FDP-Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann fordert endlich Taten: „Im Namen der Truppe sollte mal auf den Tisch gehauen werden“
Die FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (62) ist verteidigungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion und Mitglied im Verteidigungsausschuss. Im Gespräch mit dem Deutschen BundeswehrVerband äußert sie Respekt vor der großen Motivation der Soldatinnen und Soldaten angesichts der desolaten Ausstattung. Sie will eine Reform des BAAIN und eine Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr.
Zuletzt hat das BMVg erneut von 74 Prozent materieller Einsatzbereitschaft berichtet. Spiegelt diese Zahl ihre Erfahrungen bei Truppenbesuchen wider?
Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Die vom BMVg erfassten Prozentsätze entsprechen in keiner Weise den Erfahrungen der Soldatinnen und Soldaten. Es fehlt nach wie vor an allen Ecken und Enden. Die neu zum Beispiel zugelaufenen ungeschützten Transportfahrzeuge (90 Prozent Einsatzbereitschaft) statistisch zu vermischen mit nicht funktionierenden Hubschraubern (40 Prozent Einsatzbereitschaft) ist ein unwürdiger Taschenspielertrick. Bei meinen vielen Besuchen und in engem Austausch mit den Streitkräften, erfahre ich, welches Material fehlt. Und daher manch elementare Fähigkeit schlichtweg abgemeldet werden muss, wie beispielsweise beim KSM in Eckernförde, die nach wie vor auf ihre RIBs warten und nicht ausbilden geschweige denn üben können, oder die Marineflieger in Nordholz, welche im Unklaren darüber gelassen werden, wie es mit der Nachfolge der P-3C Orion weitergeht und damit auf die Antwort der Gretchenfrage schlechthin warten, auf lange Sicht die Fähigkeit, U-Boote zu jagen.
Wann wird die Einsatzbereitschaftslage im Verteidigungsausschuss beraten?
Strack-Zimmermann: Ich gehe davon aus in der nächsten Sitzung. Die Bundeswehr muss wachsen, um ihren vielfältigen Aufgaben gerecht zu werden. Wir werden aber nur motivierte junge Frauen und Männer finden, diesen ungewöhnlichen Beruf zu ergreifen, wenn das Material auch zur Hand ist.
Nehmen Sie das Beispiel der berühmt berüchtigten Nachtsichtbrillen. Die ehemalige Verteidigungsministerin von der Leyen hat mit einem riesigen öffentlichen Trallala im Januar 2019 (!) 100 solcher Brillen an die Soldatinnen und Soldaten der VJTF(L) in Neustadt am Rübenberge persönlich übergeben. Versprochen wurde, dass bis Ende 2019, alle für den VJTF-Einsatz Beteiligten, diese Brillen erhalten sollen. Bis heute ist das nicht geschehen. Das ist unfassbar. Es geht um bestes Material für die Ausbildung und letztlich optimalem Schutz für die Truppe. Alles Elementar für die Einsatzbereitschaft und Einsatzbereitschaft ist Attraktivität. Nur so gewinnen wir neues Personal.
Können Sie nachvollziehen, dass nach all den Ankündigungen teils enormer Frust über die materielle Einsatzbereitschaft in der Truppe vorherrscht?
Strack-Zimmermann: Dass die Soldatinnen und Soldaten grundsätzlich immer noch hochmotiviert sind, bewundere ich sehr und verdient höchsten Respekt, aber viele haben die Nase gestrichen voll. Wer zur Bundeswehr geht, um zum Beispiel Hubschrauber Pilot/in zu werden, aber nie – im wahrsten Sinne des Wortes – abhebt, im schlechtesten Fall sogar die Fluglizenz verliert, weil er und sie wegen nicht funktionierendem Material nicht genug Flugstunden absolviert – wer sollte da nicht frustriert sein.
Ich erwarte von der Generalität im Ministerium deutlichere Worte. Auch wenn die Hierarchie es leider so vorsieht, sich hinter der Ministerin und den Staatssekretären einzureihen. Im Namen der Truppe, sollte mit Verlaub mal auf den Tisch gehauen werden. Ich erwarte angesichts der Aufgaben, die vor der Bundeswehr liegen, endlich mal ein Beben im Hause Stauffenbergstrasse 18.
Die Bundesregierung hat sogenannte NATO-Planungsziele unterschrieben, die es bis 2031 zu erreichen gilt. Aktuell gibt es erste Stimmen, die der Auffassung sind, dass Deutschland diese Ziele mit Blick auf die aktuelle Verschuldung enorm nach unten korrigieren sollte. Können Sie das nachvollziehen?
Strack-Zimmermann: Die NATO-Planungsziele nach unten zu korrigieren wäre fatal, ja naiv. Die internationale Sicherheit ist durch die weltweite Pandemie nicht besser geworden. Im Gegenteil. Mächte wie Russland oder China denken gar nicht daran, sich wegen Corona einzurollen und friedliebender zu werden. Und der internationale Terrorismus nutzt jetzt mehr denn je den Rückzug der westlichen Welt, um wieder die Oberhand zu gewinnen. In Sicherheit zu leben hat oberste Priorität. Sicherheit ist die Grundvoraussetzung eines funktionierenden Staatswesens. Erst wenn das gewährleistet ist, können alle Aufgaben innerhalb des Landes erledigt werden.
