Operation Lückenfüller im Haifischbecken?
Wir wären wirklich die Letzten, die etwas anderes behaupten würden: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte absolut Recht, als sie die Obergrenzen für Material und Personal aufgehoben hat. Und es war ebenso richtig und wichtig, die Notwendigkeit einer Trendwende in Bereichen innerhalb der Regierung abzustimmen und zu kommunizieren. Die Ministerin hat damit quasi im Vorbeigehen zwei wesentliche Entscheidungen ihres Vorgängers kassiert und locker eine 180-Grad-Wende eingeleitet. Eine echt gute Sache.
Wir wären aber nicht der DBwV, wenn wir nicht auch wüssten, dass diese Ankündigungen zwar elementar, aber eben noch lange nicht Realität sind. Wir wissen nicht einmal, ob sie jemals Realität werden können. Zu groß ist die Lücke zwischen Anspruch bei Vollausstattung, Modernisierung oder dem personellen Aufwuchs und den finanziellen Möglichkeiten.
Fakt ist: Allen anderslautenden Kommentaren zum Trotz geht es aktuell nicht um Aufrüstung. Vielmehr ist jetzt die „Operation Lückenfüller“ angesagt. Ob beim Material oder Personal – es gibt eine Unmenge hohler Strukturen. Seit 2014 haben wie sie wieder und wieder aufgezeigt. Immerhin: Mittlerweile leugnet das auch niemand mehr. Doch auch wenn beispielsweise das „dynamische Verfügbarkeitsmanagement“ (ein System gnadenloser Mangelverwaltung im Heer) politisch ins Jenseits befördert wurde, bedeutet das noch lange nicht, dass von heute auf morgen mehr Gerät oder mehr Ersatzteile verfügbar wären.
Für Modernisierung und strukturgerechte Ausstattung hatten die Planer im BMVg unter Führung von Staatssekretärin Suder zuletzt einen „maßvollen“ finanziellen Bedarf von rund 130 Milliarden bis 2030 veranschlagt. Darin waren aber noch nicht die zusätzlichen Mittel für einen Fähigkeitsgewinn wie Cyber oder ein Mehr an Robustheit und Durchhaltefähigkeit (sprich Personal) enthalten.
Wer jetzt den Eckwertebeschluss der Bundesregierung zum Haushalt 2017 und den 50. Finanzplan liest, der fragt sich zu Recht nach dem Zauberstab von der Leyens. Den bräuchte die Ministerin, um die extreme Lücke zwischen dem Anspruch der absolut berechtigten Trendwende bei Material oder Personal aufgrund der sicherheitspolitischen Herausforderungen und der Wirklichkeit des Haushalts auch nur annähernd schließen zu können. Die einzige Möglichkeit ist: Es tut sich noch etwas bis zum Beschluss der Bundesregierung in puncto Haushalt. Das Finanzministerium könnte beispielsweise die Folgekosten des Tarifabschlusses aller Ressorts tragen. Vorstellbar wäre auch ein eigener Einzelplan für den Personalaufbau, wie zuletzt beim Personalabbau.
Nur wenn es eine Änderung gibt, hat die Bundeswehr eine echte Chance für eine Trendwende, und Politik eine Chance, verloren gegangenes Vertrauen der Menschen unserer Bundeswehr aufgrund vieler planloser Reformen wiederzugewinnen. Wir im DBwV haben ein Interesse daran, dass die Trendwende in Gänze gelingt, und wir werden auf jeder Ebene daran arbeiten. Ob Politik als Ganzes ein Interesse daran hat und ob sich die Verteidigungsministerin durchbeißt, wird sich zeigen.
Um im Bild der Überschrift zu bleiben: Bereits jetzt schwimmen im politischen Haifischbecken einige Parteifreunde und -gegner um Ursula von der Leyen herum und warten lüstern darauf, dass sie Nasenbluten bekommt. Ja, von der Leyen ging mit ihrer medienwirksamen Ankündigung der „Trendwenden" ein Risiko ein. Doch wie heißt es so schön: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“