Soldaten des Gebirgsjägerbataillons 232 auf dem Gebirgsübungsplatz Reiteralpe. Für sie gilt, was auch für die Einsatzbereitschaft der gesamten Bundeswehr ausschlaggebend ist: Waffensysteme, Munition und Ersatzteile müssen schneller zulaufen als bisher. Foto: Bundeswehr/Jana Neumann

23.11.2022
Von Jan Meyer und Yann Bombeke

Was die Bundeswehr jetzt braucht: Mehr Geld, mehr Tempo – und Führung von vorn!

Berlin. Zweiter Tag der Haushaltsdebatte im Bundestag:  Auf dem Plan stand traditionell auch der Verteidigungshaushalt. Der Bundesvorsitzende Oberst André Wüstner nutzte den Anlass, um dem ZDF einige grundsätzliche Einschätzungen der Lage zu geben – und ein paar sehr deutliche Erwartungen zu formulieren.

Noch nie zuvor sei so viel Druck im „System Bundeswehr“ gewesen, so Wüstner: „Die Lücke zwischen Anspruch, Versprechen und Zusagen einerseits und der Wirklichkeit andererseits ist größer denn je. Natürlich ermöglicht die Truppe, was immer zu ermöglichen ist. Aber Fakt ist: Waffensysteme, Munition oder Ersatzteile müssen schneller als bisher zulaufen!“

Überhaupt sei Tempo ein wesentlicher Faktor: „Beschleunigung und Fortschritt haben in jeder Kategorie höchste Priorität. Das gilt für die Beschaffung ebenso wir für die Steigerung der Attraktivität für Nachwuchsgewinnung und -bindung und alles, was im Koalitionsvertrag in Sachen Bundeswehr vereinbart wurde. Wir müssen weg vom Perfektionismus, hin zu mehr Geschwindigkeit.“ Die Schlüssel-Parameter, sagte Oberst Wüstner, habe Verteidigungsministerin Christine Lambrecht bereits benannt: Tempo, Dezentralisierung, Flexibilisierung. Wüstner: „Nach der Bestandsaufnahme muss es ganz schnell in die Umsetzung gehen!“

Um der prekären Lage bei Munition und Ersatzteile Herr zu werden, müsse sich umgehend Bundeskanzler Scholz einschalten, forderte der Bundesvorsitzende: „Wir brauchen eine Art ‚Kriegswirtschaft‘ bezogen auf unsere Rüstungsindustrie. Das bedeutet:  Aussetzung des Vergaberechts, Beschleunigung mit Blick auf die Vorlagen an das Parlament. Dazu braucht wie beim 100-Milliarden-Paket Führung von vorn, idealerweise aus dem Kanzleramt.“

Mit Blick auf die Zukunft stellte Oberst Wüstner fest: „Der nächste Eckwertebeschluss im März 2023 muss für 2024 bereits einen Anstieg um 10 Milliarden Euro im Einzelplan 14 vorsehen. Andernfalls wird die Bundeswehr die politisch versprochenen Nato-Fähigkeitsziele nicht einmal annähernd erreichen.“

Haushaltsdebatte: Opposition greift Regierung an

Zurück zur Debatte im Bundestag: Dort wurde erneut engagiert gestritten, bevor der Verteidigungshaushalt für das kommende Jahr mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP erwartungsgemäß angenommen wurde. Doch ist dieser Haushalt in der Zeitenwende der große Wurf oder ein Flop? Beide Sichtweisen waren im Bundestag zu hören, je nach Zugehörigkeit zur Regierungs- oder zur Oppositionsbank.

Die Opposition nutzte die Gelegenheit zum Angriff auf die Verteidigungsministerin. So monierte Ingo Gädechens (CDU), dass Christine Lambrecht „ohne Verständnis für die wirklichen Notwendigkeiten“ agiere. Im Vergleich zum Vorjahr sei eine Absenkung um 400 Millionen Euro zu verzeichnen. Trotz gestiegener Betriebskosten und galoppierender Inflation gehe „die Bundeswehr leer aus“. Johann Wadephul, ebenfalls CDU, sagte, die Ministerin wirke „im Tagesgeschäft planlos, mit konzeptionellen Aufgaben völlig überfordert“. Die Zeitenwende finde nicht statt. Auch Kanzler Scholz musste Kritik einstecken: Florian Hahn (CSU), verteidigungspolitischer Sprecher der Union, attestierte Scholz, wortbrüchig zu sein. Diesen Vorwurf hatte bereits am Morgen in der Generaldebatte CDU-Chef Friedrich Merz gegenüber Scholz erhoben.

Verteidigungsministerin Lambrecht wehrte sich, betonte, dass es die Ampel-Regierung sei, die endlich im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik handele. Auch der vielfach von der Opposition geäußerten Kritik, dass das Sondervermögen kaum Ausgaben für Munition vorsehe, widersprach die Sozialdemokratin: „Bewaffnung für Drohnen, für F-35-Kampfjets, Flugabwehrraketen: Es werden Milliarden in Munition investiert, auch über dieses Sondervermögen.“ Auf einer Linie mit der Opposition zeigte sich die Ministerin beim Blick in die Zukunft: „Dieser Haushalt muss aufwachsen, auch angesichts steigender Personal- und Betriebskosten.“

Doch auch von den Koalitionspartnern musste Lambrecht zumindest sanften Druck hinnehmen. So betonte Sara Nanni (Bündnis 90/Die Grünen), dass Geld allein die Lücken in der Bundeswehr nicht schließen werde: „Wir müssen das Geld effizienter ausgeben, bei den Beschaffungen müssen wir priorisieren.“

Neben der Unionsfraktion stimmten am Ende auch AfD und Linke gegen den vorgelegten Einzelplan 14. Gesine Lötzsch (Die Linke) sprach von einer „nächsten Runde des Wettrüstens“, während Rüdiger Lucassen (AfD) der Regierung „Sabotage durch Unfähigkeit“ vorwarf.

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