Zeitenwende nicht verschlafen
Innere und äußere Sicherheit gesamtstaatlich denken!
Berlin. Der DBwV ist sich sicher: Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren wir so stark bedroht wie heute: Unsere Demokratie, unsere Gesellschaftsordnung, unsere freiheitliche Lebensweise stehen massiv unter Druck. Die Reaktion darauf kann nur eine massive Verbesserung der gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge sein, sagt der Bundesvorsitzende Oberst André Wüstner. Doch anstatt alles daranzusetzen, unsere Wehrhaftigkeit nachhaltig zu stärken, schlafwandeln große Teile von Politik und Gesellschaft, als sei nichts geschehen, im Bequemlichkeits-Modus auf einen Abgrund zu.
Putin destabilisiert Europa, wo immer er kann
Bedrohung durch Russland, das bedeutet nicht zwangsläufig die Gefahr des Angriffs eines russischen Armeekorps. Natürlich können wir in den kommenden Jahren keinen konventionellen Krieg an der Bündnisgrenze mehr ausschließen, erläutert Oberst Wüstner. Tatsache sei aber, dass Deutschland und Europa schon lange hybriden Angriffen ausgesetzt ist – genannt seien die Vielzahl von Cyber-Attacken oder die unzähligen Desinformationskampagnen. Wladimir Putin weicht kein Stück von seinen imperialistischen Zielen ab, im Gegenteil: Er destabilisiert Europa, wo immer er kann. Er zündelt auf dem Balkan, schickt Söldner nach Afrika und erhöht den Migrationsdruck auf Europa. Global sehen wir eine Achse Russland-Iran-Nordkorea-China, die gegen die regelbasierte Weltordnung agiert, Grenzen und Einflusszonen verschiebt und Recht und Freiheit zu Gunsten von Autokratien einschränken will.
Diese Entwicklung muss endlich verstanden werden – und es müssen Konsequenzen folgen. Innere und äußere Sicherheit sind die Kernaufgaben eines Staates. Die Stärkung unserer Wehrhaftigkeit ist ein politischer, struktureller und gesellschaftlicher Prozess. Der Bundesvorsitzende: „Ich kann mir nicht erklären, weshalb man die Herstellung der Verteidigungsbereitschaft nach außen nicht massiv beschleunigt und zugleich die Feinde der Demokratie im Innern aufmarschieren lässt.“ Es scheine nicht nur die Welt aus den Fugen geraten zu sein, sondern auch die eigene Staatsräson mit Blick auf unser Streben nach Frieden und Sicherheit.
Alle sind gefordert
Für Oberst Wüstner liegen die Folgerungen auf der Hand: „Es reicht nicht, wenn sich Verteidigungsminister Pistorius oder einige wenige Verteidigungs-, Innen- oder Außenpolitiker dazu Gedanken machen.“ Gefordert seien jetzt die Bundesregierung und Bundestagsfraktionen in Gänze ebenso wie die Landesregierungen sowie -parlamente. Deutschland müsse sich mit Blick auf mögliche Bedrohungsszenarien wieder härten. Dazu gehöre nicht nur die Stärkung der Bundeswehr, sondern auch von BND, Verfassungsschutz und Polizei, gleichzeitig müssten die teils überzogenen rechtlichen Auflagen für diese Instrumente gelockert werden.
Wesentlich sei in diesem Zusammenhang die Ausgestaltung der nationalen Sicherheitsstrategie zu beschleunigen, insbesondere die „Rahmenrichtlinie Gesamtverteidigung“. Mit Blick auf den 7. Oktober, den barbarischen Angriff der Hamas auf Israel und den zunehmenden, teils gewaltsamen Protesten inklusive der steigenden Terrorgefahr, muss die Frage gestellt werden, wie wir auf Gefahren im Innern – Stichwort: Innerer Notstand, wenn die Polizei nicht mehr ausreichend agieren kann – vorbereitet sind.
Zielgröße von 203.300 Soldatinnen und Soldaten muss erreicht werden
Bezogen auf das Thema Personal sagte Wüstner, in diesem Bereich konkurrenzfähig zu werden, sei wesentliche Voraussetzung für eine einsatzbereite Bundeswehr. Erreicht werden müsse die Zielgröße von 203.300 Soldatinnen und Soldaten, tatsächlich benötigt würden sogar mehr. Unverzichtbar sei dafür eine Verbesserung der Informationsarbeit. Oberst Wüstner: „Dazu müsste der Epochenbruch auch in den Kultusministerien ankommen. Sollte nicht mehr zur gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge unterrichtet, über die Bundeswehr, Polizei oder Katastrophenschutz informiert, gerne auch geworben werden? Was ist schlecht daran, unserem Land zu dienen und unseren Frieden, unsere Freiheit zu verteidigen? Gelingt es der Bundesregierung nicht, die Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr mit Blick auf unsere Zivilbeschäftigten und Soldaten zu stärken, werden wir nicht darum herumkommen, uns mit Konzepten des Dienstjahres oder der Wehrpflicht erneut auseinanderzusetzen. Besser, wir fangen mit der Erarbeitung entsprechender Konzepte heute schon an!“
Schließlich muss die Zeitenwende in den Parteien ankommen, Top-Thema auf jedem Bundes- und Landesparteitag werden. Politik muss mehr denn je erklären, warum und wofür wir in Zukunft mehr Geld in unsere Sicherheitsvorsorge investieren müssen.
Aus der Sicht des Verbandes ist der Verteidigungsminister sicher auf dem richtigen Weg – aber leider ist er damit weitestgehend allein. Schauen wir auf die Bundeswehrtagung Ende der Woche und hoffen, dass von da aus ein Ruck durch das Land geht!