Das Eingangstor für die ankommenden Güterzüge im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Allein in diesem Lager ermordete die SS rund 1,1 Millionen Menschen. Foto: picture alliance/zb/Frank Schumann

Das Eingangstor für die ankommenden Güterzüge im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Allein in diesem Lager ermordete die SS rund 1,1 Millionen Menschen. Foto: picture alliance/zb/Frank Schumann

27.01.2025
Frank Jungbluth

80 Jahre Befreiung Auschwitz – Einsatz in der Hölle auf Erden

Mit einer Gedenkstunde erinnert der Bundestag in diesem Jahr am Mittwoch, 29. Januar, an die Opfer des Nationalsozialismus. Traditionell gedenkt das Parlament rund um den Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau den Menschen, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entrechtet, verfolgt und ermordet wurden. Die diesjährige Gedenkstunde steht im Zeichen des 80. Jahrestages der Auschwitz-Befreiung. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eröffnet die Gedenkstunde um 12 Uhr mit einer Ansprache. Im Anschluss werden Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sowie der Holocaust-Überlebende Roman Schwarzmann Reden halten.

Roman Schwarzmann (*1936 in der Ukraine) wurde im Sommer 1941 aufgrund seines jüdischen Glaubens in das Ghetto in Berschad deportiert. Im März 1944 befreite die Rote Armee das deutsch-rumänisch kontrollierte Ghetto. Heute ist Schwarzmann unter anderem Vorsitzender des ukrainischen Verbandes für jüdische KZ- und Ghetto-Überlebende.

Nationaler Gedenktag seit 1996

2005, zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, führten die Vereinten Nationen den Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust ein. Im Bundestag findet an diesem Tag eine Gedenkstunde statt. Außerdem werden an diesem Tag die Flaggen an Dienstgebäuden des Bundes auf halbmast gesetzt. 

In Deutschland wird bereits seit 1996 am 27. Januar mit dem „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ an die Verbrechen der NS-Herschafft erinnert. Roman Herzog, der damalige Bundespräsident bezog das Gedenken auf all jene Menschen, die „einer willkürlichen definierten Rasse angehörten oder sonst wie vom willkürlich festgelegten Menschenbild abwichen“; und die rassistischen Kategorien der Nationalsozialisten damit zum Opfer fielen. Als Beispiel nannte er, wobei er die Unvollständigkeit betonte, jüdische, behinderte oder homosexuelle Menschen sowie Sintize und Sinti sowie Romnia und Roma. Doch auch den vielen anderen Menschen, die beispielsweise als „asoziale“ gekennzeichnet und verfolgt wurden, ist dieser Tag gewidmet. Viele dieser Gruppen haben lange um eine politische Anerkennung ihrer Opfer ringen müssen.

Daher soll am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus bewusst allen Opfern der nationalsozialistischen Herrschaft gedacht werden. Um den 27. Januar herum finden in ganz Deutschland zahlreiche Veranstaltungen, wie Kranzniederlegungen, Vorträge oder Putzaktionen von Stolpersteinen, statt.

80 Jahre Befreiung Auschwitz – Einsatz in der Hölle auf Erden

Vor 80 Jahren, am 27. Januar 1945, kamen die ersten Soldaten der Roten Armee auf ihrem Vormarsch in Polen im Vernichtungslager Auschwitz an. Sie fanden Leichenberge und tausende halbtote Juden. Die berüchtigte Totenkopf-SS, die das Lager seit 1939 geführt hatte, war mit allen Häftlingen verschwunden, die noch laufen konnten.

Verbrennungsöfen, in denen ausgeglühte Skelette lagen, Berge mit nackten ausgemergelten Leichen und Menschen, die halbverhungert wie Gespenster durchs Lager irrten – den Rotarmisten stockte der Atem. Die Truppen waren hartgesotten und hatten in dreieinhalb Jahren Krieg gegen die Wehrmacht und andere Truppen aus Hitlers Nazi-Reich und seinen Verbündeten einiges erlebt, aber das war zu viel für die Soldaten. Es war ein Einsatz in der Hölle auf Erden.

Zwar hatten die deutschen Bewacher und Massenmörder von der SS versucht, die Spuren ihres gigantischen Völkermordes zu verwischen, Krematorien und Gaskammern gesprengt, aber schnell wurde die unvorstellbare Dimension deutlich – die Deutschen und ihre Helfer hatten ein Jahrhundertverbrechen begangen, das in der Menschheitsgeschichte wahrscheinlich einmalig bleiben würde.

