Schwere Gefechte im Norden Afghanistans – Taliban am Stadtrand von Masar-e-Sharif
Kabul. In Afghanistan weiten sich die Gefechte zwischen den militant-islamistischen Taliban und der Regierung im Norden des Landes aus. Binnen 24 Stunden sind mindestens acht weitere Bezirke in den Provinzen Tachar, Baghlan und Balch an die Taliban gefallen, wie örtliche Behördenvertreter am Montag bestätigten. Lokale Medien berichteten zudem über Taliban-Kämpfer am Rande der Stadt Masar-i-Scharif, in der weiter Kräfte der Bundeswehr stationiert sind. Örtliche Politiker rufen mittlerweile selbst ehemalige Mudschahedin-Kommandeure und Zivilisten auf, sich zu bewaffnen und mit den Sicherheitskräften gegen die Islamisten zu kämpfen.
Insgesamt haben die Taliban seit Beginn des Abzugs der ausländischen Nato-Truppen am 1. Mai nun 50 Bezirke neu erobert. Afghanistan ist in 34 Provinzen und rund 400 Bezirke unterteilt.
Von Sonntag auf Montag fielen alleine in der Provinz Tachar laut Provinzräten mindestens vier Bezirke an die Taliban. In der Provinz Balch, wo auch das Bundeswehr-Camp Marmal liegt, wurden mindestens zwei Bezirke von den Islamisten überrannt, drei weitere standen kurz vor dem Fall. Ein Sprecher des afghanischen Verteidigungsministers schrieb am Montag auf Twitter, die Taliban seien vom Tor zu Masar-i-Scharif geflüchtet und bestätigte so indirekt, dass es Taliban-Kämpfer bis dort hin geschafft hatten.
Die Bundeswehr holt bereits seit einiger Zeit Soldaten nach Deutschland zurück. Der größere Teil des Stützpunkts der Bundeswehr in Masar-i-Scharif ist bereits an die afghanischen Streitkräfte übergeben. Die internationalen Truppen sind insgesamt mit ihrem Abzug bereits weit fortgeschritten. Bis spätestens 11. September sollen die letzten ausländischen Soldaten das Land verlassen haben. Nach Angaben des Einsatzführungskommandos sind die deutschen Soldaten dabei weiterhin zur Verteidigung ihres Feldlagers Camp Marmal bereit. «Die Bundeswehr nimmt ständig eine Bewertung der aktuellen Sicherheitslage vor und passt die Schutzmaßnahmen entsprechend an. Im Camp Marmal verfügt das multinationale Kontingent unter Führung der Bundeswehr und mit Unterstützung der US-Amerikaner über Kräfte und Mittel, um auf Gefährdungen für das Kontingent reagieren zu können», sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam am Dienstag. Der ausreichende Schutz des deutschen Einsatzkontingents werde bestmöglich sichergestellt.
Im Nachbarland Tadschikistan wächst indes die Sorge angesichts der Sicherheitslage. Der Chef der tadschikischen Provinz Berg-Badachschan rechnet mit einem Anstieg der Zahl afghanischer Flüchtlinge, die in der Ex-Sowjetrepublik in Zentralasien Schutz suchen. Der Gouverneur sagte bei einem Besuch an der Grenze lokalen Medien zufolge, dass freie Gebiete für mögliche Flüchtlingslager gesucht werden müssten. Russland hatte Tadschikistan bereits Hilfe bei der Stärkung der Grenze zugesagt.
Aktualisiert am 22.06.2021, 14:45 Uhr