Im Juli initiierte Eberhard Braun und der Verein ein "Fest der Begegnung", auf dem ein Spielplatz eingeweiht wurde. Foto: Eberhard Braun

Im Juli initiierte Eberhard Braun und der Verein ein "Fest der Begegnung", auf dem ein Spielplatz eingeweiht wurde. Foto: Eberhard Braun

05.11.2015
bs

Die Ungewissheit ist das Schlimmste...

Durch Krieg vertrieben, an Armut verzweifelt – Flüchtlinge in Deutschland hoffen nach den Strapazen der Flucht auf ein besseres Leben, aber sie stehen auch hier vor Problemen: Angriffe auf Asylunterkünfte von außen, Gewalttätigkeiten in überfüllten Flüchtlingsheimen von innen, überforderte Behörden – von geglückter Aufnahme, gar Integration redet keiner.

All diese Probleme sind vermeidbar, findet Eberhard Braun, Oberst a.D.. Er ist seit über 40 Jahren DBwV-Mitglied, seit Anfang des Jahres Vereins-Vorsitzender des Netzwerks Solidarität Friesenheim e.V.. Dieser junge Verein hilft derzeit ca. 160 Flüchtlingen, von denen rund 90 Prozent aus dem Balkan stammen. Sie sind in einem Militärverwaltungsgebäude auf dem ehemaligen Militärflughafen in Lahr untergebracht. Kein Idealstandort, denn die Unterkunft liegt rund drei Kilometer von der nächsten Ortschaft entfernt, Busse fahren nur eingeschränkt.

Um die Situation zu erleichtern, koordiniert Eberhard Braun ehrenamtlich Fahrdienste in die nächste Stadt, beispielsweise für Arzttermine. Außerdem kümmert er sich um die Beschaffung von Winter-Kleidung oder hilft bei der Vermittlung von Deutschkursen. Im Sommer wurde ein Fest mit Anwohnern organisiert.

Die Lage der Unterkunft war von Anfang an umstritten. Aus Angst vor Übergriffen in der Abgeschiedenheit wurde Security-Personal geordert: „Der Wachschutz kommt aus zivilen Unternehmen und dient eigentlich dem Schutz der Asylbewerber nach außen, hat aber den interessanten Nebeneffekt, dass die Polizei auch bei Unruhen unter den Flüchtlingen verständigt wird. Durch den Wachschutz schaut die Polizei häufiger nach dem Rechten als in anderen Einrichtungen“, so der 62-Jährige.

Damit laufe das gemeinschaftliche Leben im kleinen Friesenheim strukturierter. Aber was die Großwetterlage angeht, ist die Lage keinesfalls unter Kontrolle. Beim ehemaligen Abteilungsleiter „Kommando Territoriale Aufgaben“ stößt die monatelange Planlosigkeit der Regierung auf Unverständnis: „Wir haben bei der Bundeswehr in Zusammenarbeit mit den Ländern seit vielen Jahren Katastrophenschutz koordiniert. Eine erste Bewährung für dieses neue Kommando war beispielsweise das Elbehochwasser 2013. Mit diesen Erfahrungen kann man auf Pläne zurückgreifen“, sagt Eberhard Braun. „Ich wundere mich, dass das nicht schon früher gemacht wurde. Wir haben immer auf eine Zusammenarbeitsstruktur hingearbeitet und alle Planungen dokumentiert. Es gibt so viele Maßnahmen, die man aus dem Katastrophenschutz ableiten kann, vorhandene Planungsgrundlagen, damit die Organisation schneller vonstatten geht!“

Aber auch wenn es schneller geht, gibt es Kritik – allerdings aus den Kasernen: Liegenschaften der Bundeswehr werden plötzlich modernisiert, nachdem die Pläne dafür so lange brach lagen: Unrenovierte Stuben, sanitäre Einrichtungen, Heizungen. Einige Soldaten sind verärgert, dass nun alles so schnell geht, nachdem sie selbst so lange darauf gewartet haben. Diesen Vorwurf kann Eberhard Braun nachvollziehen:
„Es müssen aber trotzdem Fakten geschafften werden! Bei militärischen Liegenschaften für Soldaten muss man andere Maßstäbe ansetzen als bei Flüchtlingsfamilien. Eine Sechs-Mann-Stube für Kasernenpflichtige mit gemeinsamer Dusche und Toilette ist zumutbar. Aber als Flüchtlingsunterkunft ist die Situation eine andere. Da funktioniert keine gemischte Belegung: Eine Frau aus einem anderen Kulturkreis benutzt keine gemischte Dusche, sondern geht nur allein. Das sind Unterschiede, die muss man reflektieren“, so Eberhard Braun.

Ein weiteres Problem ist die ungewisse Zukunft der Flüchtlinge, vor allem die schlechten Zukunftsaussichten der Asylbewerber aus dem Balkan. Als Vorsitzender des Netzwerkes Solidarität Friesenheim steht Eberhard Braun vielen betroffenen Familien sehr nahe, die an ihrer derzeitigen Situation verzweifeln: „Da ist zum Beispiel eine Frau, deren Mann getötet wurde. Sie hat vier Jungen: elf Monate, fünf, sechs und sieben Jahre alt. Es sind sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge, die nun schneller abgeschoben werden sollen. Wenn aber ein Vater oder eine Mutter die Familie im Heimatland nicht vernünftig ernähren kann, dann würde ich doch auch weggehen. Dass das über das Asylrecht nicht sauber geklärt wird, ist klar. Aber dann müssen andere Wege der legalen Einreise geschaffen werden.“

Viele Flüchtlinge sind bereits mehrere Monate hier, ohne Status. Die emotionale Belastung ist hoch, auch für den Ehrenamtlichen: „Je schneller über einen Antrag entschieden wird, desto besser. Das ist doch eine ganz andere Lebensprognose. Man muss ihr Leben mal vor dem Hintergrund der Unterkunft betrachten: „Ein Leben auf vier Quadratmetern, zwei Quadratmeter davon nimmt allein die Liege weg, kein Spind, keine Intimsphäre, unterschiedliche Kulturen und Vorstellungen. Integration funktioniert erst, wenn jemand eine anständige Perspektive hat. Wenn man weiß: Ich kann bleiben und muss mich nicht mehr in dieser dunklen Fragezeichenwolke bewegen.“

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