Sicherheitspolitik: Zeitenwende auch in Europa?
Die europäischen Mitgliedsstaaten finden sich in einer verändernden geopolitischen Landschaft wieder, die Staaten dazu drängt, mehr Engagement für die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zu zeigen. Seit dem Februar 2022 werden sicherheitspolitische Entscheidungen zum Großteil in Verbindung mit dem Krieg in der Ukraine gedacht. Das Ereignis beeinflusst die Ausrichtung der zukünftigen Sicherheitspolitik und lässt die europäischen Abgeordneten wichtige Verteidigungsmaßnahmen verabschieden.
So wurde auch der Strategische Kompass als Aktionsplan für die Sicherheitspolitik bis 2030 ins Leben gerufen, um die Handlungsfähigkeit in Europa zu stärken. Zur allgemeinen Bestandsaufnahme, Austausch und Ergebnisfindung tagt der Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ des Rates der Europäischen Union regelmäßig in Brüssel. Ende November fand die letzte Sitzung für 2022 statt, die einige Beschlüsse verabschiedet hat.
Die Sitzung startete mit einem Sachstand zur Europäischen Friedensfazilität, die seit 2021 in Kraft ist. Die Fazilität ist ein haushaltsexternes Instrument, um Konflikte zu vermeiden. Für die Teilnehmer der Sitzung war klar, dass das Instrument beibehalten und über genügend finanzielle Mittel verfügen muss.
Wie geht es im Niger weiter?
Als weiterer Punkt stand das Engagement im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) auf der Tagesordnung. Besonders die Beteiligung im Niger mit einer agilen militärischen Mission rund um die Bereiche Instandhaltung und Logistik waren ein Thema. Aktuell planen starke europäische Länder wie Frankreich, Großbritannien und die Niederlande ihren Abzug aus dem Niger. Deutschland setzt das Engagement voraussichtlich bis Mai 2024 fort. Niger ist ein Ankerpunkt für die Terrorismusbekämpfung in Afrika und innerhalb des Ausbildungseinsatzes GAZELLE ertüchtigt die Bundeswehr mit 130 Soldaten und Soldatinnen nigrische Streitkräfte.
Die GSVP unterliegt – wie viele andere Bereiche – regelmäßigen Kontrollen. Die jährliche Überprüfung der Verteidigung lag dem Rat für die letzte Sitzung 2022 vor. Dabei ging es vor allem darum, wie die Investitionen aufgestockt werden sollen, um die Verteidigungsfähigkeit zu verbessern. Dazu gehört zum Beispiel, materielle Bestände aufzufüllen, die Einsatzbereitschaft zu verbessern, die Unterstützung der Partnerorganisationen sicherzustellen und eine gemeinsame Beschaffung voranzubringen.
Auch Ukraine-Krieg ist ein Thema
Die aktuelle Situation in der Ukraine wurde vom Rat mit dem ukrainischen Verteidigungsminister Reznikov diskutiert. Bei diesem Austausch berichtete der Minister, dass rund die Hälfte des im Februar von Russland besetzten Gebietes von der Ukraine zurückerobert worden sei. Die EU hat im Jahr 2022 mit der Europäischen militärischen Unterstützung (EUMAM) die Ukraine tatkräftig unterstützt und weitere 16 Millionen Euro gestellt, um die Streitkräfte des Landes besser auszustatten.
Für das Jahr 2023 sind 18 Milliarden Euro eingeplant, die zum Beispiel in die Luftabwehr oder Minenräumung fließen sollen. Innerhalb der Wintermonate seien erst einmal humanitäre Hilfen und Katastrophenschutzhilfen nötig. Währenddessen begann der Ringtausch mit anderen europäischen Staaten: Tschechien und die Slowakei erhielten von Deutschland Leopard-2-Kampfpanzer und gaben ihre Modelle an die Ukraine. Weitere Panzer sollen im Jahr 2023 folgen. Der Rat begrüßte außerdem die Strafverfolgung der russischen Kriegsverbrecher und Kriegsverbrecherinnen und appellierte erneut an Russland, alle Handlungen einzustellen, die die Sicherheit kerntechnischer Anlagen gefährden könnten.
Mit Hinblick auf die verschärfte Sicherheitslage an der Ostgrenze der Europäischen Union verändern sich auch die Beitrittsperspektiven der osteuropäischen Länder. So ist Bosnien-Herzegowina im Dezember in den Kreis der Beitrittskandidaten aufgenommen worden und folgt damit der Ukraine und Moldau.
Im Projekt der Ständigen strukturierten Zusammenarbeit (SSZ) ist die Niederlande laut Ratsbeschluss Projektkoordinator geworden und das Vereinigte Königreich wurde zur Beteiligung eingeladen. Die SSZ soll dafür sorgen, dass die militärische Mobilität verbessert wird. Wenn Truppen aus den USA oder westlicheren Ländern in östliche Länder vorrücken wollen, wird auch deutsche Infrastruktur benötigt.
DBwV hat Lage in Europa weiter im Blick
Der Lenkungsausschuss der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) tagte ebenfalls und billigte den Haushaltsplan für 2023, den Stellenplan und den dreijährigen Planungsrahmen bis 2025. Der DBwV beobachtet die sicherheitspolitischen Entwicklungen in Europa weiter und analysiert, welche Folgen sich daraus für seine Mitglieder ergeben. Konkret ändert sich für das deutsche Militärpersonal aktuell nichts.
Die bisherigen Beschlüsse des Rates sind zu begrüßen, da sie die europäische Einheit auch in der Außen- und Sicherheitspolitik stärken sowie die Unterstützung für die Ukraine ausweiten. Im März 2023 soll der Strategische Kompass ausgewertet und angepasst werden. Auch diesen Vorgang wird der Verband genau beobachten und über Veränderungen berichten.