Am runden Tisch nahmen Veteranen Platz und diskutierten über ihre Erlebnisse - im Kreise des Schweriner Publikums. Foto: demipress

18.11.2022
Von Jürgen Görlich

Ein Tisch ist rund und Schwerin ist grün

Mit großem Interesse sind die Schwerinerinnen und Schweriner in der vergangenen Woche auf die Bundeswehr in der Marienplatz-Galerie zugegangen – „Schwerin in Grün“ war ein voller Erfolg. Ein Höhepunkt dieser Woche: Ein offenes Tischgespräch mit und über Veteranen im Cubestore der Marienplatz-Galerie – eine Premiere in dieser Form.

In der Mitte: Ein großer, runder Tisch mit sechs Stühlen. Drum herum nahmen nach und nach die Gäste, Zuschauer, Einwohner und Soldaten ihre Plätze ein. Eingerahmt wurde die gesamte Szenerie durch Rollups mit Bildern von Veteraninnen und Veteranen.

Nachdem die Gesprächsteilnehmer ihre Plätze eingenommen hatten, begrüßte Oberstabsfeldwebel a.D. Jürgen Görlich als Vertreter der Soldaten und Veteranen Stiftung den Moderator am Tisch, den stellvertretenden Bundesvorsitzenden Oberstleutnant i.G. Marcel Bohnert. Für Bohnert ein Heimspiel, schließlich kommt er selber aus Schwerin.

Als weiteren Teilnehmer stellte Görlich Brigadegeneral Uwe Nerger, Kommandeur Landeskommando Mecklenburg-Vorpommern, vor. Neben Nerger nahm Oberstabsfeldwebel Meik Briest Platz, aus dem Kosovoeinsatz körperlich im Gesicht verwundet, daneben Hauptfeldwebel d.R. Dana Theers, ehemalige Sanitäterin und posttraumatisch erkrankt. Mit am Tisch saß auch Stabsfeldwebel Jens Ruths, der im Einsatz seinen linken Unterschenkel verloren hat und zum Team Invictus Games 23 gehört. Stabsfeldwebel Sven Körner, ausgebildeter Lotse, vervollständigte den Kreis der Teilnehmer.

In der ersten Runde schilderten die Teilnehmer dem Publikum ihre persönliche Situation. Brigadegeneral Nerger machte den Anfang und betonte, dass er nicht als Kommandeur am Tisch Platz genommen habe, sondern als Soldat und Veteran: „Veteran ist jeder, der sechs Monate Dienst geleistet hat, so ist die Definition!“  Nerger betonte dabei die Wichtigkeit der Wahrnehmung und der Diskussion mit und in der Öffentlichkeit.

Meik Briest erzählte in emotionalen Worten, wie er verwundet wurde. Die Explosion, die Verwirrung, der Griff in sein Gesicht und die erste Hilfe seiner Kameraden – er hat alles wahrgenommen. „Es war wie ein Brennen, wie ein Wespenstich,“ sagte er. Das Bedürfnis, Verständnis für sich und seine Situation zu erhalten, war im Raum spürbar.

Auch Dana Theers erzählte sehr offen über ihre Situation. „Ich bin Meik dankbar, dass er sich rechts von mir gesetzt hat. Sein Gesicht würde mich triggern. Ich war genauso sein Sanitäter nach der Verletzung, wie bei Jens Ruths.“ Was für eine Geschichte: Die Soldaten Ruths und Briest haben in Schwerin Dana Theers getroffen und dabei herausgefunden, dass sie es war, die sie beide nach ihrer Verwundung versorgt hat.

Für Jens Ruths war vor allem wichtig, dass er persönlich erzählen konnte. Er hat einige Zeit gebraucht, bis er offen mit seiner Verletzung umgegangen ist. Es tat ihm weh, dass seine Kinder in der Schule darauf angesprochen wurden. Aber heute zeigt er offen seine Verwundung und seine Prothese. Es tut ihm gut, so damit umzugehen. Sven Körner, ein Helfer und selbst traumatisierter Soldat, möchte vor allem Besserungen im Innern für sich und seine Kameraden und Wahrnehmung in der Bevölkerung erreichen.

Nach dieser ersten Gesprächsrunde bezog Bohnert das Publikum mit ein. Alle Redner dankten für die Offenheit der Runde. Alle betonten, dass sie so etwas noch nie gehört hatten und ihnen nicht bewusst war, wie Soldaten ihre Einsätze und die Zeit danach erlebten.

Sowohl Landtagsabgeordnete als auch die Leitung der Polizei Schwerin und des THW Schwerin, die unter den Gästen waren, betonten die Notwendigkeit dieser Gesprächsrunden zur Aufklärung und zum Dialog mit der Bevölkerung.

Am Schluss durfte jeder noch Wünsche äußern. Zur Sprache kamen dabei die Verbesserung der Gesetzeslage, die Wahrnehmung in der Bevölkerung, die Anerkennung im Kameradenkreis und Fortsetzung solcher Gesprächsrunden.

Im Nachgang war sich Brigadegeneral Nerger sicher: Er möchte mit anderen Institutionen in der Landeshauptstadt Schwerin ins Gespräch kommen, um solche Formate zukünftig der Bevölkerung in Schwerin anzubieten.

Auch für die anderen Veteranen war die Aktion ein Erfolg. Meik Briest sagte: „Auch wenn es für mich ein Sprung ins kalte Wasser war: Es war eine runde Sache und es sollte wiederholt werden – und das vor allem in der Öffentlichkeit. Ich würde mich freuen, wenn zukünftig auch noch mehr Teilnehmer aus Politik und Führung mit uns diskutieren würden.“

Bewegt zeigte sich auch Jens Ruths: „Es war für mich eine sehr emotionale Veranstaltung, da ich mit Dana eine Kameradin getroffen habe, die mich nach dem Unfall 1999 versorgt hat.“

Und Sven Körner bilanzierte: „Nachdem sich bei mir die erste Aufregung gelegt und Oberstleutnant Bohnert anmoderiert hatte, konnte ich Meik, der mich als sein Lotse ausgewählt hatte, bei seinen Erläuterungen zu sich und seiner Situation unterstützen. An dem Nachmittag habe ich ihn noch besser kennenlernen können, da ich genau erkannte, in welcher Verfassung er war. Rückblickend war es eine wertvolle Veranstaltung, bei der ich jederzeit wieder mitmachen würde.“

Die Idee, zum 67. Gründungstag der Bundeswehr mitten in die Stadt und somit in die Öffentlichkeit zu gehen, hat einen großen Nachhall hervorgerufen. Die Bundeswehr konnte sich von ihrer besten Seite darstellen. Die Ausstellung, bei der auch das Bildbandprojekt "Gesichter des Lebens" der Fotografin Daniela Skrzypczak vorgestellt wurde, und die erfolgreiche Premiere des Tischgespräch mit Veteranen zeigen, dass die Bundeswehr den Auftritt in der Öffentlichkeit nicht scheuen muss – Schwerin beweist das Gegenteil.

 

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