Heißt, dass Sie auch die notwendigen Steigerungen im Verteidigungshaushalt mitgehen würden?
Strack-Zimmermann: Selbstverständlich. Da hat die Bundesregierung die Freien Demokraten an ihrer Seite. Allerdings geht es nicht nur um mehr Geld. Es geht vor allem auch darum, das viele Geld auf die Straße, in die Luft und auf das Wasser zu bringen und endlich das BAAIN in Koblenz so zu reformieren, dass die erforderlichen Maßnahmen auch schnellstmöglich umgesetzt werden. Wie sollen wir Verteidigungs- und Sicherheitspolitikerinnen den Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss erklären, dass trotz wachsendem Haushalt das dringend benötigte Material nicht bei der Truppe ankommt?
Der Afghanistan-Einsatz läuft aus. Wäre es nicht höchste Zeit, dass die Regierung diesen Einsatz einer Evaluierung unterzieht, um zu vermeiden, dass bestimmte Fehler erneut in anderen Einsatzgebieten gemacht werden?
Strack-Zimmermann: Meine Kollegen im Ausschuss und ich haben in den letzten drei Jahren immer wieder eingefordert, dass die Bundesregierung den Afghanistan Einsatz evaluiert. Das macht nicht nur Sinn in Hinblick auf andere große Einsätze, wie zum Beispiel dem Einsatz in Westafrika, sondern wir schulden es auch den Soldatinnen und Soldaten, die nun seit 20 Jahren in Afghanistan im Einsatz sind. Und wir schulden es ganz besonders den Familien, die ihre Söhne im Einsatz verloren haben. Die Bundesregierung – allen voran der Außenminister, der den Einsatz federführend aufsetzt – hat sich immer davor gedrückt, sich ernsthaft mit der Frage zu beschäftigen, was haben wir bewirkt, was war unmöglich zu verändern, was können wir jetzt noch leisten, welche strategische Wirkung erhoffen wir uns bei solchen Einsätzen für Deutschland, für Europa oder für das Nordatlantische Bündnis? Die Bundesregierung hat nie die Frage zugelassen, ob unsere westlichen Maßstäbe von einem Leben in einer freien Gesellschaft und in einem funktionierenden Staatswesen übertragbar ist auf Länder, die geprägt sind von Stammesgebieten. Es wird dringend Zeit, offen und ehrlich Erreichtes und Unerreichtes zu artikulieren und entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen.
Kürzlich hat der SPD-Vorsitzende verkündet, dass er zum Thema Bewaffnung der fünf Drohnen Heron-TP noch immer nicht zustimmen könne. Die Debatte sei in SPD und Gesellschaft noch nicht in aller Tiefe geführt worden. Wie sehen Sie das?
Strack-Zimmermann: Es macht mich sprachlos. Im Interview in der Rheinischen Post vom 28.12.20 hat Herr Borjans sein Unwissen und sein seltsames Vorurteil der Bundeswehr gegenüber erneut wiederholt und seine Unkenntnis in erschreckender Weise artikuliert. Zitat: „... es gibt in der SPD viele, die ferngesteuertes Töten strikt ablehnen“. Ja was unterstellt der Mann eigentlich unseren Soldatinnen und Soldaten? Und weiter „unter der Lärmglocke von Corona kann man eine solche Frage nicht mal schnell mit einer Haushaltsvorlage und der Bereitstellung von 25 Millionen Euro durchschieben“. Er hat keine Ahnung, und wenn es nicht so ernst wäre, könnte man fast schmunzeln. Nein, mit einer 25 Mio.-Vorlage ist die Bewaffnung nicht umgesetzt. Und hat er eigentlich mitbekommen, dass die Diskussion seit Jahren läuft und vor kurzem Sachverständige im Bundestag dazu angehört wurden? Auch der von der SPD vorgeschlagene Sachverständige Prof. Dr. Andreas Zimmermann von der Universität Potsdam hat sich für die Bewaffnung von Drohnen zum Schutz unserer Truppe ausgesprochen. Er erklärte, dass die Bundeswehr im Gegensatz zu den Streitkräften in den USA, Frankreichs oder Großbritanniens, die Kampfdrohnen einsetzen, eine Parlamentsarmee sei und der Kontrolle durch den Bundestag unterliege. Ein völkerrechtlich verbotener Einsatz der Drohnen könne deshalb ausgeschlossen werden.
Der ahnungslose Chef der alten Tante SPD setzt dann noch einen drauf als er von der Grundhaltung seiner SPD als „Friedenspartei“ spricht und er sich der “Tradition der SPD” verpflichtet sähe. Mit der Tradition ist das eben ein solche Sache. Er vergaß blöderweise die sozialdemokratischen Verteidigungsminister Helmut Schmidt und Peter Struck. Diese werden sich im Grabe umdrehen und die vielen Soldatinnen und Soldaten sich von der SPD abwenden.