Der Einsatzgruppenversorger "Berlin", hier bei einem Einsatz vor Kreta in 2015, ist zurzeit bei der EU-Mission Irini im Einsatz vor der ostlibyschen Küste. Der Bundestag hat der Verlängerung des Einsatzes um ein Jahr zugestimmt. Foto: Bundeswehr

Der Einsatzgruppenversorger "Berlin", hier bei einem Einsatz vor Kreta in 2015, ist zurzeit bei der EU-Mission Irini im Einsatz vor der ostlibyschen Küste. Der Bundestag hat der Verlängerung des Einsatzes um ein Jahr zugestimmt. Foto: Bundeswehr/Sascha Jonack

22.04.2021
Yann Bombeke

Bundestag stimmt für Verlängerung der Marine-Missionen Atalanta und Irini

Der Bundestag hat grünes Licht für die Verlängerung der Marine-Missionen Atalanta und Irini gegeben. Für beide Einsätze stimmte eine breite Mehrheit der Abgeordneten.

Die Bundeswehr beteiligt sich ein weiteres Jahr an der EU-Mission Atalanta vor der Küste Somalias. Der Anti-Piraterie-Einsatz, der seit 2008 läuft, wird dabei erweitert: Kern des Einsatzes bleibt zwar der Schutz der internationalen Seefahrt und der Lebensmitteltransporte der UN für den Krisenstaat Somalia. Jedoch sollen die beteiligten deutschen Einheiten künftig auch an der Bekämpfung des Drogenhandels und des Waffen- und Holzkohleschmuggels beteiligen. Die Obergrenze der eingesetzten Soldatinnen und Soldaten wird von 400 auf 300 verringert.

Für die Verlängerung des Einsatzes stimmten 494 Parlamentarier, 81 stimmten dagegen und 42 enthielten sich. Zuvor hatte Christoph Matschie (SPD) die Debatte eröffnet und die Bedeutung der Seestraße am Horn von Afrika hervorgehoben. Als Beispiel nannte er das Containerschiff, das unlängst unfreiwillig den Suezkanal blockiert hatte und die Folgen, die der Vorfall hatte. „Es ist die Seestraße, durch die 20 Prozent des Welthandels laufen“, sagte der Sozialdemokrat. Deshalb sei es wichtig, diese Seewege weiter zu schützen. Das Vorgehen gegen den Drogenschmuggel sei dadurch legitimiert, da sich dadurch auch bewaffnete Gruppen in der Region finanzierten.

Auch Joe Weingarten (SPD) betonte, dass die Ziele der Mission noch nicht erfüllt seien. „Die Piraten sind nicht weg, sie haben nur umgeschult“, sagte der Sozialdemokrat. Ihre Einkünfte erzielten sie nun durch Drogenschmuggel oder andere illegale Aktivitäten.

Jürgen Hardt (CDU) begründete die Verringerung der Mandatsobergrenze von 400 auf 300 mit erzielten Fortschritten bei der Pirateriebekämpfung. Nun müssten Anstrengungen unternommen werden, um Somalia in die Lage zu versetzen, selbst gegen die Piraterie vorzugehen. „Da sehe ich eine enorm große Aufgabe“, sagte Hardt. Matern von Marschall (CDU) betonte, dass der Weg der Ertüchtigung von Staaten wie Somalia oder jene der Sahel-Zone zwar mühselig, aber notwendig sei.

Thomas Erndl (CSU) bezeichnete die Sicherheitslage in Ostafrika mit Blick auf Staaten wie Äthiopien oder den Sudan als schwierig. Um die Region zu stabilisieren, sei der vernetzte Ansatz auch mit zivilen Projekten wichtig.

Der FDP-Abgeordnete Christian Sauter sagte, dass Atalanta ein gutes Beispiel für Einsätze sei, die auch über einen längeren Zeitraum erfolgreich sind. Seit 2016 seien keine seegehenden Einheiten, sondern nur noch die Seefernaufklärer vom Typ P-3C Orion von Deutschland bereitgestellt worden. „Die Bereitstellung dieser hochwertigen Fähigkeit der Marine steht erneut vor dem Aspekt der mangelnden Verfügbarkeit und technischen Problemen. Dringend muss nun über die Nachfolge des Systems und über eine mögliche Zwischenlösung entschieden werden“, forderte Sauter. Die drohende Fähigkeitslücke werde offensichtlich, so der Liberale.

Jürgen Trittin (Bündnis90/Die Grünen) verwies auf einen schweren Anschlag am Morgen in der somalischen Hauptstadt Mogadischu. Dies zeige, dass die Krise in Somalia, der Staatszerfall, die Nahrungskrise, verschärft durch die Corona-Krise, weiter anhalte. Trittin warnte vor einer drohenden Hungersnot in dem Land, die weite Teile der Bevölkerung treffen könnte. Wenn die Mission Piratenangriffe auf Schiffe des Welternährungsprogramms verhindere, dann sehe er keinen Grund, den Einsatz zu beenden.

Katrin Vogler (Die Linke) sagte, dass Atalanta seit Jahren kein Piratenschiff mehr aufgebracht habe. Das eigentliche Problem liege heute in der Piraterie an der westafrikanischen Küste. Bei den EU-Missionen habe man „zunehmend das Gefühl, dass eine dauerhafte Militärpräsenz aufgebaut werden soll“.

