Auf dem Podium diskutierte Moderator Oberst a.D. Hans-Joachim Schaprian (2.v.r.) mit dem Verteidigungspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Wolfgang Hellmich (r.), dem Stellvertreter des Generalinspekteurs, Generalleutnant Markus Laubenthal (2.v.l.), und dem Stellvertretenden DBwV-Bundesvorsitzenden, Oberstleutnant i.G. Marcel Bohnert. Foto: FES-GPM

01.07.2022
Von Frederik Koch

Deutschlands Verantwortung für Europa und die Welt

Die 17. Petersberger Gespräche standen im Zeichen der sicherheitspolitischen Zeitenwende.
 
Vor Kurzem konnten nach der üblichen Corona-Pause die Petersberger Gespräche wieder wie gewohnt stattfinden, wenn auch dieses Mal in Königswinter. Die gemeinsam von der Friedrich-Ebert-Stiftung NRW und der Gesellschaft für Sicherheitspolitik durchgeführte Veranstaltung hat wiederum für hochkarätig besetzte Diskussionen und Impulse gesorgt. So traten unter anderem die Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller, der ehemalige Wehrbeauftragte, Dr. Hans-Peter Bartels (als Co-Gastgeber), der Verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Wolfgang Hellmich, sowie der Stellvertreter des Generalinspekteurs, Generalleutnant Markus Laubenthal, auf die Bühne der Petersberger Gespräche. Mit den beiden letzteren konnte der Stellvertreter des Bundesvorsitzenden, Oberstleutnant i.G. Marcel Bohnert, für den Deutschen BundeswehrVerband auch intensiv die Bedeutung der Zeitenwende auf die Bundeswehr – und die Gesellschaft – in demselben Panel diskutieren.
 
Neben dem durch den Bundeskanzler mit der Zeitenwende verknüpften Sondervermögen, das auch Marcel Bohnert in seinem Eingangsstatement als wichtigen, aber ersten Schritt von notwendigen weiteren für die Bundeswehr benannte, durfte der Anlass der Zeitenwende nicht in den Hintergrund geraten. „Die Ukrainer lassen uns jeden Tag sprachlos zurück“, kommentierte Siemtje Möller die Entschlossenheit, mit der die Bürgerinnen und Bürger ihr Land seit knapp vier Monaten gegen die übermächtigen russischen Angreifer verteidigen. Marcel Bohnert knüpfte daran an und hob die Bedeutung von Mindset und Kampfmoral hervor: Einsatzbereitschaft sei mehr als eine rein zahlenmäßige Überlegenheit – viele historische Beispiele zeigten, dass sie in hohem Maße von der Motivation und dem Kampfgeist der Kämpferinnen und Kämpfer abhing. Bundeswehrintern und gesamtgesellschaftlich müsse man sich damit ehrlich auseinandersetzen. Dazu gehörte auch, sich wieder mehr an militärische Bewegungen großer Einsatzverbände im Inland oder pathetische Begriffe wie „Kriegstüchtigkeit“ und „Kriegstauglichkeit“ zu gewöhnen.

Die Verbesserungen, die die Bundeswehr durch das 100-Milliarden-Euro-Paket zu erwarten hätten, wären laut Bohnert vor allem ein Zeugnis der Defizite aus der Vergangenheit: „Wir sprechen deshalb in Bezug zu Maßnahmen aus dem Sondervermögen auch nicht von Aufrüstung, sondern von Ausrüstung der Bundeswehr. Auch wenn es vermessen klingen mag: Diese gigantische Zahl mit elf Nullen ist am Ende gerade einmal dazu geeignet, die akuten Probleme der Truppe zu lindern. Um eine nachhaltige Wirkung auf die Einsatzbereitschaft zu erzielen, ist eine langfristige Verstetigung des Haushaltes unumgänglich.“
 
Ein weiteres spannendes Themenfeld war die zukünftige Entwicklung der NATO und der EU, die nicht nur vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine vor Reformen stehen und die eigene Zusammenarbeit neu definieren müssen. Das ist auch dringender denn je, denn Russland ist nicht die einzige riesige Herausforderung, die das 21. Jahrhundert bereithält. Mit einem immer stärkeren China, weiteren selbstbewusst auftretenden autoritären Staaten, einer sich wandelnden, weniger freien Globalisierung mit deutlichen Auswirkungen für alle Lebensbereiche sowie dem Klimawandel mit seinen ab- und unabsehbaren Folgen: Es ist gut und wichtig, dass breiten Teilen der Gesellschaft in ganz Europa klargemacht wird, dass Streitkräfte kein Selbstzweck, sondern wichtiger Bestandteil dafür sind, dass unser freiheitlich-demokratisches und sozial-marktwirtschaftliches Gesellschaftsmodell überleben kann. Frei nach Ludwig Erhard könnte es also genau so gut auch heißen: „Sicherheit ist nicht alles, aber ohne Sicherheit ist alles nichts.“

Insofern waren die 17. Petersberger Gespräche zur Sicherheit eine gute, sachorientierte und konkrete Gelegenheit für diesen Austausch. Aber gleichzeitig auch ein wichtiges Zeichen. Denn im Sinne einer strategischeren Auseinandersetzung mit sicherheitspolitischen Themen ist das Möglichmachen breiter und tiefer Debatten essenziell.

Die wesentlichen sicherheitspolitischen Entwicklungen in NATO und EU sowie die speziellen Themen der diesjährigen Petersberger Gespräche werden derzeit von Dr. Ingo Wagner und Oberst a.D. Hans-Joachim Schaprian in einem Buch mit dem Titel „Sicherheitspolitische Zeitenwende – Deutsche Haltung zu den außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen“ zusammengefasst. Neben NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und der Bundesministerin der Verteidigung Christine Lambrecht wird u.a. auch Oberstleutnant i.G. Marcel Bohnert einen themenbezogenen Aufsatz beisteuern. Der von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebene Buchband wird als Beitrag zur Intensivierung der sicherheitspolitischen Diskussionen kostenfrei an interessierte Bürgerinnen und Bürger abgegeben.

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