„Auch Space ist ein Baustein auf dem Weg zur Kriegstüchtigkeit“: General Carsten Breuer hielt das Schlusswort beim Space Day in Hamburg. Foto: DBwV/Philipp Kohlhöfer

„Auch Space ist ein Baustein auf dem Weg zur Kriegstüchtigkeit“: General Carsten Breuer hielt das Schlusswort beim Space Day in Hamburg. Foto: DBwV/Philipp Kohlhöfer

12.07.2024
Von Philipp Kohlhöfer

Das Weltall ist wichtig für unseren Alltag

Wollen wir unser Leben so weiterführen, wie wir das im Moment tun, spielt der Weltraum eine entscheidende Rolle. Das gilt aber auch, wenn es darum geht, die Bundeswehr kriegstüchtig zu machen. Ein Besuch beim Space Day an der Führungsakademie der Bundeswehr.

Hamburg. Und über allem schwebt Russland. Eigentlich soll am Space Day Ende Juni an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg über den Weltraum geredet werden. Der LGAN 2022, der zweijährige Lehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National, präsentiert dort seine Ergebnisse. Das Thema: Die Dimension Weltraum auf dem Gefechtsfeld der Zukunft. Der Tag umfasst Workshops und Vorträge und sogar einen simulierten Weltraumflug.

Rund 120 Soldaten haben zu militärischen Problemstellungen geforscht, Analysen und Lösungsvorschläge erarbeitet. Jeder von ihnen ist handverlesen, bewerben kann man sich nicht, man wird ausgesucht. Es ist der längste und anspruchsvollste Lehrgang im Rahmen der Offiziersausbildung. Viele der Teilnehmer werden später Führungspositionen einnehmen. Da kann es nicht schaden, schon jetzt den Blick auf den Weltraum als militärische Dimension zu schärfen. Einerseits spiegelt das All die politischen Verhältnisse auf der Erde. Erst im April 2024 scheiterte eine von den USA und Japan eingereichte Resolution im UN-Sicherheitsrat gegen das Wettrüsten im All an dem Widerstand Russlands. Andererseits: Bei Kommunikation, bei Navigation, bei der Steuerung von Stromnetzen, bei Kontoüberweisungen, bei der Wettervorsage geht nichts ohne Weltraum-gestützte Dienste. Immerhin hängen nach Branchenangaben bereits zwölf Prozent der europäischen Wirtschaft von der Satellitennavigation ab.

„Weltraum“ sagt Oberstabsfeldwebel Heiko Stotz, Vorsitzender Luftwaffe im DBwV und somit auch zuständig für das Weltraumkommando der Bundeswehr, „ist eine lang unterschätze Dimension. Bei Konflikten spielt sie bereits jetzt eine wichtige Rolle. Aber die Bedeutung wird noch zunehmen.“

Denn der Weltraum ist kein konfliktfreies Gebiet. Seine zunehmende Nutzung führt zu Interessenkonflikten zwischen Staaten. Verkürzt gilt: Russland und China auf der einen Seite, die Verbündete der NATO auf der anderen. 2019 hat daher unter anderem Deutschland den Weltraum als eigenständige operative Dimension anerkannt. Damit einher geht der Aufbau von Strukturen, um potenziellen Gegnern die Nutzung ihrer Fähigkeiten etwas schwerer zu machen. Von den Lehrgangsteilnehmern gibt es dazu acht Pitches zu hören, darunter etwa „Weltraum zwischen Konflikt und Kooperation“ und „Future Warfare“. Während letzteres sich vor allem um Konnektivität und Multi-Domain Operations dreht, um die Waffen auf dem künftigen Schlachtfeld besser zu koordinieren, geht es im anderen Workshop eher um das Zusammenwirken der verschiedenen Player. Deutschlands Beitrag, das ist schnell klar, ist ausbaufähig. Während die USA für mehr Planungssicherheit sorgen und in den neun Jahren zwischen 2020 und 2029 121 Milliarden Dollar in ihre Fähigkeiten im Weltraum investieren, stellt die ESA für die kommenden drei Jahre knapp 17 Milliarden Euro zur Verfügung, 22 Mitgliedstaaten, Deutschland zahlt als größter Beitragszahler 21 Prozent. In private Forschung investieren die USA sechs Milliarden Dollar im Jahr, die Deutschen dagegen zehn Millionen.

