Wehrbeauftragter: Bundeswehr ist attraktiver geworden
Die «Attraktivitätsoffensive» gehört zu den wichtigsten Projekten der Verteidigungsministerin. Der Wehrbeauftragte sagt: Einige ihrer Maßnahmen wirken gut. Bei Unterbringung und Arbeitszeit hakt es aber noch. Große Defizite sieht er bei der Ausrüstung.
Berlin (dpa) - Die Bundeswehr ist nach Einschätzung des Wehrbeauftragten des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), jetzt ein attraktiverer Arbeitgeber als noch vor zwei Jahren. «Die Bundeswehr ist auf dem Weg der Besserung», sagt er in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Frage: Wirkt die sogenannte Attraktivitätsoffensive?
Antwort: Die Bundeswehr ist als Arbeitgeber schon attraktiver geworden, finanziell und auch was später die Versorgung angeht. Vor allem aber ist der Sinn des Dienstes in der Bundeswehr jetzt noch sichtbarer geworden. Junge Menschen wissen heute, dass die sicherheitspolitischen Risiken auch in Europa wieder größer geworden sind, genauer, wofür ihr Dienst gut ist.
Frage: Seit Januar gibt es eine feste Wochenarbeitszeit von 41 Stunden, Überstunden müssen binnen eines Jahres abgebaut werden. Macht das die Soldaten zufriedener?
Antwort: Bei der Soldatenarbeitszeit, da rumpelt es noch erheblich. Es ist zwar gut, dass jetzt nicht mehr verschwenderisch mit der Arbeitszeit umgegangen werden kann. Es darf aber am Ende nicht so sein, dass es zu Gehaltseinbußen kommt. Denn auch wenn die Soldaten auf bezahlte Überstunden keinen gesetzlichen Anspruch hatten, haben letztlich doch viele mit diesem Geld gerechnet.
Frage: Und wie ist die Unterbringung?
Antwort: Durch die Abschaffung der Wehrpflicht steigt das Durchschnittsalter der Soldaten. Die Bundeswehr wird also immer stärker zu einer Armee von Menschen, die Familie haben. Da heute oft beide Partner arbeiten, wird nicht mehr so viel umgezogen, sondern stattdessen gependelt. Darauf ist die Bundeswehr noch nicht ausreichend eingestellt. Denn diese Pendler wünschen sich oft ein Bett in der Kaserne oder eine andere günstige Unterkunft. Das ist nicht immer der Fall. Ich sehe bei Truppenbesuchen immer noch Sechs-Mann-Stuben, weil jüngere Soldaten, die in der Kaserne wohnen müssen, zusammenrücken, um Platz für ältere Pendler zu schaffen, die dort keinen Anspruch auf ein Bett haben.
Frage: Ist die Bundeswehr familienfreundlicher geworden, so wie es von der Leyen versprochen hatte?
Antwort: In puncto Familienfreundlichkeit ist schon einiges besser geworden, aber der Ist-Zustand scheint mir noch nicht ideal. Vor allem die Idee, dass nicht mehr so häufig und so kurzfristig versetzt werden soll, ist gut.
Frage: Und wie ist die militärische Ausstattung?
Antwort: Entscheidend ist, dass Bewerber nicht mehr auf eine Bundeswehr im Abbau treffen, sondern auf eine Bundeswehr, die wächst und irgendwann auch voll ausgerüstet sein wird. Heute gibt es beim Material immer noch Riesendefizite. Der Etat des Verteidigungsministeriums wächst zwar, aber für die Beschaffung von Ausrüstung werden 2017 wohl nur 150 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen als bisher geplant. Der Rest des Zuwachses fließt in steigende Lohnkosten und die Erhaltung des vorhandenen Materials.
Frage: Was läuft sonst noch nicht rund?
Antwort: Es gibt immer noch zu wenige Frauen. Die Zahl der Bewerberinnen ist zwar auf fast 25 Prozent gestiegen. Doch die Barriere beim Übergang von der Zeitsoldatin zur Berufssoldatin ist immer noch da. Das liegt vielleicht teilweise an der Sorge, die Vereinbarkeit von Familie und Dienst könne nicht gewährleistet sein, möglicherweise aber auch an negativen Erfahrungen, die Frauen im Dienst gemacht haben. Das ist bis ins Detail noch nicht analysiert worden.
ZUR PERSON: Hans-Peter Bartels ist seit Mai 2015 Wehrbeauftragter des Bundestages. Der 55-jährige SPD-Politiker war zuvor Vorsitzender des Verteidigungsausschusses. Der Wehrbeauftragte gilt als «Anwalt der Soldaten». Seine Aufgabe ist es, auf Missstände bei der Bundeswehr hinzuweisen. Die Soldaten können sich mit Beschwerden an ihn wenden.
Interview: Anne-Beatrice Clasmann, dpa