Der DBwV und die EU – die europäische Außen- und Sicherheitspolitik kurz vor der Europawahl
Die europäische Außen- und Sicherheitspolitik ist für viele Jahre kein wichtiges Thema auf der Agenda der EU gewesen. Wirtschaftspolitik oder Finanzpolitik bekamen Aufmerksamkeit, da mit diesen auch Wahlen gewonnen werden können und die Bürgerinnen und Bürger sich dafür interessierten. Nachdem die Ukraine angegriffen wurde, hat sich die Prioritätenliste verschoben, sodass Verteidigung wieder eine Rolle in der Politik, aber auch im Alltag spielt. Da jedoch über Jahre hinweg ein Sparkurs gefahren wurde, sind die Lücken in der Europäischen Verteidigung entsprechend groß.
Welche Aufgaben bestehen aktuell in der Verteidigungspolitik?
Eine Verteidigungsfähigkeit der Europäischen Union ist nicht vorhanden. Sie leidet darunter, dass die einzelnen Länder mehrheitlich in den beiden letzten Jahrzehnten wenig in ihre Armeen investiert haben. Deshalb stehen viele Länder nun vor dem Problem, dass sie kaum Personal haben, wenig Ausrüstung und Geräte sowie nicht geübt für den Verteidigungsfall sind. Als Ausnahmen gelten Länder wie Estland oder Polen, die bereits vor aber auch nach dem Angriff durch Russland auf die Ukraine in ihre Armeen investiert haben. Vorbilder sind auch die skandinavischen Länder, da beispielsweise Finnland langfristig eine große Reserve aufgebaut hat, die im Ernstfall alarmiert wird. Auch hier waren und sind einzelne Länder besser vorbereitet als die EU als Ganzes. Das Problem des fehlenden Personals und der mangelhaften Ausrüstung besteht, weil die EU-Staaten zu lange daraufgesetzt haben, dass kein Land als aggressiver geopolitischer Akteur auftreten wird. Nun wurden sie im Februar 2022 eines Besseren belehrt und suchen nach Lösungen. Der Vorschlag einer Europäischen Armee scheiterte bereits am 30. August 1954 vor der französischen Nationalversammlung und ist aktuell auch kaum umsetzbar. Es müssen also Alternativen gefunden werden.
Gemeinsame Beschaffungen
Mit dem Status Quo, dass jeder Staat seine eigenen Streitkräfte besitzt, richtet sich der Blick auf die Effizienz innerhalb der Europäischen Union. Da aktuell die Länder im Wesentlichen nur für sich Material einkaufen und bei den Rüstungsherstellern bestellen, fließt zwar viel Geld in die Verteidigung, aber sie kommt nicht optimal an. Im Jahr 2022 gaben die EU laut SIPRI-Bericht rund 315 Milliarden Euro für Militär aus, Spitzenreiter bleiben aber die USA mit 877 Milliarden Euro an Militärausgaben. Die Milliarden an Geld spiegeln sich jedoch leider nicht so stark wie gewünscht in der Verteidigungsfähigkeit Europas wider. Es braucht eine gemeinsame Beschaffung, um Gelder effizient zu nutzen. Diese Erkenntnis ist inzwischen auch in Brüssel angekommen; erste Schritte in die richtige Richtung wurden unternommen. So soll das Instrument EDIRPA dafür sorgen, dass die EU-Mitgliedsstaaten ihre Rüstungsbeschaffungen gemeinsam durchführen. Das ist zu begrüßen – nun dürfen die Anstrengungen in diesem Bereich nicht nachlassen, damit die Europäische Union ihre Gelder effizient einsetzt.
Gemeinsame Übungen
Im Idealfall ist die Europäische Union bald besser aufgestellt, mit mehr Truppen und besserem Material. Dann fehlt der EU trotzdem noch die Übung, wie Einsätze ablaufen müssen. Diese Fähigkeitslücke wurde in vielen Ländern erkannt; aus diesem Grund fand im Oktober 2023 in Spanien die Übung MILEX-23 statt. Diese brachte 2800 Soldatinnen und Soldaten aus neun EU-Ländern zusammen, die verschiedene Aufgaben für den Ernstfall probten. Diese Übung soll nun jährlich im Rahmen der Europäischen Sicherheitsstrategie stattfinden mit immer mehr teilnehmenden Ländern – und wird auch dringend benötigt. Um die Verteidigungsbereitschaft wirklich zu stärken, braucht es viel mehr solcher gemeinsamen Übungen.
Mobilität
Weitere Aufgaben liegen in der Bürokratie der Europäischen Union. Damit in einem Ernstfall Truppen und Material von Punkt A zu Punkt B innerhalb der EU gelangen, braucht es ausgebaute, einheitliche Verkehrsnetze. Die Existenz davon wird als Militärische Mobilität zusammengefasst. Aktuell sieht die Mobilität nicht gut aus, da Verkehrsnetze nicht kompatibel gebaut wurden oder auch gerade in Deutschland Brücken eine Überquerung von Panzern nicht aushalten. An dieser Stelle müssen alle europäischen Länder eng zusammenarbeiten und ihre Netze ausbauen, damit Truppenverlegungen über die Länder möglich sind. Deutschland bekommt dabei eine besondere Rolle, da es die logistische Drehscheibe wird, die viele passieren müssen.
Bürokratiehürden
Ein Problem stellt außerdem die verordnete Einstimmigkeit für Entscheidungen der Sicherheitspolitik in den EU-Institutionen dar. In anderen Bereichen wird die qualifizierte Mehrheitsentscheidung akzeptiert, womit viel eher Mehrheiten zusammenkommen. Die Einstimmigkeit verhindert oftmals, dass eine Entscheidung getroffen werden kann. Eine langsame Entscheidungsfindung oder noch schlimmer gar keine geeinte Position kann sich die EU nicht mehr leisten.
Erwartungen des DBwV
Mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen, vor denen die Europäische Union in der Verteidigungspolitik steht, hat der DBwV seine Erwartungen für die Zukunft erarbeitet. Sie umfassen diese drei Gebiete und sind im Anhang nachzulesen:
- Bessere und einheitlichere Arbeitsbedingungen für Menschen in Streitkräften
- Außen- und Sicherheitspolitik der Realität anpassen
- Sicherheitsarchitektur durch Militärische Mobilität, EU RDC und gemeinsamen Übungen stärken
Dieser Artikel ist Teil einer Serie, die wichtige Zusammenhänge in Europa beleuchtet und unseren Mitgliedern nahebringen soll.