„So is et“ und Andreas Ostholt bei den Badminton Horse Trials 2016. Foto: picture alliance / empics | Steve Parsons

„Wenn man wirklich an etwas glaubt, kann man vieles erreichen“

Vielseitigkeitsreiter, Sportsoldat, Mitglied im Deutschen BundeswehrVerband: der 45-jährige Andreas Ostholt hat sein Leben den Pferden gewidmet. Ein Besuch bei Ostholt in der Pferdestadt Warendorf.

„So is et“ und Andreas Ostholt bei den Badminton Horse Trials 2016. Foto: picture alliance / empics | Steve Parsons

Von Christian Höb

Scheinbar mühelos fliegen Reiter Andreas Ostholt und sein Pferd Corvette über die Hindernisse. Es ist Ende März, sie trainieren auf dem Allwetterplatz der Bundeswehr-Sportschule in Warendorf. Beim Sprung sieht selbst der ungeübte Beobachter, wie die Muskeln von Corvette arbeiten, die Mischung aus Kraft und Eleganz lässt Tier und Reiter abheben. Der Schweiß lässt das braune Fell des Pferdes glänzen, an einigen Stellen wirkt es sogar fast schwarz.

„Es ist ähnlich wie beim Computer“, erklärt Vielseitigkeitsreiter und Sportsoldat Andreas Ostholt das Zusammenspiel von Reiter und Tier. „Ich sehe mich eher als Software, das Pferd ist die Hardware. Denn im Endeffekt muss das Pferd die Athletik, die Kraft, die Schnelligkeit an den Tag legen und ich gebe die Impulse.“ Zum Beispiel mit den Oberschenkeln, den Händen oder auch mal mit der Stimme. „Im Idealfall sieht der Betrachter von außen gar nicht, was der Reiter eigentlich macht. Das soll alles möglichst unauffällig passieren.“ An diesem bewölkten Mittwoch in Warendorf sieht es für die Beobachter sehr unauffällig aus.

Moderne Stallanlage in Warendorf

Beim Vielseitigkeitsreiten reizt Hauptfeldwebel Ostholt, der auch Mitglied im DBwV ist, der Mehrkampf aus Dressur, Springen und Geländeritt. „Das Geländereiten gibt mir immer einen kleinen Adrenalinkick“, sagt er und lacht. 2016 belegte er bei den Badminton Horse Trials den zweiten Platz, „das ist so was wie das Wimbledon im Tennis“, erklärt Ostholt. Zweimal hat er schon die Deutsche Meisterschaft gewonnen (2011 und 2015). Ende März ist Ostholt 45 Jahre alt geworden – und der Sportsoldat hat noch einiges vor: so will er zum Beispiel bei den Burghley Horse Trials in England, das wie auch Badminton als Klassiker des Vielseitigkeitssports gilt, erfolgreich sein. Und auch die Olympischen Spiele hat er sich als Ziel gesetzt.

Damit das klappt, hat Ostholt auf seiner Anlage die nötigen Strukturen geschaffen: eine moderne Stallanlage, in der sich die Pferde wohlfühlen, gehört zum Beispiel genauso dazu wie eine eigene Reithalle und ein Aquatrainer – eine Box mit Laufband, die geflutet werden kann. Die Basisarbeit findet auf seinem Gelände statt, Ostholt nutzt aber auch den Trainingsplatz der Sportschule Warendorf. „Dieser Platz ist in Deutschland einmalig“, erklärt der 45-Jährige. „Das hat sich ausgezahlt, denn früher hatten wir relativ viele kranke Pferde über die Saison.“ Der Boden in Warendorf sei gut für den Anbau von Spargel und Kartoffeln, aber zu trocken und zu tief für das Reiten. „Ein tiefer Boden geht immer auf die Pferdebeine.“ Die Folge: Sehnenschäden – und in der Regel ein Jahr Pause für das Pferd. „Durch den Platz hat sich das deutlich minimiert, außer bei Frost kann man immer trainieren.“

