Umbruch beim KSK: Jetzt kommt es darauf an, dass die Maßnahmen des BMVg schnellstmöglich greifen – und nicht wie im Jahr 2017 nach wenigen Monaten in Vergessenheit geraten. Foto: Bundeswehr/Jana Neumann

Umbruch beim KSK: Jetzt kommt es darauf an, dass die Maßnahmen des BMVg schnellstmöglich greifen – und nicht wie im Jahr 2017 nach wenigen Monaten in Vergessenheit geraten. Foto: Bundeswehr/Jana Neumann

01.07.2020
Frank Jungbluth

Widerstandskraft gegen Extremismus in der gesamten Bundeswehr stärken!

Der Bundesvorsitzende Oberstleutnant André Wüstner zu den Plänen der Ministerin fürs KSK:
 
Der Pulverdampf hat sich verzogen, die Dinge liegen klarer. Einen Tag, bevor Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer erst den Verteidigungsausschuss und dann die Presse informierte, kursierte in Berlin bereits die Obleute-Unterrichtung, und die Hauptstadt-Presse stürzte sich auf die geplanten Änderungen im Kommando Spezialkräfte. Natürlich hat auch der Bundesvorsitzende Oberstleutnant André Wüstner in Funk und Fernsehen Stellung bezogen. Platz für eine erste, umfassende Einschätzung haben wir allerdings am ehesten hier. Also: Wie findet der Deutsche BundeswehrVerband die Reaktion des BMVg?

Ein paar Tatsachen vorweg: Es ist gut, dass – anders als in manchen Schlagzeilen nahegelegt – weder die Verteidigungsministerin noch die Wehrbeauftragte oder das Parlament die Bundeswehr unter Generalverdacht stellen wollen. Das ist gut, weil die bestätigten Fälle von Extremismus und Radikalismus nach wie vor im Promille-Bereich liegen. Dass jeder Fall einer zu viel ist, bedarf natürlich keiner gesonderten Erwähnung.

Richtig ist auch, dass die Vorfälle der letzten Jahre Politik und Öffentlichkeit aufgeschreckt haben. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass Frau Kramp-Karrenbauer jetzt einen Schwerpunkt auf das KSK gelegt hat. Extremisten können und dürfen nicht Bestandteil dieser Bundeswehr sein.

Nicht zu unterschätzen ist auch, wie schwierig es ist, Menschen zu finden, die sich dieser anspruchsvollsten Aufgabe, die die Bundeswehr zu bieten hat, stellen. Die bereit sind, im schlimmsten Fall ihr Leben für andere zu geben. Anderen das Leben zu nehmen. Die sich der Auslese stellen. Denn Tatsache ist: Das KSK gehört zur Elite und braucht entsprechend Geist und Selbstverständnis.

Viele der beschriebenen Maßnahmen sind gut, teilweise sogar längst überfällig. Zu begrüßen ist, dass die Ministerin den Scheinwerfer nicht nur auf das KSK richtet, sondern von mangelhafter Dienstaufsicht auf allen Ebenen spricht, das schließt das Ministerium mit ein. Gemeint sind also auch Fehler früherer Minister oder Staatssekretäre und nicht nur der sprichwörtlich jüngste Kommando-Offizier aus Calw. Wir als DBwV haben seit Jahren auf Probleme hingewiesen und Vorschläge gemacht, die in Teilen zwar auch ihren Niederschlag in Weisungen des BMVg fanden, aber nicht hinreichend praktisch umgesetzt worden sind. Schade, dass es manchmal erst politisch-medialen Druck braucht, um tatsächlich Mängel zu beseitigen.

Das betrifft zum Beispiel den die sogenannten „Ermöglichungsstrukturen“. Wer davon im Bericht liest, wer die Maßnahmen betrachtet, der stellt fest: Es gab mangelhafte, dysfunktionale Strukturen. Sie wurden dem KSK im Zuge der letzten Reform 2011 politisch verordnet. Sie jetzt zu verändern, ist folgerichtig, verlangt aber Fingerspitzengefühl: Keinesfalls darf die Leistungsfähigkeit des KSK aufs Spiel gesetzt werden.

Das betrifft gleichermaßen die „toxische Führungskultur“. Sie hat ihre Ursachen nicht nur in den dysfunktionalen Strukturen, die gute Führung erschweren, sondern ebenso in einer Überlastung und Überreizung des KSK. Jahrelang wurden so die präventiven Maßnahmen der Konzeption der Inneren Führung konterkariert: Zeit für Regeneration, Reflektion oder politische, historische und ethische Bildung hat gefehlt.

Unterm Strich:
Auch, wenn über einzelne Maßnahmen noch zu reden ist: Die Verteidigungsministerin handelt sachorientiert, konsequent und genießt weiterhin das Vertrauen der Truppe.

Es ist klar geworden, dass wesentliche Ursachen der Fehlentwicklungen in politisch vorgegebenen Rahmenbedingungen liegen.
Jetzt kommt es darauf an, dass die Maßnahmen schnellstmöglich greifen – und nicht wie im Jahr 2017 nach wenigen Monaten in Vergessenheit geraten.  

Schon früher haben der Deutsche BundeswehrVerband und auch der Wehrbeauftragte die Komplexe „dysfunktionale Strukturen“ und „Überlastung“ als Ursache für eine schlechte oder toxische Führungskultur beschrieben. Deshalb erwarten wir, dass die Untersuchungen über das KSK hinaus auf die gesamte Bundeswehr ausgeweitet werden. Sogenannte „Ermöglichungsstrukturen“ gibt es möglicherweise auch in anderen Bereichen der Bundeswehr.

Latenter Radikalismus und Extremismus sind ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und betreffen damit ganz automatisch auch die Bundeswehr. Deshalb muss es jetzt darum gehen, Resilienz zu erzeugen. Diese „Immunität“, diese Widerstandskraft muss sich aus der festen Verwurzelung in der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ergeben. Ihr Bezugsrahmen darf sich nicht dadurch verschieben, dass die Streitkräfte dauerhaft überreizt und überfordert sind.
 
Auf den ersten guten Schritt der Verteidigungsministerin in Richtung KSK muss nun ein zweiter auf die gesamte Bundeswehr hin folgen. Damit und mit der Steigerung der materiellen Einsatzbereitschaft würde Annegret Kramp-Karrenbauer ihre „wesentliche Leistung“ in dieser Legislaturperiode erbringen.

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