Schweiß und Tränen – Der Marsch zum Gedenken 2022 als Teil deutscher Veteranenkultur
Es ist nicht ein Gänsehautmoment, es ist eine ganze Abfolge von Gänsehautmomenten: Der „Marsch zum Gedenken“, der heute Berlin erreicht hat, ist sicherlich eine der emotionalsten Veranstaltungen, die die Gedenkkultur der Bundeswehr derzeit zu bieten hat. 119 Soldatinnen und Soldaten sowie Reservistinnen und Reservisten sind seit dem 25. Juli im stillen Gedenken an verstorbene Kameradinnen und Kameraden marschiert: 116 Kilometer Marschstrecke (116 Teilnehmer stehen für 116 im Auslandseinsatz Gefallene und Verstorbene) plus 3.348 Meter (3 Teilnehmer erinnern an die 3.348 im Dienst Verunfallten).
Jeder Teilnehmende trägt den Namen eines ums Leben gekommenen Soldaten während des gesamten Marsches demonstrativ auf der Brust. „Dieser Marsch ist gelebte Erinnerungskultur“, sagt Oberstleutnant i.G. Marcel Bohnert. Der Stellvertreter des Bundesvorsitzenden des Deutschen BundeswehrVerbandes begleitete heute die letzten 25 Kilometer des Marsches vom ehemaligen Flugplatz Berlin Gatow bis zum Brandenburger Tor und nimmt derzeit an der Gedenkveranstaltung im Ehrenmal der Bundeswehr im Verteidigungsministerium in Berlin teil. „Die Veranstaltung geht allen Marschierenden sehr nahe.“
Für Bohnert hat der Marsch das Potenzial, sich als fester Bestandteil der deutschen Veteranenkultur zu etablieren und die Wahrnehmung der Streitkräfte in der deutschen Gesellschaft voranzubringen: „Es wäre ein großer Gewinn, wenn es künftig gelingen würde, die Veranstaltung noch breiter bekannt zu machen. Für 2023 haben wir uns gemeinsam schon einiges vorgenommen.“ Der Marsch wird in diesem Jahr nach einer zweijährigen Coronapause erneut durch die Reservistenarbeitsgemeinschaft Military Brotherhood Germany im Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e.V. gemeinsam mit dem Landeskommando Berlin der Bundeswehr durchgeführt.
Die Teilnehmenden marschierten in vier Tagesetappen vom Truppenübungsplatz Lehnin über den Wald der Erinnerung am Einsatzführungskommando der Bundeswehr bis hin zum Ehrenmal der Bundeswehr. Höhepunkt des heutigen Tages war das Zusammentreffen mit Hinterbliebenen vor dem Deutschen Bundestag und deren Eingliederung in die Marschformation. Den Abschluss der Veranstaltung bildet eine Kranzniederlegung, an der zahlreiche Vertreter aus Politik und Streitkräften teilnehmen und die durch Angehörige des Wachbataillons begleitet wird.
Bohnert hatte die Köpfe der Organisatoren des Marsches bereits im Juni getroffen, um sich mit ihnen zur Ausrichtung der künftigen Veteranenpolitik zu diskutieren. Mit dem Vizepräsidenten des Verbands der Reservisten der Bundeswehr (VdRBw), Oberst d.R. Manfred Schreiber und Stabsfeldwebel Stephan Matz von der Reservistenarbeitsgemeinschaft Military Brotherhood Germany lotete er gemeinsame Positionen aus. Nicht teilnehmen am Treffen von Bohnert, Schreiber und Matz konnte einer der wichtigsten Lenker in der Organisation des Marsches zum Gedenken: Hauptfeldwebel Andreas Wichmann war einen Tag vor dem Treffen plötzlich und unerwartet verstorben. Zahlreiche Teilnehmende sowie das Organisationsteam trugen zu seinen Ehren sein Namensschild.
Stabsfeldwebel Matz, der bei den Märschen von Anfang an und in diesem Jahr wieder als Marschgruppenführer dabei war, äußerte sich bei der Ankunft in Berlin sehr zufrieden. „Es ist hervorragend gelaufen. Wir haben eine unglaubliche Unterstützung durch die Bevölkerung erfahren. Es war Wahnsinn, was da an positiven Reaktionen kam. Die Leute haben Beifall geklatscht, haben gejubelt, Lkw haben gehupt – das war überragend.“ Das sei nicht immer so gewesen, sagt Matz, man merke, dass die Bundeswehr aktuell ein ganz anderes Ansehen in weiten Teilen der Bevölkerung genießt als noch wenige Jahre zuvor. „Auch durch die aktuelle politische Situation hat sich das Bild geändert und die Akzeptanz ist einfach größer.“
Angetan vom Zuspruch der Bevölkerung zeigte sich auch Oberleutnant d.R. Pascal Kober, stellvertretender Vorsitzender des Reservistenverbandes. Der Marsch, so der Bundestagsabgeordnete und frühere Militärseelsorger, verdeutliche die tiefe Ernsthaftigkeit des Soldatenberufs, der mit Tod und Verwundung verbunden ist. Es sei wichtig, dass dies der Bevölkerung bewusst sei, so der FDP-Politiker. „Das ist auch ein Zeichen, das hier in die Bevölkerung gesetzt wird.“ Und: „Daneben zeigen wir auch den Angehörigen, dass die verstorbenen Kameraden nicht vergessen sind und auch den Kameraden machen wir deutlich, dass sie nie vergessen sein werden, falls es sie mal trifft.“
Der Marsch endete mit einer Gedenkveranstaltung am Ehrenmal der Bundeswehr im Bendlerblock, wo auch ein Kranz des Deutschen BundeswehrVerbandes niedergelegt wurde.
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