Jan Nolte (AfD) bezeichnete den Einsatz als einen der wenigen, dem seine Partei zustimme. Nolte verwies auf die Erfolge der Mission, die Piraterie sei signifikant zurückgedrängt worden. Der Einsatz diene deutschen Interessen, zudem sei er mit geringen Risiken für die Soldatinnen und Soldaten verbunden.

Irini: Streit um Umsetzung des Waffenembargos

Um ein weiteres Jahr wurde auch die EU-Mission Irini im Mittelmeer verlängert. Mit dem Einsatz, an dem bis zu 300 Soldatinnen und Soldaten eingesetzt werden können, soll in erster Linie das UN-Waffenembargo gegen das Bürgerkriegsland Libyen durchgesetzt werden – was in der Vergangenheit zu Friktionen zwischen Nato-Partnern führte: So verhinderte die Türkei mehrfach, dass Schiffe kontrolliert werden konnten. Umso strittiger war diese Debatte.

Daniela De Ridder (SPD) verwies auf die Berliner Friedenskonferenz im vergangenen Jahr – diese sei ein Meilenstein gewesen. „Der politische Prozess nahm dadurch einen guten Start“, sagte De Ridder. Die Friedensmediation müsse fortgesetzt werden. „EUNAVFOR MED Irini bietet eine tatkräftige Unterstützung für den Berliner Prozess“, bekräftigte die Sozialdemokratin.

Roderich Kieswetter (CDU) hob den seit Oktober geltenden Waffenstillstand in Libyen. Der diplomatische Prozess allein reiche aber nicht aus, deshalb brauche man die Mission Irini. Man zeige „Störern im europäischen Umfeld wie der Türkei, dass ihr Verhalten nicht von uns gebilligt wird“. Für die Türkei sei dadurch großer diplomatischer Schaden entstanden. Kiesewetter weiter: „Es gibt Schwachstellen in der Mission. Sie aber nicht zu leisten, würde den politischen Prozess schwächen.“ Volker Ullrich (CSU) betonte die europäische Dimension des Einsatzes. Mit Irini trage Europa zur Stabilisierung in seiner Nachbarschaft bei.

Der FDP-Politiker Ulrich Lechte betonte, dass man in seiner Partei die Mission von Anfang an kontrovers diskutiert habe. „Mit Irini werden richtige und wichtige Ziele verfolgt, aber man ist leider an vielen Stellen nicht bereit, das nötige zu tun, um diese Ziele zu erreichen.“ Anspruch und Wirklichkeit klafften auseinander, sagte Lechte. Mit der Vorgänger-Mission Sophia habe die Bekämpfung von Schleusernetzen im Vordergrund gestanden, so Lechte, dieser Teil des Einsatzaufgaben sei herabgestuft worden – aus politischen Gründen, da das Thema in Europa äußerst umstritten sei. Das Mittelmeer sei weiterhin die „Grabstätte unzähliger verzweifelter Flüchtlinge, die versuchen, nach Europa zu kommen“, sagte der Liberale und sprach von einem „Armutszeugnis für die Europäische Union und ihre moralischen Werte“. Zudem sei es „blamabel“, wie das Waffenembargo durchgesetzt werde.

Gegen den Einsatz sprach sich Jan Nolte (AfD) aus: „Irini hat nicht das Potenzial, substanzielle Beiträge zur Verbesserung der Lage in Libyen zu erreichen.“ Man habe keine Handhabe, Schiffe zu durchsuchen, wenn der Flaggenstaat dem widerspreche. Irini werde damit zu einem symbolischen Einsatz – zu einem zahnlosen Tiger. In Libyen müsse man aber diplomatisch weiter aktiv sein. Dafür habe die Regierung die Unterstützung der AfD, nicht aber für den Einsatz Irini.

Auch die Linke verweigerte eine Zustimmung zu Irini. Heike Hänsel kritisierte, dass türkische Waffenlieferungen nach wie vor ins Land gelingen. Es ginge bei der Mission lediglich um einen „geopolitischen Fußabdruck in der Region“ und um „Flüchtlingsabwehr“.

Ähnliche Argumente führte Omid Nouripour gegen den Einsatz ins Feld. Man habe das Einsatzgebiet bewusst aus politischen Gründen in ein Gebiet vor der ostlibyschen Küste verlagert, das außerhalb der Flüchtlingsrouten liegt, um „besser wegschauen zu können“, so der Vorwurf des Grünen-Politikers. Dennoch sehe man auch Gutes in Irini. Durch die Dokumentation der Verstöße gegen das Waffenembargo sei man in der Lage, die Staaten zu benennen, die gegen die UN-Resolution verstoßen – was die Bundesregierung aber unterlasse. Nouripour forderte die Bundesregierung auf, Waffenexporte in diese Staaten, etwa die Türkei, Jordanien, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Ägypten, zu verbieten. Seine Fraktion enthielt sich bei der Abstimmung.

Insgesamt stimmten 419 abgeordnete für die Mandatsverlängerung, 142 stimmten dagegen und 48 enthielten sich.

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