Dabei führe, sagt einer der Teilnehmer, Informationsüberlegenheit immer auch zu Entscheidungsüberlegenheit, was eine Überlegenheit auf dem Schlachtfeld bedeute. Die Total Force Fitness sei entscheidend und das ginge eben nicht ohne den Weltraum. Dass die Dimension Weltraum nicht unterschätzt werden darf, zeigt auch der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Immer wieder stören die Russen dort, aber auch im Baltikum und Polen, das GPS-System. Die ukrainische Armee ist zudem in ihrer Kommunikation auf das Starlinksystem angewiesen – ohne Satelliten fliegen etwa keine Drohnen. Teil der Kriegsführung ist der Weltraum ohnehin bereits jetzt. Am 24. Februar 2022 um 04:02 Uhr, eine Stunde vor dem russischen Überfall auf die Ukraine, attackierte Russland den kommerziellen Satelliten-Breitbanddienst KA-SAT. Der Angriff verursachte Kommunikationsausfälle in der Ukraine und in ganz Europa - aber das war nur der Nebeneffekt. Die ukrainische Armee nutzte KA-SAT für die Koordination komplexer Waffensysteme. Von diversen russischen und chinesischen Satelliten ist zudem bekannt, dass sie sich anderen Satelliten annähern und deren Datenverkehr mithören. Die Fähigkeit, andere Satelliten abzuschießen, gibt es ohnehin.

Stotz sagt: „Die moderne Kriegsführung macht es zwingend notwendig, dass wir uns mit unseren Fähigkeiten im All auseinandersetzen und immer besser werden.“

Russland schwingt denn auch Thema immer mit. „Richten wir unser Handeln danach aus“, sagt Generalinspekteur Carsten Breuer in seinem Schlusswort. 2029 habe Russland seine Streitkräfte so weit wiederaufgebaut, dass es NATO-Territorium an¬greifen könne. Anderthalb Millionen Soldaten gebe es nach der Wehrreform dann in Putins Reich, die personelle Vorkriegs¬stärke ist damit verdoppelt. Das sind mehr, als alle EU-Staaten zusammen haben. Zudem baue das Land 1500 Panzer im Jahr. „Personal plus Material plus Intention”, sagt er. Man könne sich ja ausrechnen, was daraus folge. Er verweist auf das Weißbuch 2014, damals, nach Beginn des russischen Krieges im Donbas, habe man vorhergesagt, dass Russland acht Jahre später gerüstet sei für einen großen Krieg. Breuer sagt: „Auch Space ist ein Baustein auf dem Weg zur Kriegstüchtigkeit“.

Unter diesen Bedingungen ist es auch zu erklären, warum die Europäer vor wenigen Tagen  Ariane 6 gestartet haben. Die Rakete ist teurer als die der Konkurrenz von SpaceX, zudem nicht wiederverwertbar. Manche „Falcon 9“ sind inzwischen 20-mal hintereinander ins All geflogen, das senkt die Kosten pro Start auf 67 Millionen Dollar. Der Preis für einen Flug liegt mit der Ariane 6 wohl bei knapp 100 Millionen Euro.

Aber eine eigene Rakete verschafft Unabhängigkeit: Man kann nach Belieben Spionage- und Wettersatelliten starten, Wissenschaftsmissionen auf den Weg bringen und fliegende Navigationshelfer. In diesem Bereich hat Europa mit Galileo bereits ein System aufgebaut - um in einem Bereich der kritischen Infrastruktur nicht auf Amerikaner, Chinesen oder Russen angewiesen zu sein.

Dennoch: Die Bilanz ist ausbaufähig. Von 223 Raketenstarts im vergangenen Jahr entfielen alleine auf SpaceX 98. Auf ganz Europa: 3. Auch was die deutsche Weltraumfähigkeit und die Kriegstüchtigkeit der Gesellschaft angeht gilt: Der Weg ist noch weit. Aber er muss gegangen werden.

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