Ostholt weiß, dass er sportlich nur erfolgreich sein kann, wenn es seinen Pferden in allen Bereichen gut geht: „Ob das neue Eisen sind, das richtige Huf-Öl, die richtige Hautcreme oder der nötige Ausgleich wie zum Beispiel das Grasen lassen.“ Sein absolutes Top-Pferd ist aktuell Corvette. „Als Mensch wäre sie ein Autist“, so Ostholt. Corvette braucht ihre gewohnten Routinen und ihre gewohnte Box. „Sie muss sich geborgen fühlen, egal, was um sie rum ist.“ Sein zweites Top-Pferd ist Höhenflug, Spitzname Hubsi. „Der ist beim Reiten herrlich unkompliziert, kann aber aufbrausend sein“, sagt Ostholt und nennt ein Beispiel: „Wenn zum Beispiel auf Straße eine Kutsche langfährt, bist du innerhalb von fünf Sekunden auf der anderen Seite der Anlage.“

Andreas Ostholt mit seinem aktuellen Top-Pferd Corvette. Foto: DBwV/Sarina Flachsmeier

Andreas Ostholt mit seinem aktuellen Top-Pferd Corvette. Foto: DBwV/Sarina Flachsmeier

Aktuell hat Ostholt zehn Pferde unter dem Sattel, bei fast jedem Tier ist er inzwischen Mitbesitzer, um die Bindung zum Pferd und zum Züchter zu signalisieren. Der Kaufpreis für ein junges Pferd könne schon bei 15.000 bis 20.000 Euro liegen. „Im Regelfall bekomme ich die Pferde als Jungpferd und bilde sie aus“, sagt Ostholt. In bestimmten Fällen – zum Beispiel bei besonders erfolgreichen Pferden – kann es auch mal bis 500.000 Euro hochgehen. Dazu kommen laufende Kosten wie Futter, Einstreu, Impfungen, Wurmkuren, Versicherungen sowie Fahrtkosten und Startgelder für die Wettkämpfe.

„Der Vorteil als Sportsoldat ist natürlich ganz klar die Absicherung. Gerade wenn man sich in einer Randsportart aufhält“, sagt der zweifache Vater ganz offen. Um die hohen Kosten zu decken, gibt Ostholt außerdem viele Lehrgänge. „Wenn man tatsächlich im Spitzensport unterwegs ist, ist das leider eine der teuersten Sportarten, die es gibt.“ Das werde jedoch oft schön geredet im Pferdesport. „Viele stellen sich das immer so leicht vor, dass einem quasi alles geschenkt wird. So glamourös ist das aber nicht“, stellt Ostholt klar, der aber trotzdem nichts anderes machen wollen würde. „Ich freue mich darüber, dass ich mein eigentliches Hobby zum Beruf machen konnte und zur Profession.“ 

Zu Ostholts größten Erfolgen gehört der zweite Platz bei den Badminton Horse Trials. „Das ist so was wie das Wimbledon im Tennis“, erklärt er. Foto: DBwV/Sarina Flachsmeier

Zu Ostholts größten Erfolgen gehört der zweite Platz bei den Badminton Horse Trials. „Das ist so was wie das Wimbledon im Tennis“, erklärt er. Foto: DBwV/Sarina Flachsmeier

Andreas Ostholt ist gebürtiger Warendorfer, wächst auf dem elterlichen Hof auf – wo es auch Pferde gibt. Ende der 2. Klasse gewinnt er einen bundesweiten Malwettbewerb und ergattert so einen Platz in einer professionellen Trainingsgruppe für den Modernen Fünfkampf. Trainiert wird sechsmal die Woche, doch Ostholts Vater merkt irgendwann, dass beim Sohnemann die Luft raus ist und spricht ihn darauf an. „Und schwupps, bin ich Vielseitigkeitsreiter geworden“, erzählt Ostholt und lacht.

1997 leistet er seinen Wehrdienst, scheidet danach aus der Bundeswehr aus. Ostholt macht den Pferdewirt und den Pferdewirtschaftsmeister, während des Diplom-Trainerstudiums in Köln stößt er als Wiedereinsteller zurück zur Bundeswehr und ist seit 2003 Sportsoldat. „Grundsätzlich konnte ich mich immer schon sehr damit identifizieren und wäre auch gerne normaler Soldat geworden“, sagt Ostholt und betont: „Ich trage die Uniform bei den Wettkämpfen im In- und Ausland gerne und mit Stolz.“

