbereich Zivile Beschäftigte