Beate Serfling, Arbeitnehmerin:
„75 Jahre Grundgesetz – das ist das Fundament unseres alltäglichen Zusammenlebens in einem freien und demokratischen Rechtsstaat, welcher uns Schutz und Sicherheit gewährleistet. Würde, Freiheit, Gleichberechtigung – all das schützt das Grundgesetz. Seit 75 Jahren existiert diese standhafte, sich weiterentwickelnde Grundlage und so kann man nur hoffen, dass uns diese noch sehr viele weitere Jahre erhalten bleibt. Es bietet nicht nur eine Art politisches Aushängeschild, sondern versichert jedem Menschen identische Freiheiten, die Gleichheit vor dem Gesetz und ein Leben ohne Furcht vor willkürlichen Gesetzesentscheidungen.“
Die Wiege der bundesdeutschen Demokratie
Vor 75 Jahren wurde das Grundgesetz verabschiedet - es war die Geburtsstunde der Bundesrepublik
Das, was vom Deutschen Reich geblieben war, lag größtenteils in Trümmern, jenseits der Elbe regierte die Staatspartei SED, straff kontrolliert von der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland, in Westdeutschland hatten die Militärgouverneure der USA, Großbritanniens und Frankreichs das Sagen. Das war die Lage drei Jahre nach dem Ende des von Nazi-Deutschland entfesselten Zweiten Weltkrieges. Diesseits der Elbe machten sich die westlichen Siegermächte am 1. Juli 1948 mit den Ministerpräsidenten der damaligen westdeutschen Länder auf den Weg, einen demokratischen westdeutschen Staat zu gründen.
An diesem Tag übergaben sie den Ministerpräsidenten und Bürgermeistern der (west-) deutschen Länder – mit Ausnahme des Saarlandes – im IG Farben-Haus die Frankfurter Dokumente und den Auftrag, eine verfassungsgebende Versammlung bis zum 1. September des Jahres einzuberufen. Eine Woche vor der Übergabe der Frankfurter Dokumente hatte die Sowjetunion mit der Berliner Blockade alle Land- und Wasserverbindungen nach West-Berlin abgeriegelt. Das war die Reaktion der Sowjets auf die Pläne der Westalliierten, in den drei westlichen Besatzungszonen – der Trizone – den Marshallplan zum Wiederaufbau durchzusetzen. Vier Tage vor Beginn der Blockade am 24. Juni 1948, wurde in der Trizone und in Westberlin nach einer Währungsreform die D-Mark eingeführt.
Zu dem Zeitpunkt war der gemeinsame Kampf der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs gegen Nazi-Deutschland schon längst Geschichte, der Eiserne Vorhang trennte das freie Europa von den kommunistischen Staaten. Die Deutsche Einheit wurde allenfalls in Fensterreden beschworen. Realpolitiker wie der CDU-Vorsitzende Konrad Adenauer wussten allerdings längst, dass nur ein Weststaat in greifbarer Nähe war, denn die Bedingung der Sowjetunion, die von Stalin mit eiserner Hand regiert wurde, und der SED für freie gesamtdeutsche Wahlen war, dass ein vereinigtes Deutschland neutral zu sein habe und sich keinem Bündnis anschließen dürfe. Die Sowjetunion wollte mindestens ganz Berlin unter ihren Einfluss bringen, am liebsten das ganze Deutschland, das nach dem Ende des 2. Weltkrieges übrig geblieben war. Dieses Deutschland endete im Osten an Oder und Neiße, Pommern, Schlesien und Ostpreußen waren von Polen und der Sowjetunion annektiert, bis zu 14 Millionen Deutsche mussten flüchten oder wurden vertrieben.
Der Kalte Krieg war eisig und nachdem die Sowjetunion in ihrem Einflussbereich überall kommunistische Diktaturen installiert hatte, sollte Westeuropa mit einem deutschen Weststaat ein Bollwerk der Freiheit sein. Wie wenig Stalin, der SED im Osten und ihren Vorschlägen für die deutsche Einheit zu trauen war, sollte die freie Welt am 25. Juni 1950 erfahren, als die Armee des kommunistischen Nordkoreas mit dem Segen und der Hilfe der Sowjetunion im demokratischen Südkorea einmarschierte, um das Land mit Gewalt als „roten“ Staat zu vereinigen.
Es war der 1. September 1948, als sich 71 Abgeordnete im Bonner Museum Alexander Koenig trafen, um die Eröffnung des Parlamentarischen Rates zu feiern. Nur vier von ihnen waren Frauen, fünf von ihnen, die gewählten Vertreter aus den Reihen der Berliner Stadtverordnetenversammlung, waren nicht stimmberechtigt. Die ehemalige Reichshauptstadt stand unter dem Viermächtestatus. Die Abgeordneten waren von den neu gegründeten Nachkriegsparteien CDU und CSU, von der SPD, der Deutschen Zentrumspartei (DZP), der rechtsgerichteten Deutschen Partei (DP), der liberalen FDP und schließlich auch von der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die 1956 verboten wurde. Präsident des Parlamentarischen Rates wurde der Christdemokrat Konrad Adenauer, ehemaliger Zentrumspolitiker und bis 1933 Oberbürgermeister von Köln. Er sollte später der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“: Das ist der erste Absatz des ersten Artikels des Grundgesetzes, das am 23. Mai 1949 um Mitternacht, vor 75 Jahren, in Kraft trat. Artikel 9, Absatz drei, war die Voraussetzung dafür, dass der Deutsche BundeswehrVerband am 14. Juli 1956 gegründet werden durfte – „Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet.“ In zwei Jahren können wir auf 70 Jahre Erfolgsgeschichte des Verbandes zurückblicken.