Schüler von Springreiter-Legende Winkler

2010 passiert etwas, das Ostholts Leben verändern wird: er beginnt, mit Springreiter-Legende Hans Günter Winkler zu trainieren. Selbst wer sich nicht mit Reitsport beschäftigt, hat ziemlich sicher schon einmal davon gehört, wie die Stute Halla den an der Leiste schwer verletzten Winkler 1956 zur Goldmedaille trägt. Winklers Training mit Andreas Ostholt bleibt zunächst aber geheim. „Er sagte: ,Ich muss mir erst mal angucken, was du für eine Flitzpiepe bist und bevor ich mich mit dir blamiere, müssen wir erstmal miteinander trainieren.‘ Und irgendwann habe ich ihn dann gefragt, wie es denn jetzt aussieht. Und da meinte er: ,Gefällt mir ganz gut‘“, erzählt Osholt, der fortan offiziell der Schüler von Winkler war.

Winklers vierte Ehefrau Debby stirbt 2011 nach einem tragischen Trainingsunfall, und Winkler bietet Ostholt an, die Reitanlage in Warendorf zu übernehmen. „Er fragte: ,Ist das euch hier nicht schön genug?‘“, sagt Ostholt und schüttelt den Kopf, als er sich an den Moment erinnert. „Ich verstand die Fragen zunächst nicht. Er fragte nach, und ich verstand es immer noch nicht. Und dann hält er mir die Hand hin und fragt nochmal: ,Möchtest du das haben?‘“ Ostholt will, er und seine Frau Sabrina übernehmen die Reitanlage und modernisieren sie.

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Andreas Ostholt 2007 mit „Lady Lemon“. Foto: dpa

Andreas Ostholt 2007 mit „Lady Lemon“. Foto: dpa

Ostholt war nie in der Lage, sich ein teures Pferd zu kaufen und so seinen Weg zu gehen. Darum verlässt sich der Pferdewirtschaftsmeister auf sein Gefühl, was die Auswahl der Tiere angeht. „Ich habe immer wieder Pferde gefunden, deren Fähigkeiten nicht erkannt wurden. Das ist vielleicht auch ein Talent von mir, aus etwas nicht Offensichtlichem etwas zu formen“, erklärt Ostholt. So wie zum Beispiel bei Lady Lemon FRH. Das Pferd sollte als sportuntauglich zurück zum Züchter, hatte schon drei Reiter gehabt, war verletzt. Doch Ostholt lässt sich nicht beirren und vertraut auf sein Gefühl.

„Als sie weg sollte, hieß sie ,Möhre‘. Was für ein liebloser Name“, erinnert sich Ostholt. „Ich habe ihr den Spitznamen ,Lady The Killer‘ gegeben. Weil entweder killt sie mich – oder die Konkurrenz. Es war hopp oder top.“ Doch Ostholts Plan geht auf, mit Lady Lemon belegt er in verschiedenen Weltcupfinals die Plätze 13, 10 und 9. „Das war schon besonders“, sagt Ostholt. Ähnlich war es auch bei „So is et“, mit dem Ostholt 2015 Deutscher Meister wird. „Da gab es anschließend auch Lob von Trainern, die vorher skeptisch waren“, erinnert er sich. Die beiden Beispiele haben ihm gezeigt: „Wenn man wirklich an etwas glaubt, kann man vieles erreichen.“

2015 wird Ostholt mit „So is et“ Deutscher Meister. Foto: picture alliance / INSIDE-PICTURE | Selim Sudheimer

2015 wird Ostholt mit „So is et“ Deutscher Meister. Foto: picture alliance / INSIDE-PICTURE | Selim Sudheimer

Ein Vielseitigkeitspferd müsse natürlich ein gewisses Talent haben, sagt der 45-Jährige, damit man Erfolg haben könne. „Wichtig ist aber der Leistungswille, der gefördert werden muss. Nur so können es Reiter und Pferd als Partner in der Vielseitigkeit bis nach ganz oben schaffen.“ So wie Anfang Mai, als Ostholt im polnischen Sopot mit seinem Wallach „Höhenflug“ den ersten Platz belegt. Ostholt: „Es läuft mir den Rücken runter, wenn da für einen alleine die deutsche Nationalhymne gespielt wird. Das ist für mich die größte Belohnung als Soldat.“