Sechs Millionen europäische Juden wurden während des Holocaust ermordet, 1,1 Millionen allein in Auschwitz-Birkenau, das als Arbeits- und Vernichtungslager mit sechs Gaskammern und vier Krematorien von 1941 an in der Nähe des sogenannten Stammlagers Auschwitz errichtet wurde. Getötet wurden die meisten mit dem Giftgas Zyklon B, das deutsche Chemiker zur Schädlingsbekämpfung entwickelt hatten. Der frühere Chemiekonzern IG Farben, der das Giftgas lieferte, verdiente am Völkermord. Nach dem Krieg zerschlugen die alliierten Siegermächte den Konzern.

Systematische Vernichtung von Juden, Sinti und Roma und weitere Menschen

Nach der Wannsee-Konferenz im Januar 1942, bei der hochrangige SS-Männer und Politiker unter Leitung des SS-Obergruppenführers Reinhard Heydrich die Vernichtung aller Juden, Sinti und Roma in Europa geplant hatten, begann die systematische Vernichtung in sechs Lagern, allein in Polen: Auschwitz, Sobibor, Treblinka, Belzec, Majdanek und Kulmhof. Sechs Millionen Juden wurden umgebracht, dazu hunderttausende Sinti und Roma, russische Kriegsgefangene und viele mehr, auch in Buchenwald bei Weimar, Bergen-Belsen bei Celle in Niedersachsen, in Flossenbürg und vielen anderen Orten wurden tausende Häftlinge getötet, durch Arbeit vernichtet, wie die Nazis zynisch formulierten, durch Hunger umgebracht, zu Tode gequält.

Im Mai 1942 starb Reinhard Heydrich, der als Reichsprotektor für Böhmen und Mähren in der Tschechoslowakei gewütet hatte, nach einem Attentat. Danach benannten die nationalsozialistischen Täter ihren Völkermord als „Aktion Reinhardt“, eine perverse Hommage an den furchtbaren Vollstrecker, der die Vernichtung von Millionen Menschen als seine Lebensaufgabe verstand.

Als die Rote Armee Auschwitz befreit hatte, starben noch tausende der zurückgebliebenen Häftlinge, entkräftet und nicht mehr zu retten. Auch auf den Todesmärschen der SS gab es unzählige Opfer zu beklagen. Immerhin wurde man nach Kriegsende der übelsten Täter habhaft. Rudolf Höß, der das Lager Auschwitz von 1940 bis 1944 geleitet hatte, wurde 1946 nach seiner Flucht über die „Rattenlinie Nord“ in der Nähe von Flensburg aufgespürt, sagte detailliert in den Nürnberger Prozessen aus und bestätigte den Massenmord. Mit Amon Göth, der das KZ Plaszow bei Krakau geleitet hatte und durch den Film „Schindlers Liste“ in jüngster Vergangenheit ins Gedächtnis vieler Deutscher geraten ist, wurde er danach in Krakau vor Gericht gestellt. In diesem Prozess im März 1947 sagte Höß umfassend aus, betonte aber immer wieder, dass er nicht verstünde, warum man ihn anklagen würde – er habe schließlich nur Befehle ausgeführt.

22 Angeklagte im ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess

In Deutschland wollte man nach dem verlorenen Krieg und dem anschließenden Wirtschaftswunder in der Bundesrepublik nichts mehr von der dunklen Vergangenheit wissen, bis der hartnäckige hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer schließlich den ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess mit 22 Angeklagten von 1963 bis 1965 durchsetzte. Sein größter Triumph aber war, den Chef-Logistiker des Holocaust, Obersturmbannführer Adolf Eichmann, in Argentinien aufzuspüren, wo er Arbeit in einem Werk von Mercedes-Benz gefunden hatte. Der israelische Geheimdienst Mossad entführte Eichmann von dort im Mai 1960, man machte ihm den Prozess, ein Ereignis des Grauens, das man bis heute in zahlreichen Filmen sehen kann. „Die Banalität des Bösen“, nannte die jüdische Publizistin Hannah Arendt Eichmanns Auftreten im Gerichtssaal. Die Jüdin, in Hannover geboren, verfolgte das Verfahren. Eichmann wurde zum Tode verurteilt und am 1. Juni 1962 gehängt.

Margot Friedländer, Jüdin aus Berlin, inzwischen 102 Jahre alt, ist bis heute unermüdlich unterwegs, um zu erinnern und zu mahnen: „Die Mission ist, für die zu sprechen, die es nicht geschafft haben. Es sind nicht nur die sechs Millionen Juden. Es sind alle Menschen, die man umgebracht hat. Unschuldige Menschen, so viele Kinder. Menschen haben es getan. Waren es Menschen, die so etwas getan haben?“ Der 27. Januar ist auf Initiative der Vereinten Nationen hin internationaler Holocaust-Gedenktag.

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Alle Ansprechpartner im Überblick