EU-Bürger in den nationalen Streitkräften - Bewältigung der Rekrutierungsprobleme?
Sollten nationale Streitkräfte für EU-Bürger geöffnet werden? Über diese Frage diskutierten kürzlich auf Einladung von EUROMIL in Kooperation mit der Friedrich-Naumann-Stiftung Vertreter verschiedener Nationen und Europa-Experten.
Eröffnend erklärte EUROMIL-Präsident Emmanuel Jacob, dass die Streitkräfte in ganz Europa mit Rekrutierungsproblemen konfrontiert seien. Als Reaktion auf den Personalmangel diskutierten einige Länder die Wehrpflicht oder hätten sie wieder eingeführt. Andere starteten teure Rekrutierungskampagnen. In einigen Ländern werde die Möglichkeit der Öffnung der Streitkräfte für Ausländer erörtert. In Europa hätten nur wenige Länder ihre nationalen Streitkräfte vollständig für EU-Bürger geöffnet, so Jacob. Andere Länder schränkten die Karrieremöglichkeiten von Ausländern bei den Streitkräften ein oder öffneten ihr Militär für Bürger ehemaliger Kolonien oder Länder mit derselben Muttersprache.
Erfahrungen aus diesen Ländern zeigten insgesamt positive Effekte. Präsident Jacob betonte, dass EUROMIL zu diesem Thema keine klare Position habe und die Mitgliedsverbände unterschiedliche Standpunkte vertreten, was weitgehend von ihrer nationalen Situation abhänge. EUROMIL sei jedoch der Ansicht, dass es sich lohne, dieses Thema in Brüssel zu diskutieren.
Für den DBwV nahm Karl-Heinz Bög an der Veranstaltung teil. Der DBwV ist einer der EUROMIL-Gründungsmitglieder und vertritt eine klare Position bezüglich EU-Bürger in der Bundeswehr. Zu diesem Thema sprach Thomas Sohst, Vorsitzender Landesverband West im DBwV, bereits im August in Hannover auf Einladung der FNF (Link Bericht). In Deutschland ist der Soldatendienst an die deutsche Staatsbürgerschaft gebunden. Nur wer Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist, darf auch in der Bundeswehr dienen. Völlig legitim, wie Sohst in der Diskussionsrunde im August darlegte. Denn es gehe dabei nicht einfach um einen Militärdienst, sondern um das Verständnis des Soldaten für die Werte, die er damit vertritt, und auch Loyalität, „und zwar nicht gegenüber dem militärischen Vorgesetzten, sondern gegenüber dem Land“.
Sebastian Vagt, Analyst für Verteidigungspolitik, FNF Security Expert Hub, führte an, dass die jüngsten Initiativen der europäischen Verteidigungspolitik wie PESCO und EDF sich hauptsächlich auf Fähigkeiten und Ausrüstung konzentrierten. Insbesondere vor dem Hintergrund des derzeitigen Personalmangels sollte das militärische Personal stärker in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt werden. Er plädierte dafür, die Streitkräfte für EU-Bürger zu öffnen: Das würde dies aus Sicht des Arbeitgebers den Pool möglicher Rekruten vergrößern. Und es gehe aus Sicht des Arbeitnehmers um gleiche Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem (europäischen) Arbeitsmarkt. Darüber hinaus sei für ihn das „moralische Argument“, ob ein spanischer Staatsbürger beispielsweise Belgien wirklich die Treue schwören und letztendlich verteidigen kann, kein Thema: Die heutigen Missionen und Operationen fänden in multinationalen (europäischen) Kontexten statt. Es gehe nicht darum, ein Land allein zu verteidigen, sondern darum, Europa als Ganzes zu sichern.
Robert De Leij, Oberleutnant des belgischen Verteidigungsstabs und niederländischer Staatsbürger, berichtete, dass es für ihn eine natürliche Entscheidung gewesen sei, den belgischen Streitkräften beizutreten, nachdem er den Großteil seines Lebens in Belgien verbracht hatte. Die Einstellungsverfahren seien sehr objektiv, mit den gleichen Standards in Bezug auf körperliche und geistige Fitness sowie Sprachkenntnisse für alle Kandidaten. Da die Streitkräfte heute im multinationalen Umfeld tätig seien, könne ausländisches Personal intern die Diskussionen bereichern, indem es leicht unterschiedliche Perspektiven biete. Extern könne es den Austausch und die Zusammenarbeit mit anderen bewaffneten Ländern erleichtern.
Miguel Lopez, Mitglied der United Association of Spanish Military (AUME), erläuterte die Situation in Spanien. Dort können Personen ehemaliger Kolonien und spanischsprachiger Gebiete den Beitritt zu den Streitkräften beantragen. Da die Sprachanforderungen selbstverständlich seien, gebe es keine Probleme bei der effektiven Kommunikation mit allen Mitarbeitern. Und Ausländer können nach zweijährigem Dienst die spanische Staatsbürgerschaft beantragen.
Ildikó Szenci, Senior EU Consultant, moderierte die folgende Debatte, in der es um die Anforderungen an Sprachkenntnisse vor dem Eintritt in die Streitkräfte, Sicherheitsüberprüfungen und -freigaben, multinationale Schulungen und die länderübergreifende Anerkennung der militärischen Ausbildung sowie unterschiedliche Wertesysteme und Loyalität ging.
EUROMIL war sich bewusst, dass dieses Thema auf nationaler Ebene entschieden werden muss, begrüßte jedoch den Meinungsaustausch und die positiven Länderbeispiele, die während der Debatte ausgetauscht wurden, und wird dieses Thema weiterhin aufmerksam verfolgen.