In vielem war man sich im Parlamentarischen Rat schnell einig, einzig der zweite Absatz des Artikels drei war eine „schwere Geburt“. Nach mehreren gescheiterten Abstimmungen konnten sich die Sozialdemokratinnen Elisabeth Selbert aus Kassel und Frieda Nadig aus Westfalen endlich mit der Formulierung „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ durchsetzen.
Der vor wenigen Monaten verstorbene CDU-Politiker und frühere Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat für die Verfassung, die seit dem 3. Oktober 1990 auch für die fünf Bundesländer im Osten gilt, einen Satz für die Ewigkeit geprägt: „Das Grundgesetz ist nicht verhandelbar.“
Die Mütter des Grundgesetzes
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ – ohne Elisabeth Selbert, Frederike Nadig, Helene Weber und Helene Wessel würde es diese zentrale Formulierung nicht geben. Die vier Frauen – die Mütter des Grundgesetzes – kämpften 1949 für den Gleichberechtigungsartikel im Grundgesetz. Nur vier der insgesamt 65 Mitglieder des Parlamentarischen Rats, der das Grundgesetz erarbeitete, waren Frauen. Dem unermüdlichen Einsatz der Juristin Elisabeth Selbert (SPD) sowie der parteiübergreifenden Zusammenarbeit mit Frederike Nadig (SPD), Helene Weber (CDU) und Helene Wessel (Zentrumspartei) ist das klare Bekenntnis des Grundgesetzes zur Gleichberechtigung zu verdanken.
Im Zweiten Weltkrieg leisteten Frauen Schwerstarbeit, da die Männer an der Front waren. Später beseitigten sie Trümmer und bauten Städte wieder auf. In Büros und Fabrikhallen verrichteten sie „Männerarbeit“.
Die vier Frauen haben nicht nur für den Artikel 3 des Grundgesetzes gekämpft, sondern auch die Grundlagen für weitere Reformen gelegt: Dazu gehören das Gleichberechtigungsgesetz (verabschiedet 1957), die Reform des Ehe- und Familienrechts (1976), das Gesetz über die Gleichbehandlung am Arbeitsplatz (1980) und die Erweiterung von Artikel 3 im Grundgesetz. Dort heißt es seit 1994 ergänzend: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
An der Beseitigung „bestehender Nachteile“ wirkte auch der Deutsche BundeswehrVerband mit. Dass Frauen in allen Waffengattungen der Bundeswehr dienen dürfen, ist erst seit 2001 möglich. Die Kreil-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, vom Deutschen BundeswehrVerband für die Klägerin Tanja Kreil durchgefochten, machte das möglich.
Die rechtliche Gleichstellung ist erreicht, doch an der Gleichberechtigung im Alltag muss auch nach 75 Jahren gearbeitet werden: In Führungspositionen von Politik und Wirtschaft sind Frauen immer noch unterrepräsentiert. Auch im Bundestag sind nur 34 Prozent der Abgeordneten Frauen. Doch ohne die Verankerung des Gleichheitsanspruchs im Grundgesetz sähe die Lage womöglich anders aus. Der andauernde Wandel ist jedenfalls den vier mutigen Vorkämpferinnen zu verdanken.
Stimmen von Mitgliedern des Deutschen BundeswehrVerbandes
Demokratie, Freiheit, Gleichberechtigung und Sicherheit – diese Dinge sind unter anderem in unserem Grundgesetz festgehalten und vielen Menschen in der Bundesrepublik besonders wichtig. Ein Blick auf die Welt zeigt: Diese Rechte sind nicht selbstverständlich. Wir haben bei Verbandsmitgliedern nachgefragt: Welche Bedeutung hat das Grundgesetz für sie?
Hauptmann Patrick Haag:
„Für mich ist es ein Privileg, das Grundgesetz verteidigen zu dürfen, denn die uns heute schützenden Rechte sind keine Selbstverständlichkeit – wir sehen noch immer, wie vielen Menschen weltweit diese Rechte verwehrt bleiben. Das bewusste Einschränken einiger Artikel des Grundgesetzes in unserem Berufsbild zeigt auch klar die Bereitschaft der Soldatinnen und Soldaten, sich für ein höheres Gut einzusetzen.“
Oberst a.D. Jürgen Damm:
„1958 bin ich in die Bundeswehr eingetreten und Berufssoldat geworden. Mein Antrieb war es damals, das Grundgesetz und diese wunderbare Republik mit ihrer freiheitlichen und demokratischen Grundordnung gegen jeden und alles zu verteidigen, der diese Ordnung angreifen will. Auch heute gilt für mich noch die Bindung an diesen Eid. Für mich am bedeutendsten sind die Artikel 1 bis 19. Die unantastbare und unverletzliche Würde des Menschen ist die wichtigste Forderung!”
Oberstleutnant a.D. Bertram Hacker
„75 Jahre Grundgesetz bedeuten für mich vor allem, Frieden, Freiheit, Sicherheit und Gleichheit seit 75 Jahren genießen zu dürfen. Im Grundgesetz wird die Versammlungsfreiheit (Art.9.) garantiert und damit auch die Möglichkeit geschaffen, eine Interessenvertretung der Soldaten zu gründen und aufzubauen. Dies haben Soldaten genutzt und mit dem DBwV eine Organisation aufgebaut, die ihren Einfluss über die Jahre gestärkt und zum Wohle der Soldaten und Soldatinnen und deren Familien viele Verbesserungen erreicht hat. 75 Jahre Grundgesetz bedeuten für mich die Erkenntnis, weiter auf diesem demokratischen Weg gehen zu müssen und dafür zu kämpfen, unsere Demokratie zu erhalten. Sie ist die Garantie für eine pluralistische Gesellschaft, die in Frieden zusammenlebt.”